Ausschuss formal beschlossen – AfD will für mehr Untersuchungspunkte klagen

Der hessische Landtag hat auf Drängen der AfD beschlossen, einen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik einzusetzen. Der „abgespeckte“ Auftrag geht der AfD-Fraktion allerdings nicht weit genug. Sie will beim Staatsgerichtshof für mehr Diskussionspunkte klagen.
Das Pressefoto zeigt den leeren Plenarsaal im hessischen Landtag zu Wiesbaden. Foto: Hessischer Landtag, Kanzlei
Das Symbolbild zeigt den leeren Plenarsaal im hessischen Landtag zu Wiesbaden.Foto: hessischer Landtag, Kanzlei
Von 21. Juni 2024

Am Nachmittag des 20. Juni 2024 haben die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP im hessischen Landtag, wie jüngst angekündigt, dafür gestimmt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik einzusetzen.

Ihr eigener Antrag zur Einsetzung enthielt allerdings nur noch sieben jener 43 Diskussionspunkte, die die AfD-Fraktion untersucht haben wollte. Den Rest hatten die CDU-, SPD-, Grünen- und FDP-Vertreter wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gestrichen. Damit waren sie der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses gefolgt.

Nach Informationen der „Hessenschau“ soll sich der U-Ausschuss nur mit den folgenden Fragen befassen:

  • War Hessen ausreichend und auf dem Stand der Wissenschaft auf die Pandemie vorbereitet?
  • Wurde bei den allgemeinen Vorkehrungen gegen Pandemien und auch während der Corona-Krise eine bestehende Risikoanalyse aus dem Jahr 2013 berücksichtigt?
  • Hätte die Pandemie zu Beginn wirksamer eingedämmt werden können – auch um Zeit zur Vorbereitung zu gewinnen? Zur Debatte werden unter anderem Einreiseverbote am Frankfurter Flughafen gestellt.
  • Hätten Einschränkungen wie die Lockdowns durch frühzeitiges Handeln ganz oder teilweise verhindert werden können?
  • Um welche Amtshilfe ersuchten hessische Behörden bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen – vor allem im Umgang mit Protesten wie den „Montagsspaziergängen“?
  • Wie viel Geld gab das Land aus, um für die Akzeptanz der Maßnahmen und vor allem der Impfungen zu werben?
  • Wurden die Erfahrungen aus der Corona-Krise in den bestehenden Pandemieplan des Landes aufgenommen?

Die AfD-Fraktion will das nicht akzeptieren. Der nun verabschiedete Antrag bedeute letztlich nur den „Schatten eines Corona-Untersuchungsausschusses“, erklärte Volker Richter, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, in einer Pressemitteilung.

Verfassungsklage angekündigt

Die AfD-Fraktion werde deshalb ihre Ankündigung wahr machen und vor den hessischen Staatsgerichtshof ziehen, „um zu erwirken, dass möglichst viele unserer ursprünglich 43 Untersuchungspunkte behandelt werden können“. Denn viele „zentrale Fragen“ seien unter den Tisch gefallen, darunter etwa das Thema Schulschließungen. Jene „wenigen Fragen, die für den Corona-Untersuchungsausschuss übrig geblieben“ seien, würden „das Bedürfnis der hessischen Bürger nach Aufklärung der Corona-Politik“ nicht befriedigen können. Richter weiter:

Gäbe es den Minderheitenschutz nicht, hätten die anderen Fraktionen wohl nicht einmal dieser zusammengestrichenen Version zugestimmt. Ein echtes Aufklärungsinteresse lässt sich bei den anderen nicht erkennen.“

Nach Informationen der „Hessenschau“ will die AfD auch die Zusammensetzung des Corona-Ausschusses anfechten. Der solle nun zwar aus 16 statt nur aus 15 Mitgliedern bestehen, doch die AfD hätte auf Empfehlung der Rechtsgutachter nur noch zwei statt drei Sitze im Gremium. Das würde bedeuten, dass die AfD Beweisanträge schlechter durchsetzen könnte – sie müsste sich dafür im Parlament stets eine zusätzliche Stimme eines anderen Abgeordneten einholen.

AfD-Fraktion enthielt sich

Bei der Abstimmung am Donnerstagnachmittag hatte sich die AfD-Fraktion enthalten. Zuvor hatte der AfD-Fraktionsvorsitzende Robert Lambrou bereits geahnt, dass der Nachmittag so ablaufen würde und die anderen Fraktionen lediglich eine „stark abgespeckte Variante unseres Antrages“ absegnen würden. Lambrou sprach im Vorfeld mehrfach von einem Versuch, „dem Untersuchungsausschuss die Zähne zu ziehen“.

Lambrou hatte nach Informationen der Epoch Times noch vor einer guten Woche ein Schreiben an die übrigen Landtagsfraktionen übermittelt, in dem er zum wiederholten Mal an die Kompromissbereitschaft der Parlamentarier appelliert hatte. Als Basis dafür hatte er ein Gutachten der Düsseldorfer Rechtsprofessorin Dr. Sophie Schönberger empfohlen. Doch darauf ließen sich die Adressaten weder im Hauptausschuss noch im Parlamentssaal ein.

U-Ausschuss soll Arbeit „demnächst“ aufnehmen

Nach Angaben von n-tv setzte der Landtag den Ausschuss per „Maßgabebeschluss“ ein. Wann genau er sich konstituieren und seine Arbeit aufnehmen wird, ist unklar. Der Rechtssachverständige Dr. Paul Glauben habe der dpa erklärt, dass es schon „demnächst“ so weit sein werde. Dass die AfD klagen wolle, habe keine aufschiebende Wirkung. Der U-Ausschuss könne schon mit der Aufarbeitung der nun beantragten sieben Punkte beginnen.

Glauben, ein ehemaliger rheinland-pfälzischer Ministerialdirigent, hatte eines jener drei Gutachten geschrieben, die die Verfassungsmäßigkeit des ursprünglichen Entschließungsantrags der AfD-Fraktion von Ende April (PDF) in Zweifel gezogen hatten. Auch nach Auffassung der vier übrigen Fraktionen hatte die AfD ihren Antrag zu umfangreich formuliert und Untersuchungsgegenstände eingefordert, die nicht in die Zuständigkeit des hessischen Landtags fallen würden – unter anderem die Befragung von Teilnehmern der Ministerpräsidentenkonferenz oder von Bundesbehörden wie dem Robert Koch-Institut.

Die AfD hatte daraufhin vor dem Hauptausschuss des Landtags ein Gegengutachten des Staatsrechtlers Prof. Karl Albrecht Schachtschneider präsentiert, das ihren eigenen, ursprünglichen Entschließungsantrag zu beinahe 100 Prozent gestützt hatte.

FDP: Bitte keine Rache

Während der Debatte hatte Oliver Stirböck, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, nach Angaben von n-tv mit Blick auf die Corona-Zeit eingeräumt, dass „der Staat bei mancher Maßnahme die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt“ habe. Dennoch dürfe es im U-Ausschuss nun „nicht um Rache“ gehen. Man müsse stattdessen aus den Erfahrungen lernen und den „bereits lancierten Verschwörungsmythen der AfD“ entgegentreten, zitiert die „Hessenschau“ den Liberalen.

Lisa Gnadl, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, hatte nach Angaben von n-tv betont, dass ihrer Fraktion und auch den Fraktionen von CDU, Grünen und FDP nicht daran gelegen sei, „politische Geländegewinne“ zu erzielen. Man wolle vielmehr „der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Ordnung Geltung“ verschaffen. Dass die AfD „gegen Recht und Gesetz“ auf der Zustimmung zu ihrer eigenen Version des Einsetzungsantrags beharre, dokumentiere „ein zweifelhaftes Verfassungsverständnis und mangelnden Respekt vor dem Rechtsstaat und seinen Regeln“, so Gnadl.

Das Pressefoto zeigt Schloss Chermann in Wiesbaden, den Sitz des hessischen Landtags. Foto: Hessischer Landtag, Kanzlei - Fotograf Hermann Heibel

Das Pressefoto zeigt Schloss Chermann in Wiesbaden, den Sitz des hessischen Landtags. Foto: Hessischer Landtag, Kanzlei – Fotograf Hermann Heibel

Ingo Schon, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, habe von „juristischem Neuland“ und einem „bundesweit einmaligen Verfahren“ gesprochen, das nun den Weg für einen U-Ausschuss freigemacht habe. Aber durch die hessische Verfassung sei das Parlament dazu gezwungen. „Es ist am Ende kein Basar“, habe Schon der „Hessenschau“ zufolge in Richtung AfD argumentiert.

Miriam Dahlke, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, sei auf die Tatsache zu sprechen gekommen, dass die AfD die nötigen 27 Stimmen für einen Entschließungsantrag nur erreicht hatte, weil der fraktionslose Abgeordnete Sascha Herr mitunterschrieben hatte. Dahlke habe den Umstand für Kritik genutzt: Die AfD schrecke nicht davor zurück, „mit der Neonaziszene zusammenzuarbeiten“.

Herr war im Oktober 2023 wegen mutmaßlicher Kontakte zu einer verbotenen rechtsterroristischen Gruppierung nicht in die AfD-Fraktion aufgenommen worden und hatte daraufhin sein Parteibuch abgegeben. Er bestreitet, etwas mit der Neonaziszene zu tun zu haben.

AfD-Fraktion hatte U-Ausschuss Ende April 2024 beantragt

Die AfD-Fraktion hatte den hessischen Landtag Ende April 2024 aufgefordert, einen „Untersuchungsausschuss zur Untersuchung, Aufklärung und Beurteilung der Landespolitik in Bezug auf das Coronavirus ‚SARS-CoV-2‘ und die durch dieses Virus verursachte Erkrankung ‚COVID-19‘ (‚Corona-UA‘)“ einzusetzen.

„Es geht um die Aufklärung und Beurteilung aller Maßnahmen, gesetzlichen Regelungswerke und öffentlichen Stellungnahmen, welche zur Bekämpfung des Corona-Virus ergangen sind“, beschrieb AfD-Gesundheitspolitiker Volker Richter am 24. April den Sinn und Zweck des U-Ausschusses während einer Pressekonferenz (Video auf YouTube).

Brandenburger Corona-U-Ausschuss zog bereits eine Zwischenbilanz

Augenblicklich ist Brandenburg das einzige Bundesland, in dem ein Corona-Untersuchungsausschuss aktiv ist – und das schon seit vielen Monaten. Er war ebenfalls auf Betreiben der dortigen AfD-Fraktion eingerichtet worden.

Das Land Brandenburg sah anders als die hessischen Abgeordneten offenbar kein Problem damit, bundesweit prominente Köpfe der Corona-Politik in den Zeugenstand zu laden: So sagten beispielsweise bereits Prof. Lothar Wieler, der ehemalige Leiter des Robert Koch-Instituts sowie Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts in Potsdam aus. Am 12. Juni 2024 veröffentlichte der Ausschuss ein vorläufiges Zwischenfazit seiner Arbeit.



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