Berliner Generalstaatsanwaltschaft prüft die Aufhebung der Immunität von Christian Lindner

Laut einem Bericht prüft die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Aufhebung von Christian Lindners Immunität als Abgeordneter.
Titelbild
Christian Lindner.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 9. Januar 2023

Die Korruptionsabteilung der Berliner Generalstaatsanwaltschaft prüft angeblich die Aufhebung der Abgeordneten-Immunität von Bundesfinanzminister Christian Lindner, um gegen ihn ermitteln zu können. Darüber berichtete gestern der „Tagesspiegel“.

Grund ist ein Privatkredit bei einer Privatbank, für die er zum Firmenjubiläum später als Minister eine Videobotschaft verfasste. Der Minister hat bei der Erstellung eines Grußworts für eine Privatbank aus Karlsruhe im Mai 2022 offenbar verschwiegen, dass er bei dem Institut zuvor einen Privatkredit für einen Hauskauf aufgenommen hatte. Nach dem Grußwort gab es bei derselben Bank einen weiteren Kredit.

Dass diese Information ohne einen konkret geäußerten Anfangsverdacht an Medien durchgestochen wurde, wird nun in den sozialen Medien heftig kritisiert. Ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen spricht sogar von „politisch motivierter falscher Verdächtigung“.

Christian Lindner hatte schon länger Kontakt zur Bank

Über den Vorgang hatte zuerst im Oktober das Wochenmagazin „Spiegel“ berichtet. So hatte Lindner im Januar 2021 eine Immobilie in Berlin-Nikolassee für insgesamt 1,65 Millionen Euro erworben. Bei der BBBank in Karlsruhe ließ er dann eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro eintragen. Diese soll, wie es allgemein üblich ist, zur Absicherung des Kredites dienen. Dass die Grundschuld höher als der Kaufpreis ist, hängt offenbar mit den damals zu erwartenden hohen Sanierungskosten zusammen.

Die badische Genossenschaftsbank und Christian Lindner kennen sich schon länger. Schon als Abgeordneter, so schreibt der „Tagesspiegel“, sei Lindner als Redner auf Abendveranstaltungen aufgetreten und habe dafür mehrere zehntausend Euro erhalten. Als die Bank ihn nun für ein Grußwort zum 100-jährigen Firmenjubiläum im Mai 2022 ansprach, sagte der Finanzminister zu und ließ eine Videobotschaft produzieren.

Anfang Juli lieh sich Lindner bei der BBBank einen weiteren Kredit und ließ eine weitere Grundschuld über 450.000 Euro eintragen. Ob Christian Lindner allerdings schon bei der Zusage seines Grußwortes die Beantragung eines weiteren Kredits im Auge hatte, ist unklar. Wenn die zweite private Kreditvergabe mit Lindners dienstlichem Grußwort in Verbindung steht, könnte es sich um Vorteilsnahme im Amt handeln. Dann wäre Lindners Handeln strafbar.

Vorprüfung ist ein übliches Verfahren

Ohne die Aufhebung der Immunität durch den Deutschen Bundestag, dem Lindner als Abgeordneter angehört, können keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stattfinden. Im Moment besteht noch nicht einmal ein Anfangsverdacht gegen Christian Lindner. Darauf weist ein Sprecher der Berliner Staatsanwalt dann auch gegenüber dem „Tagesspiegel“ hin: „Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist – wie in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird – aufgrund der Berichterstattung des „Spiegel“ in eine bei Abgeordneten in Hinblick auf deren Immunität übliche Vorprüfung eingetreten, die noch andauert“.

Lindner hat am vergangenen Sonntag über seinen Anwalt Christian Schertz die Vorwürfe zurückweisen lassen. „Seine private Immobilienfinanzierung hat Herr Lindner lange vor der Übernahme seines Ministeramtes begonnen. Alle Konditionen waren stets marktüblich. Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehört zur regulären Amtsführung eines Ministers“, so der Anwalt, der in der Vergangenheit schon Prominente wie beispielsweise Karl-Theodor zu Guttenberg, Cristiano Ronaldo, Jogi Löw oder auch Jan Böhmermann vertreten hat. Zwischen dem Grußwort und der Immobilienfinanzierung bestehe kein Zusammenhang. Christian Lindner sehe daher die „Berichterstattung mit Gelassenheit“.

Vorermittlungen ein wahltaktisches Manöver?

Das Thema sorgt in den sozialen Netzwerken für eine große Aufmerksamkeit. Der bayerische FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen fragt auf Twitter: „Ist es im rot-rot-grünen Berlin eigentlich üblich, dass die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft an Medien durchsticht, wenn sie in eine Vorprüfung über eine etwaige Beantragung der Aufhebung der Immunität eines MdB eintritt (wozu es nicht mal eines Anfangsverdachts bedarf)?“

Dass die an die Medien gegangene Information über die Vorprüfung etwas mit dem stattfindenden Wahlkampf in Berlin zu tun haben könnte, vermutet auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck. Ebenfalls auf Twitter schreibt Beck: „Als ehemaliges Mitglied des Immunitätsausschusses erinnert mich das stark an die causa #Pofalla.“ Weiter fragt Beck, ob es irgendeinen Hinweis darauf gibt, dass die Kreditkonditionen ungewöhnlich waren. „Wo ist denn da der Anfangsverdacht?“

Entscheidung der Staatsanwaltschaft soll „zeitnahe“ erfolgen

In der Diskussion auf Twitter wird Volker Beck dann noch deutlicher: „In der Presseunterrichtung werden keine Hinweise auf einen Anfangsverdacht dargelegt. Fehlen diese tatsächlich, könnte hier von einem Anfangsverdacht politisch motivierter falscher Verdächtigung gesprochen werden.“

Es gibt aber auch andere Stimmen. Das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Gunnar Lindemann (AfD), fragt auf Twitter: „Lindner in Korruptionsskandal verwickelt? Staatsanwaltschaft prüft Aufhebung seiner Immunität wegen Vorteilsnahme. Wie tief steckt die FDP im Korruptionssumpf mit drin?“

Der stellvertretende Linken-Parteivorsitzende, Lorenz Gösta Beutin, hinterfragt: „Nun verdichtet sich, wofür es bereits im Oktober Indizien gab“. Lindner habe möglicherweise nicht klar zwischen seinem Job als Minister und Privatinteressen getrennt. „Sollte sich das erhärten und es zum Strafverfahren kommen, wäre der #LindnerRücktritt fällig.“, so Beutin weiter. Schon im „Spiegel“-Artikel aus dem Oktober hatte der Linken-Politiker gefordert, dass Christian Lindner „im Sinne der Transparenz“ die Konditionen seines Kredits offenlegen solle.

Ob die Staatsanwaltschaft am Ende tatsächlich die Aufhebung der Immunität von Christian Lindner beantragen wird und danach ein formelles Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird, ist im Moment noch völlig offen. Laut Bericht des „Tagesspiegel“, wird die Staatsanwaltschaft aber eine „zeitnahe“ Entscheidung fällen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki fordert Rücktritt von Senatorin

Bundestagsvizepräsident, Wolfgang Kubicki (FDP), sprach in einer Pressemitteilung vom Montag (9. Januar) im Hinblick auf die Vorwürfe gegen Christian Lindner von „politischer Charakterlosigkeit und eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung sondergleichen.“ Diese müsse personelle Konsequenzen nach sich ziehen. Kubicki forderte: „Die Berliner Justizsenatorin sollte zurücktreten, mindestens aber die Generalstaatsanwältin entlassen.“

Weiter wies der FDP-Politiker darauf hin, dass es zur Aufnahme von Ermittlungen keine gesonderte Aufhebung der Immunität bedarf. Es reiche lediglich eine Mitteilung an die Präsidentin des Deutschen Bundestages. Eine Aufhebung der Immunität sei nur dann erforderlich, wenn Durchsuchungsmaßnahmen, Verhaftungen oder Anklageerhebungen im Raum stünden. „Dieser bemerkenswerte Vorgang zeigt erneut, dass der Senat von Berlin dabei ist, die Bundeshauptstadt sowohl tatsächlich als auch moralisch vollständig zu ruinieren.“



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