Bodycams, Böllerverkaufsverbot und verschärftes Waffenrecht?
Der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat sich am 9. Januar bei seiner ersten Sitzung des Jahres 2023 auch mit den Krawallen der Silvesternacht beschäftigt.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) forderte, die Sicherheitskräfte möglichst flächendeckend mit Bodycams auszustatten. Außerdem werde sie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in deren Vorhaben unterstützen, das Waffenrecht zu verschärfen. Schreckschusspistolen sollen nach den Vorstellungen von Spranger nicht mehr ohne Eignungsprüfung verkauft werden dürfen.
Über eine Bundesratsinitiative will Spranger zudem ein Böllerverkaufsverbot auf Landesebene durchsetzen. Das hatte auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach der SPD-Klausurtagung vom Wochenende angekündigt. Sprenger hatte mit dem Jahreswechsel die Führung der Innenministerkonferenz übernommen.
Streit wegen Vornamen-Anfrage
Frank Balzer, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, verteidigte seine kontrovers diskutierte Anfrage nach den Vornamen jener Tatverdächtigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besäßen: Die CDU sei „der festen Überzeugung“, dass die „bisherige Politik“ damit gescheitert sei, „bestimmte Themen nicht anzusprechen, zu verschweigen oder zu relativieren“.
Dafür erntete er scharfe Kritik vom innenpolitischen Sprecher der Grünen, Vasili Franco: „Leider hat sich in dem ganzen Kontext die CDU von der Sachdebatte längst verabschiedet. Sie macht stattdessen lieber Wahlkampf am rechten Rand“, warf Franco Balzer vor. „Ich finde, dafür sollten Sie sich schämen. Sie befeuern einen rassistischen Diskurs.“
Sofern das Bundesverfassungsgericht nicht jenen Klägern folgt, die die Neuwahl per Eilantrag verhindern möchten, wird in Berlin am 12. Februar 2023 die Wahl zum Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordneten wiederholt. Das hatte das Berliner Landesverfassungsgericht am 16. November 2022 wegen einer Vielzahl an Unregelmäßigkeiten, Fehlern und Pannen beim Wahlprozess am 26. September 2021 angeordnet.
Slowik will „intensiv aufarbeiten“
Auch das Einsatzkonzept der Polizei in der Silvesternacht wurde im Innenausschuss von Vertretern von CDU, FDP und SPD infrage gestellt. Tom Schreiber, innenpolitischer Sprecher der SPD, bemängelte, dass trotz Silvester „Einsatzhundertschaften gar nicht im Dienst“ gewesen seien. Auch die „Aufstellung im Raum, sozusagen in der Fläche“ sei „zu diskutieren“, so Schreiber in der „rbb24-Abendschau“.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik räumte ein, dass ihre Einsatzkräfte es in einem Fall nicht geschafft hätten, rechtzeitig an einem Brandort in Neukölln Präsenz zu zeigen, sodass Feuerwehrleute zunächst nicht mit ihren Löscharbeiten beginnen konnten. Die Einsatzkräfte der Polizei hätten 17 Minuten gebraucht, um anzukommen.
„Wir haben über 1.300 Einsätze der Feuerwehr begleitet“, gab Slowik zu bedenken, „zum allererheblichsten Teil ist uns das wunderbar gelungen. Aber bei den Fällen, wo es uns nicht gelungen ist, werden wir das intensiv aufarbeiten“. Die Brutalität und Massivität der Angriffe sei „so weder erwartbar noch prognostizierbar“ gewesen, sagte Slowik nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ). Inklusive der Kräfte der Bundespolizei seien in der Silvesternacht fast 3.000 Polizisten im Einsatz auf Berlins Straßen gewesen.
102 Verfahren eingeleitet
Zum Stand der Ermittlungen am 9. Januar sprach Slowik von 145 vorläufig festgenommenen Tatverdächtigen und 102 Verfahren wegen Angriffen auf Einsatzkräfte. 37 der Festgenommenen stünden im Verdacht, Gewalttaten gegen die Polizei verübt zu haben. Dazu seien 49 Verfahren eingeleitet worden. Bei Angriffen gegen Feuerwehrleute gebe es bereits 53 Verfahren.
22 Verfahren mit circa zehn Tatverdächtigen zu Gewaltdelikten gegen Einsatzkräfte seien „bereits letzten Freitag an die Staatsanwaltschaft abgegeben“ worden, bestätigte Polizeipräsidentin Slowik.
Tatverdächtige auf freiem Fuß
Dass alle 145 in der Silvesternacht vorläufig festgenommenen Verdächtigen schnell wieder auf freien Fuß gesetzt worden seien, sei der Rechtslage geschuldet, erklärte Slowik. Für ein längeres Festhalten existierten „nur sehr eingeschränkte Gründe“ – zum Beispiel eine Wiederholungsgefahr. Wenn man U-Haft anordnen wolle, müsse entweder Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr oder ein „Schwerstverbrechen“ vorliegen.
Unangemessen wäre auch ein Wasserwerfer-Einsatz gewesen, sagte Slowik. Dieser sei bei großen Menschenansammlungen sinnvoll, nicht aber bei kleineren Gruppen, die sich in Straßen schnell bewegten, so Slowik nach Informationen der SZ. Die Berliner Polizei habe in ihren Reihen 47 Verletzte gezählt. 14 davon seien ambulant behandelt worden, fünf „vom Dienst abgetreten“. Eine psychologische Betreuung sei in 31 Fällen nötig gewesen.
Der „Focus“ hatte von 18 unterschiedlichen Nationalitäten unter den Tatverdächtigen berichtet: 27 Afghanen, 21 Syrer und 45 Verdächtige mit deutscher Staatsangehörigkeit. Der Anteil der Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund in der Gruppe der deutschen Tatverdächtigen wurde nicht bekannt gegeben. Laut Polizeibericht seien massive Angriffe im gesamten Stadtgebiet vorgekommen und „in ihrer Intensität mit den Vorjahren nicht zu vergleichen“ gewesen. Es sei zu zahlreichen Ermittlungsverfahren gekommen, auch wegen Brandstiftungsdelikten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz und wegen Landfriedensbruchs.
Multireligiöses Solidaritätsgebet
Der Evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte hat für Dienstag, den 10. Januar 2023, zu einem gemeinsamen, multireligiösen Solidaritätsgebet für die Einsatzkräfte der Berliner Silvester-Krawalle in die St. Marienkirche, Karl-Liebknecht-Straße 8, eingeladen. Beginn ist um 17:30 Uhr.
Ihre Teilnahme zugesagt hätten bereits der katholische Polizeiseelsorger Frank-Peter Bitter, der evangelische Bischof Christian Stäblein, der muslimische Geistliche Imam Ender Çetin, der Rabbiner Andreas Nachama und weitere evangelische Seelsorger für Polizei und Feuerwehr. Auch aus den Reihen der von Gewaltexzessen betroffenen Einsatzkräfte werden Vertreter vor Ort sein.
Nach dem Gebet könne man sich segnen lassen oder mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern reden, heißt es auf der Website des Kirchenkreises. „Wichtig ist uns, dass es nicht um eine Verurteilung der Täter anhand von Herkunft, Religion oder sozialer Umstände geht. Sondern um eine Ablehnung von Gewalt gegenüber Einsatz- und Rettungskräften“, betont Pfarrerin Corinna Zisselsberger von der Evangelischen Kirchengemeinde St. Marien-Friedrichswerder.
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