Bei konstanter Zahl „Rechter“: Woher kommt der AfD-Aufschwung?
Die Zahl der Menschen mit „rechten“ oder „rechtsextremen“ Einstellungen ist in Deutschland seit 2016 konstant geblieben. Das geht aus einem „DeutschlandTrend extra“ hervor, den der WDR beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap in Auftrag gegeben hatte.
In der repräsentativen „Umfrage zur aktuellen politischen Stimmung in Deutschland“ mit Stand September 2023 sollte vor allem der Frage nachgegangen werden, wie sich der seit Monaten anhaltende Umfrageaufschwung der Alternative für Deutschland (AfD) erklären lässt. Den Hauptgrund dafür sieht Jörg Schönenborn, WDR-Programmdirektor für Information, Fiktion und Unterhaltung, aktuell darin, „dass sich die deutsche Gesellschaft im Zustand großer Sorge befindet“.
Nur jeder Siebte zuversichtlich
Befragt nach ihrer Grundstimmung über die aktuellen Verhältnisse in der BRD hatten zwischen dem 18. und 23. September 81 Prozent der 1.326 Befragten angegeben, mit Beunruhigung in die Zukunft zu blicken. Nur 14 Prozent wählten die Option „Zuversicht“. „Vergleichbare Werte wurden bisher nur zwischen 2003 und 2005 in einer Phase hoher Arbeitslosigkeit gemessen“, erinnert sich Schönenborn.
Unter den AfD-Anhängern sind laut Infratest sogar 96 Prozent beunruhigt. Am zuversichtlichsten gaben sich die SPD-Anhänger: „Nur“ 62 Prozent sind eher beunruhigt, 34 Prozent eher zuversichtlich. Dafür sind jeweils rund vier von fünf Anhängern von Union oder FDP beunruhigt.
Wenig Veränderung bei der „Sonntagsfrage“
In der jüngsten Untersuchung zur „Sonntagsfrage“ von Infratest dimap hatten in den vergangenen Tagen konstant 22 Prozent der Befragten angegeben, die AfD zu wählen. Nur der Union aus CDU und CSU würden mit 28 Prozent noch mehr Menschen ihr Vertrauen schenken. Auch diese Zahl blieb stabil im Vergleich zum Vormonat.
Die Kanzlerpartei SPD erreicht mit noch immer stabilen 16 Prozent Platz drei. Die Grünen (14 Prozent) und die FDP (6 Prozent) büßten ebenso wie die Sonstigen (7 Prozent) jeweils einen Prozentpunkt ein.
Konstant 22 Prozent aller Befragten „rechts“ oder „rechtsextrem“
Um „rechte Überzeugungen“ zu messen, nutzt infratest seit Jahren dieselben Standardfragen. Diese seien „wissenschaftlich anerkannt“, betont Schönenborn.
Als „rechtsextrem“ gelten demnach beispielsweise die Aussagen: „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran“ oder „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“.
Diese letzte Frage verzeichnete bei der Umfrage als einzige einen Zustimmungszuwachs von sechs Prozentpunkten innerhalb der vergangenen sieben Jahre. Jeder vierte Wähler würde das unterschreiben, in den östlichen Bundesländern sogar mehr als jeder Dritte (35 Prozent). Bei allen anderen „rechtsextremen“ Aussagen gingen die Zustimmungswerte zurück oder blieben stabil. Weitere Grafiken zur aktuellen politischen Stimmung in Deutschland finden Sie hier als PDF.
Trotz der schwierigen Lage habe sich das Lager mit „rechtsextreme[n] und ausgeprägt rechte[n] Überzeugungen“ gemessen am Vergleichsjahr 2016 „nicht verstärkt“, sondern verharre „exakt auf dem Niveau“.
Während der Anteil der „Rechtsextremen“ der statistischen Auswertung zufolge nun bei acht Prozent der Bevölkerung liege (2016: neun Prozent), habe man den „ausgeprägt rechten“ Anteil derzeit bei 14 Prozent gemessen (2016: 13 Prozent). „Fragen und Auswertung sind gegenüber 2016 identisch“ resümiert Schönenborn.
55 Prozent aller Befragten hätten übrigens alle sechs rechtsextremen Aussagen abgelehnt: Drei Prozent mehr als noch 2016.
AfD mit hoher „Bindekraft“
Die seit Jahren gleichbleibende Summe von 22 Prozent in der Gesamtbevölkerung werde heute „von der AfD […] deutlich stärker gebunden als bisher“, meint Schönenborn: „Sie versammelt in ihrer Wählerschaft mittlerweile einen großen Teil der Menschen mit rechtem Weltbild.“ Die „Bindekraft der AfD“ habe sich seit 2016 mehr als verdoppelt. Damals hatte Infratest dimap nach Angaben von „Wahlrecht.de“ noch zwischen 14 und 16 Prozent für die AfD gemessen.
Betrachte man allein die AfD-Anhänger, so befänden sich unter ihnen 27 Prozent „Rechtsextreme“ und 25 Prozent „ausgeprägt“ Rechte. 2016 hätten die Werte noch bei 20 beziehungsweise 24 Prozent gelegen. Umgekehrt sei „knapp die Hälfte der AfD-Wählerschaft […] diesen Milieus nicht zuzuordnen“. Und 55 Prozent könnten sich vorstellen, künftig eine andere Partei zu wählen.
AfD-Wählerpotenzial fast ausgeschöpft?
Mit aktuell 22 Prozent in der Sonntagsfrage habe die AfD ihr „Wählerpotenzial sehr weitgehend ausschöpft“, meint Schönenborn. Es liege derzeit bei 24 Prozent.
Irgendwann die CDU zu wählen, könnten sich dagegen 52 Prozent aller Deutschen vorstellen.
Nur 18 Prozent der gesamten AfD-Wählerschaft sei selbst der Meinung, dass die „Alternative“ eine rechtsextreme Partei sei. Unter allen Befragten meinten dies 72 Prozent. Vier von fünf AfD-Wählern ist das Image der Partei aber egal: Hauptsache sei, dass sie die richtigen Themen anspreche.
Mehrheit sieht Meinungsfreiheit kaum noch vorhanden
Die brennenden Themen als Privatperson selbst anzusprechen, darin sieht offenbar auch eine breite Mehrheit aller Befragten ein Problem: 67 Prozent stimmten der Aussage zu, dass man inzwischen „ausgegrenzt“ werde, wenn man seine Meinung sage. Unter den AfD-Wählern sind fast alle (96 Prozent) dieser Ansicht.
Dass in Deutschland ständig irgendjemand versuche, den Leuten vorzuschreiben, wie sie zu leben und zu denken hätten, sehen ebenfalls fast alle AfD-Anhänger (95 Prozent) so. In der gesamten Bevölkerung haben nur 40 Prozent diesen Eindruck. Beinahe genauso viele (37 Prozent) unter den Befragten stimmen der Aussage zu, in Deutschland „nicht in einer richtigen Demokratie“ zu leben. Unter den AfD-Anhängern glauben das etwas mehr als doppelt so viele (80 Prozent).
Selbsteinschätzung: Alle irgendwo „Mitte“
Interessanterweise stufen sich die meisten Menschen, wenn man sie fragt, politisch selbst irgendwo in der Mitte ein.
Die AfD-Anhänger beispielsweise sehen sich auf einer Skala von 0 bis 10 im Schnitt bei 6,1 Punkten und damit keineswegs im rechtsextremen Bereich. Ähnlich Mitte-nah verorten sich Grünen- und SPD-Wähler: Der selbst eingeschätzte linke Abstand zur Mitte liegt im Schnitt bei 1,2 Skalenpunkten.
Migration als beherrschendes Thema
„Das entscheidende Motiv der AfD-Wählerinnen und Wähler ist Sorge und Unzufriedenheit mit zentralen gesellschaftlichen Entwicklungen, vor allem der gestiegenen Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern“, stellt Schönenborn anhand der Statistiken fest.
Während mit 95 Prozent fast alle AfD-Wähler glauben, dass Deutschland noch mehr Zuwanderung „eher“ nicht oder „auf keinen Fall“ bewältigen könne, denken das zwei Drittel aller Wähler (67 Prozent).
Genau 67 Prozent der Grünen-Anhänger meinen allerdings, dass Deutschland dazu durchaus oder sogar „auf jeden Fall“ in der Lage sei. Ein Problem sehen offenbar nur 31 Prozent aller Grünen-Wähler in der andauernden Massenzuwanderung.
Über alle Parteilager hinweg existiert allerdings eine klare Mehrheit dafür, dass es die Aufgabe des Staates ist, Zuwanderung zu steuern. Selbst die Grünen- und die SPD-Wähler sehen das zu 82 Prozent beziehungsweise 83 Prozent so. Allerdings sind bei den Grünen auch 17 Prozent der Meinung, dass der Staat sich „eher nicht“ oder sogar „auf keinen Fall“ darum kümmern sollte, wer wann zuwandert. Bei den SPD-Sympathisanten denken das 13 Prozent.
Selbst unter den AfD-Wählern vertreten 5 Prozent diese Sichtweise, etwas mehr als bei der Union (4 Prozent) oder der FDP (2 Prozent).
Unmut in Sachen Migration wächst
Eine überwältigende Mehrheit der Befragten des ebenfalls brandaktuellen ARD-„DeutschlandTrends“ für Oktober 2023 ist mittlerweile der Meinung, dass die Flüchtlingspolitik derzeit „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ gelingt.
Besonders beim Thema „Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern“ stellen vier von fünf Menschen ein schlechtes Zeugnis aus. 64 Prozent meinen inzwischen, dass Zuwanderung Deutschland eher Nach- als Vorteile bringt. Ebenso viele sind der Ansicht, dass Deutschland weniger Migranten aufnehmen sollte – im Mai 2023 hätten das nur 52 Prozent unterschrieben.
71 Prozent für Obergrenze, 82 Prozent für Grenzkontrollen
Für eine Verstärkung von Grenzkontrollen sind nach Angaben des ARD-„DeutschlandTrends“ heute 82 Prozent, für Rücknahmeabkommen mit afrikanischen Staaten 77 Prozent, für eine Aufnahmeobergrenze 71 Prozent. Vor gut sieben Jahren sprachen sich nur 63 Prozent für eine Begrenzung aus.
Die Gruppe jener Bürger, die noch an eine „europäische Lösung“ für die Massenzuwanderung glauben, liegt nur noch bei knapp zwei Drittel (64 Prozent). Dass diese „zeitnah realisierbar“ sei, meinen allerdings nur 23 Prozent. Für eine nationale Lösung sprechen sich inzwischen 31 Prozent aus – neun Prozentpunkte mehr als noch im Juni 2018.
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