Beweislage dünn: Söder sieht keine Grundlage für Aiwangers Entlassung

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder lehnt auf einer Pressekonferenz die Entlassung seines Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger ab. Söder betont fehlende Beweise und beendet die Debatte. Nicht jedem dürfte diese Entscheidung gefallen.
Titelbild
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, l.) und der Parteivorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages 2018. Die Koalition hat nun bis Legislaturende Bestand.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images
Von 3. September 2023

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine Entlassung seines Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) abgelehnt. Auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Bayerischen Staatskanzlei machte Söder deutlich, dass die Affäre um seinen Stellvertreter dem Bundesland „großen Schaden“ zugefügt habe.

In der Gesamtabwägung eine Entlassung nicht verhältnismäßig

„Es ging um schwere Vorwürfe“, so Söder weiter. Er habe in den vergangenen Tagen abgewogen und sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wichtig sei ihm gewesen, dass es keine Vorverurteilung von Aiwanger geben durfte. Zudem habe es am Samstagabend ein langes Gespräch mit dem Freie-Wähler-Chef gegeben.

Trotz aller Vorwürfe gebe es keine Beweise dafür, dass Hubert Aiwanger vor 36 Jahren das antisemitische Flugblatt selbst verfasst oder verteilt habe. Ihm gegenüber habe Aiwanger auch immer wieder von sich gewiesen, Verfasser des antisemitischen Hetzpamphlets zu sein. Söder betonte, dass er das Aiwanger abnehme.

„In der Gesamtabwägung […] wäre eine Entlassung aus dem Amt nicht verhältnismäßig“, so der bayerische Ministerpräsident.

Er kritisierte allerdings Aiwangers Krisenmanagement in den vergangenen Tagen. „Es war eine unschöne Woche. Es hat Bayern geschadet“, sagte Söder. „Ich bedauere die Angelegenheit. Aber aus meiner Sicht ist die Sache abgeschlossen.“

Fragenkatalog öffentlich gemacht

Zuvor hatte Söder an seinen Stellvertreter einen Fragenkatalog von 25 Fragen geschickt, der Antworten auf offene Fragen geben sollte. Aiwanger hatte diese Fragen zum Wochenende beantwortet und an die Staatskanzlei geschickt. Mit Einverständnis von Hubert Aiwanger wurde der Fragenkatalog heute im Anschluss an die Pressekonferenz öffentlich gemacht.

In den Antworten auf die Fragen macht Aiwanger noch einmal deutlich, dass er das Flugblatt damals nicht verfasst habe. Den Inhalt erachte er damals wie heute als „ekelhaft und menschenverachtend“. Es spiegele weder damals noch heute seine persönliche Haltung wider, betont Aiwanger weiter.

Die Vorgänge lägen inzwischen rund 36 Jahre zurück. „Damals war ich 16 Jahre“, schreibt Aiwanger weiter. Viele Details seien ihm daher heute nicht mehr erinnerlich.

„Massiver Verstoß gegen das bayerische Dienstrecht“

Entsetzt zeigt sich der stellvertretende Ministerpräsident darüber, dass mit einem Dokument aus seiner Schulzeit und der „Weitergabe von Informationen aus dem geschützten Raum Schule durch einen Lehrer versucht wird, mich politisch und persönlich fertig zu machen“.

Die Veröffentlichung sei ein „massiver Verstoß gegen das bayerische Dienstrecht“, betont Aiwanger. Gegen die „Verdachtsberichterstattung mit überwiegend anonymen Aussagen und dem Weglassen entlastender Inhalte“ behalte sich Aiwanger rechtliche Schritte vor.

Gegenüber der „Welt“ hatte der Medienrechtsanwalt Carsten Brennecke schon am letzten Mittwoch den Umgang der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) mit Hubert Aiwanger kritisiert. So habe die Zeitung verschwiegen, dass Aiwanger schon vor Veröffentlichung des Beitrags dementiert hatte, Verfasser des Flugblattes zu sein. Besonders in der Causa Aiwanger könnten andere Motive hinter der Berichterstattung stecken, vermutet der Rechtsanwalt.

Spiegel lehnte Veröffentlichung der Dokumente ab

Tatsächlich war die Beweislage der Verdachtsberichterstattung dünn. Nicht nur der SZ wurde das antisemitische Flugblatt mit dem Verweis auf die Urheberschaft von Hubert Aiwanger zugespielt. So berichtet „Apollo News“, dass auch dem „Spiegel“ das Pamphlet vorlag. Da die Beweislage aber als nicht ausreichend erachtet wurde, verzichtete das Magazin auf die Veröffentlichung einer Berichterstattung.

In einem am Samstag im „Focus“ erschienenen Beitrag berichtet ein Kolumnist darüber, dass ein pensionierter Gymnasiallehrer mit offensichtlicher SPD-Nähe dieses Flugblatt angeboten habe. Wie der Kolumnist weiter schreibt, kenne er zufällig den Redakteur, der beim „Spiegel“ mit der Recherche betraut worden sei. Dieser Journalist sei einer, dem man „nicht aufs Pferd helfen muss, wenn es gegen rechts geht“. Der „Spiegel“-Mann hätte damals aber von der Veröffentlichung des Beitrags abgeraten, da die Vorwürfe nicht die Mindeststandards für eine Verdachtsberichterstattung erfüllten.

In seinem Pressestatement heute machte Markus Söder noch einmal deutlich, dass der Vorfall über 35 Jahre zurückliegt. Seither gibt es „nichts Vergleichbares“ vonseiten Aiwangers. „Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen können.“, so der Ministerpräsident. Die Entscheidung „wird nicht allen gefallen“, ist sich Söder bewusst.



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