Bundesinnenministerium unterliegt erneut „NiUS“ vor Gericht

Das Bundesinnenministerium muss auch dem privaten Nachrichtenportal „NiUS“ Auskunft darüber erteilen, gegen welche Journalisten und aus welchem Grund es im Jahr 2022 juristische Schritte in die Wege geleitet hatte. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
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Das Archivbild zeigt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Ihr Ministerium war im Rechtsstreit gegen das Nachrichtenportal „NiUS“ unterlegen.Foto: Michele Tantussi/AFP via Getty Images
Von 22. Oktober 2024

Das Bundesinnenministerium (BMI) hat in einer Auseinandersetzung mit dem Online-Nachrichtenportal „NiUS“ vor Gericht eine Niederlage einstecken müssen.

Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg entschied bereits am 18. Oktober 2024 in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass das BMI die Frage beantworten müsse, welche Journalisten das Ministerium im Jahr 2022 per Anwalt zu einer sogenannten Unterlassung aufgefordert hatte. Zudem sei das BMI verpflichtet, Auskunft darüber zu erteilen, welche Äußerungen eines Journalisten genau den Unmut des Ministeriums erregt hatten.

Auch ein Onlinemedium wie „NiUS“ besitze wie jedes andere Presse- oder Rundfunkmedium einen „verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch“, entschied das OVG. Der Beschluss mit dem Aktenzeichen OVG 6 S 37/24 sei unanfechtbar, teilte das Gericht einer Pressemitteilung mit, ohne die Klägerrolle von „NiUS“ ausdrücklich zu erwähnen.

OVG: Regierungsaktionen gegen Presse „neues Phänomen“

Nach Informationen der „Welt“ hatte das BMI derartige Auskünfte gegenüber „NiUS“ bislang verweigert und lediglich zugegeben, in einem Fall „außergerichtlich gegen Journalisten“ vorgegangen zu sein. Den Namen des oder der Betroffenen habe das BMI nicht verraten. Doch das hatte dem OVG-Senat offensichtlich nicht genügt. Zur Begründung für den Auskunftsanspruch hatten die Richter unter anderem das „gesteigerte öffentliche Interesse“ ins Feld geführt.

Immerhin, so das OVG, habe aktuell die Frage im Raum gestanden, ob die Bundesregierung „mit Hilfe externer Anwaltskanzleien“ tatsächlich gezielt „gegen regierungskritische Presseberichterstattung“ agiere. Aus Sicht des Gerichts habe der Antragsteller dieses „neue Phänomen“ jedenfalls „hinreichend dargelegt“.

Verschiedene Regierungsstellen ignorierten Anfragen

Der Hintergrund für den Rechtsstreit liegt laut „Welt“ in der Tatsache, dass Presseanfragen von „NiUS“ immer wieder ignoriert worden seien. Umgekehrt hätten verschiedene Regierungsstellen ihrerseits das Nachrichtenportal immer wieder aufgefordert, bestimmte Äußerungen zu unterlassen. Derartige Unterlassungsaufforderungen seien beispielsweise aus dem BMI, aus dem Bundesentwicklungsministerium von Svenja Schulze oder von der Antidiskriminierungsstelle (ADS) von Ferda Ataman an „NiUS“ herangetragen worden.

Doch vor Gericht habe der prominente Hamburger Medienanwalt Joachim Steinhöfel bislang in allen Fällen den Sieg für „NiUS“ über die Regierungsseite davongetragen. Zähle man andere Auftraggeber mit, so habe Steinhöfel allein im laufenden Jahr insgesamt 14 presserechtliche Verfahren gegen Regierungsstellen gewonnen.

BVerfG: Regierung muss auch scharfe und polemische Kritik aushalten

Ein Beispiel: Im Rechtsstreit gegen Schulzes Entwicklungsministerium hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 11. April 2024 unter anderem klargestellt, dass dem Staat „kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz“ zukomme. Der Staat habe „grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten“ (1 BvR 2290/23 – Abschnitt 28).

In Abschnitt 29 der BVerfG-Urteilsbegründung heißt es zum Konflikt zwischen dem Schutzbedürfnis staatlicher Stellen und der Meinungsfreiheit weiter: „Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit […] ist dann besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.“

Laut „Welt“ kommentierte Steinhöfel seinen jüngsten Erfolg gegen das BMI mit einem lachenden und einem weinenden Auge:

Darüber kann man sich als Anwalt freuen oder als Bürger fassungslos sein angesichts der Kaltschnäuzigkeit, mit der diese Regierung die Rechte der freien Presse rechtswidrig ignoriert.“

„NiUS“ vermutete systematisches Vorgehen gegen bestimmte Medien

Von den vielen juristischen Angriffen überrascht, habe die Redaktion von „NiUS“ schließlich den Verdacht gehegt, dass die Ampelregierung womöglich systematisch gegen ganz bestimmte Presseorgane vorgehen könnte.

Um ihren Verdacht auf ein planvolles Vorgehen zu überprüfen, habe die „NiUS“-Redaktion um den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt deshalb Fragenkataloge an alle 16 Bundesministerien geschickt, in denen es um die Anzahl der Regierungsattacken gegen Medienhäuser, die Namen der Attackierten und über die jeweiligen Hintergründe gegangen sei.

Die Epoch Times schickte am Vormittag des 22. Oktober einen Fragenkatalog an die Bundesregierung, um mehr über deren Rechtsstreitigkeiten mit Pressevertretern zu erfahren. Wir wollten wissen, in wie viele derartige Streitverfahren die Bundesregierung mitsamt ihrer untergeordneten Behörden seit Amtsantritt Ende des Jahres 2021 verwickelt war, wie oft die Regierungsstellen als Kläger oder Beklagte auftraten, wer jeweils gewann und was das Ganze den Steuerzahler gekostet hatte. Sobald uns die Antworten vorliegen, werden wir darüber berichten.

Faeser immer wieder unter Druck

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon vor ihrer Amtszeit als BMI-Chefin für Schlagzeilen gesorgt, beispielsweise durch ihren Gastbeitrag vom 3. Juli 2021 für das Magazin „Antifa“ über Rechtsextremismus.

Als Innenministerin war ihr die Auflösung des „Expertenkreises Politischer Islamismus“ ein dringendes Anliegen. Kritik erfuhr sie auch wegen der Niederlage im Rechtsstreit mit dem Publizisten Henryk M. Broder, wegen ihres Auftritts mit der Regenbogen-„One Love“-Armbinde in Katar und wegen der Affäre um die Entlassung des früheren BSI-Chefs Arne Schönbohm. Im Sommer 2024 hatte Faeser zudem versucht, das regierungskritische „COMPACT-Magazin“ verbieten zu lassen. Das verhängte Verbot wurde gerichtlich zunächst ausgesetzt, das Hauptverfahren steht noch aus.



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