Boris Palmer begrüßt Austritt Grüner Jugend: „Projekt von ideologischem Ballast befreien“

Am Mittwoch hat der Vorstand der Grünen Jugend geschlossen seinen Austritt aus der Mutterpartei erklärt. Die Ausgetretenen wollen eine neue linke Partei gründen. Die Reaktion in der Mutterpartei reichen von Enttäuschung bis zu Erleichterung.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa
Von 26. September 2024

Der geschlossene Austritt des Vorstands der Grünen Jugend aus der Mutterpartei, den dieser am Mittwoch, 25. September, bekanntgegeben hatte, hat dort geteilte Reaktionen ausgelöst. Während einige führende Funktionäre der Partei ihrer Enttäuschung über den unerwarteten Schritt Ausdruck verliehen haben, hält sich bei anderen das Bedauern in Grenzen.

Appuhn, Stolla: Partei „nicht bereit, sich mit den Mächtigen anzulegen“

Mehrere aktuelle und frühere Führungskader der Grünen Jugend wie Svenja Appuhn, Katharina Stolla oder Sarah-Lee Heinrich hatten einen identischen Post auf X veröffentlicht und damit ihren Parteiaustritt verkündet. Mittlerweile gibt es unter dem Titel „Zeit für was Neues“ auch schon eine Anlaufstelle im Netz, bei der sich Interessierte an dem neuen Projekt melden können.

Die Ausgetretenen sprechen unter anderem von einem „Entfremdungsprozess“. Man sehe sich in zunehmendem Maße außerstande, Kompromisse mitzutragen, die grüne Regierungspolitiker eingingen, um ein vorzeitiges Ende der Ampel abzuwenden. Ein wesentlicher Faktor dabei sei die Asylpolitik.

Der Jugendverband soll etwa 16.000 Mitglieder aufweisen. Im Vorfeld der EU-Wahlen hatten Stolla und Appuhn für eine „linke Utopie“ und einen „demokratischen Sozialismus“ geworben. Nun kritisiert man, die Grünen seien „nicht dazu bereit, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen“.

Künast: Grüne Jugend wollte „Klassensystem-Sozialismus“ einführen

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, erklärte im „Deutschlandfunk“, es wäre besser gewesen, zu „bleiben und für eine andere Politik [zu] werben“. Dies sei aber „jetzt die Entscheidung von jungen Leuten, und das ist dann so“. Sie selbst habe, so Dröge, ebenfalls der Grünen Jugend angehört – und sei in der Schröder-Ära deren Vorsitzende gewesen.

Damals habe sie „durchaus kritisiert, was Rot-Grün gemacht hat, aber immer dafür gekämpft, dass sich auch Dinge aus meiner damaligen Perspektive ändern“. Intern für Veränderungen zu kämpfen, sei immer der richtige Weg.

Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast erklärte hingegen gegenüber dem „Inforadio“ des RBB, sie sei über den Schritt nicht verwundert und „weine auch nicht“. Der Vorstand der Grünen Jugend sei nach ihrer Einschätzung „nicht realitätstauglich“ gewesen und habe einen „Klassensystem-Sozialismus“ errichten wollen. Künast äußerte, sie glaube, dass sich viele junge Menschen nun „vielleicht freier engagieren können bei den Grünen“.

Palmer sieht im Austritt das Ende einer „geradezu feindlichen Übernahme von innen“

Ebenfalls erleichtert über den Austritt der Vorstandsetage der Grünen Jugend äußerte sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Der selbst aus der Partei ausgetretene langjährige Grünen-Politiker kommentiert auf Facebook die Entscheidung der Junggrünen. Dabei bringt er Zweifel zum Ausdruck, dass es sich bei den Grünen je um ein linkes Projekt gehandelt habe. Tatsächlich hatten zahlreiche frühere Aktivisten maoistischer K-Gruppen innerhalb der Partei eine steile Karriere hingelegt.

Palmer hingegen spricht von einer „geradezu feindlichen Übernahme von innen“, die sich in den vergangenen zehn Jahren vollzogen habe. Viele „Urgrüne“ habe diese „an den Rand gedrängt oder wie in meinem Fall mit Ausschlusskampagnen überzogen“.

Es sei die „woke Bewegung“ gewesen, die die Grünen „zu einer weiteren linken Partei umformen“ habe wollen, die sie „historisch nicht waren und für die es gar keinen Bedarf gibt“. Der Austritt sei nun eine Gelegenheit, das „grüne Projekt von ideologischem Ballast“ zu befreien:

„Wer Politik gegen die Wirtschaft und mit Marx‘ Theorien machen will, ist bei einer grünen Partei einfach völlig falsch aufgehoben. Die Klimafrage ist dringend. Sie duldet keinen Aufschub für den Klassenkampf.“

Mögliche künftige Linkspartei-Chefin bietet Zusammenarbeit an

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte jüngst in einem Podcast der „Zeit“ in Stuttgart einem möglichen Comeback Palmers in der Partei das Wort geredet. Dieser sei „ein toller Oberbürgermeister und hat seine Stadt messbar vorangebracht“.

Zu einer Mitarbeit in der Linkspartei hat unterdessen Ines Schwerdtner die Ausgetretenen eingeladen. Die Publizistin Ines Schwerdtner, die als aussichtsreiche Kandidatin für den Parteivorsitz gilt, nannte den Schritt des Vorstands der Grünen Jugend „sehr konsequent“. Es brauche in diesem Land eine „linke und sozialistische Kraft, die sich für die Interessen der Menschen einsetzt“.

Dzienus will in Grüner Jugend verbleiben – und ein Bundestagsmandat

Kein Teil des neuen Projekts werden will hingegen der frühere Sprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus. Er nennt diese einen der „stärksten und progressivsten“ linken Jugendverbände. Dies werde er auch bleiben. Dzienus hatte Tage zuvor angekündigt, sich um ein Bundestagsmandat bemühen zu wollen.

Die Grüne Jugend wird vom 18. bis zum 20. Oktober ihren Bundeskongress in Leipzig abhalten. Dort müsste dann auch ein neuer Vorstand gewählt werden.



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