BSW als Mehrheitsbeschaffer: Kretschmer auf Wagenknecht-Partei angewiesen
Auch in Sachsen zeichnet sich jüngsten Wahlbefragungen zufolge ab, dass es nach der Landtagswahl am 1. September 2024 eine Koalition zwischen der CDU und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) geben wird. Stärkste Kraft wäre zwar die AfD, doch mit der „Alternative für Deutschland“ beabsichtigt bekanntlich keine von beiden zusammenzuarbeiten.
Während CDU und BSW sich schon in Thüringen offen für eine bürgerlich-linke Zusammenarbeit gezeigt hatten, wird sich wohl auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit der jüngsten Abspaltung der Linken anfreunden müssen, wenn er weiter Chef bleiben will. Für sein amtierendes Kenia-Bündnis (Schwarz-Grün-Rot) wird es höchstwahrscheinlich nicht mehr reichen. Einer weiteren Zusammenarbeit mit den Grünen hatte Kretschmer schon Anfang März 2024 eine Absage erteilt.
BSW erobert Rolle des Königsmachers
Das BSW konnte nach einer aktuellen Infratest dimap-Umfrage im Auftrag des MDR als einzige Kraft in Sachsen in den vergangenen fünf Monaten deutlich zulegen: Stand 18. Juni bedeuten sieben Prozentpunkte plus 15,0 Prozent in der Wählergunst und damit Platz drei im sächsischen Parteienwettbewerb. Dasselbe Bild malt eine Umfrage von INSA: Auch dort erreicht die Wagenknecht-Partei 15,0 Prozent, vier Prozentpunkte mehr als noch am 19. März 2024.
Ob die CDU nun 29,0 (minus 1,0 Punkte/Infratest dimap) oder 30,0 Prozent (konstant/INSA) erreichen könnte, würde kaum eine Rolle spielen: In beiden Fällen würde es für eine CDU-BSW-Koalition mit deutlich über 40 Prozent wohl ausreichen. Es stellt sich lediglich die Frage, ob noch eine dritte Partei mit ins Boot geholt werden müsste, um mit absoluter Mehrheit regieren zu können.
Das wäre womöglich dann der Fall, wenn sich die Infratest dimap-Umfrage bewahrheiten würde: Auf die Grünen und auf die SPD fielen dann gleichermaßen je 7,0 Prozent, die Opposition wäre in etwa genauso stark wie die beiden Regierungsparteien. Wegen Kretschmers Nein zu den Grünen könnte im Fall des Falles also höchstens die schwächelnde SPD weiter regieren – eine nahezu identische Situation wie in Thüringen.
CDU/BSW-Koalition hätte Segen aus der CDU-Zentrale
Während die CDU auf Bundesebene die Zusammenarbeit mit dem BSW unter anderem wegen dessen striktem Anti-Kriegs-Kurs ablehnt, wäre auf Länderebene ein Bündnis möglich. CDU-Chef Friedrich Merz hatte den CDU-Landesverbänden kürzlich doch noch freie Hand dafür gegeben.
Kretschmer selbst gab bislang zwar noch kein Bekenntnis, aber auch noch keine klare Absage an die Wagenknecht-Partei ab, wie die „Zeit“ berichtete. Die Führungsrolle wolle er aber nicht aufgeben: „Ich glaube, am Ende müssen es die machen, die über Jahrzehnte gezeigt haben, dass sie Verantwortung tragen können“, so Kretschmer.
Sachsens BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann, früher bei Die Linke unterwegs, zeigte sich nach Angaben der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ (DNN) selbstbewusst im Wissen um die wahrscheinliche Unverzichtbarkeit ihrer Partei:
Das BSW könnte ein Garant für eine demokratische Regierung sein. Wir treten an, um etwas zu verändern – und dafür muss man regieren.“
Ein BSW-Wahlprogramm für den Sächsischen Landtag ist laut DNN noch in Vorbereitung. Gemessen am BSW-Webauftritt dürfte es aber Schnittmengen zumindest bei der Migrationspolitik und bei der Schulsozialarbeit geben.
Linke und FDP wohl raus, Grünen und SPD droht Aus
Die Linke spielt laut Infratest mit derzeit 3,0 Prozent (minus 1,0) in Sachsen wohl keine Rolle mehr, die FDP ist längst unter den „sonstigen“ Parteien gelandet. Auch INSA sieht Die Linke mit 4,0 Prozent (minus 1,0) und die FDP mit konstanten 2,0 Prozent aus dem Rennen.
Sollte allerdings der Trend aus der INSA-Umfrage anhalten und sowohl Grüne (5,0 Prozent konstant) als auch SPD (5,0 Prozent / minus 1,0) die Fünf-Prozent-Hürde in Sachsen nicht mehr überspringen, säße kein einziger Vertreter einer Ampelpartei mehr im Landtag Dresden.
Es wäre dann wohl eine ganz klare Angelegenheit für CDU und BSW: Kaum anzunehmen, dass die AfD es bei ihren nur noch 30,0 Prozent (minus 5,0 / Infratest) oder 32,0 Prozent (minus 2,0/INSA) zur absoluten Mehrheit schafft. Ende Januar hatte die AfD bei einer Infratest-Umfrage für den MDR noch 35,0 Prozent geholt.
Urban gibt sich kampfbereit
Doch AfD-Herausforderer Jörg Urban blieb nach Angaben der „Freien Presse“ (Bezahlschranke) zuletzt bei seinem Ziel, „Ministerpräsident Kretschmer in der Staatskanzlei abzulösen“. Er sei angesichts der Umfragewerte seiner Partei der Meinung, dass es zu einer „Koalition der Wahlverlierer“ nicht kommen dürfe.
Ob die bisher nicht in den Umfragen vertretene rechtskonservative WerteUnion (WU) aus dem Stand die Lücke füllen könnte, die die AfD vielleicht doch noch zum Regieren bräuchte, bleibt äußerst unwahrscheinlich. Ihr Gründer und Zugpferd Dr. Hans-Georg Maaßen, Ex-CDU-Parteimitglied und Ex-Verfassungsschutzchef, hatte beim Wahlkampfauftakt am vergangenen Mittwoch in Chemnitz laut MDR dennoch angekündigt, mit 19 Listenkandidaten und sechs Direktkandidaten antreten zu wollen. Spitzenkandidat der WU ist Heiko Petzoldt. Bei der WU gibt es keine Brandmauer – auch nicht in Richtung AfD.
Eine Minderheitsregierung der CDU ohne das BSW und unter Duldung der AfD soll es nicht geben: Nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ hatte AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban seine Zustimmung zu einem derartigen Modell bereits verweigert.
Kretschmer bei den Wählern besonders beliebt
Selbst wenn der Ministerpräsident in Sachsen direkt gewählt würde, hätte Urban derzeit keine Chance auf die Staatskanzlei: Nach Angaben der „Tagesschau“ würden ihn nach Zahlen des jüngsten „Sachsentrends“ nur 17,0 Prozent wählen. Amtsinhaber Michael Kretschmer bekäme mit 58 Prozent mehr als dreimal so viele Stimmen. Mit Kretschmers aktueller Landesregierung hätten sich zuletzt 43 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden gezeigt.
Der Landesrechnungshof hatte erst Anfang Juni wieder die ausufernden Personalausgaben des Freistaates kritisiert: Fast 40 Prozent des Staatshaushaltes waren 2022 für die Versorgung der 96.000 Staatsbediensteten und Beamte ausgegeben worden.
55 Prozent der Befragten des Sachsentrends hätten die AfD in Regierungsverantwortung rundheraus abgelehnt. Unter den CDU-Wählern seien es sogar 83 Prozent, bei SPD und Grünen noch mehr. Die BSW-Wähler hätten mit einer AfD in Exekutivfunktion allerdings zu 36 Prozent keine Schwierigkeiten.
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