Zweiter Tag in Davos: Selenskyj fordert 200.000 Soldaten für Friedenstruppe in der Ukraine
Auf dem offiziellen Programm des WEF 2025, in diesem Jahr unter dem Motto „Zusammenarbeit im intelligenten Zeitalter“, stehen Cyberkriminalität, Künstliche Intelligenz und technologische Veränderungen. Aber auch am zweiten Tag des diesjährigen Elitetreffens in der Schweiz waren viele Augen auf Washington gerichtet, wo der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump erneut das Zepter in die Hand nahm und direkt nach seiner Inauguration erste politische Entscheidungen in die Wege leitete. Zum WEF Davos wird Trump nicht anreisen; er möchte sich am Donnerstag digital zuschalten lassen. Die Rede des 78-Jährigen wird mit Spannung erwartet. Ohne beim WEF persönlich anwesend zu sein, prägt der neue US-Präsident Themen, Stimmung und Erwartungen in Davos.
Ursula von der Leyens Rede: „Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel“
So hatte US-Präsident Trump sofort nach seiner Vereidigung den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen erklärt. Der Klimavertrag von Paris sieht grundsätzlich eine Frist von einem Jahr nach der formellen Austrittserklärung bis zum Inkrafttreten vor. Darauf ging EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede beim WEF ein. Sie betonte, dass sie „frühzeitig“ mit der neuen US-Regierung unter Trump in Kontakt treten wolle und man natürlich auch weiterhin enge Beziehungen zu den USA anstrebe. „Keine anderen Volkswirtschaften sind so eng miteinander verflochten wie die USA und Europa. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel.“ Von der Leyen kündigte an:
Wir werden pragmatisch sein, aber immer an unseren Prinzipien festhalten, um unsere Interessen und Werte zu wahren.“
WEF-Gründer Klaus Schwab hatte am Dienstagvormittag auf der Bühne von der Leyen das Wort übergeben. Die EU-Kommissionspräsidentin warnte in ihrer Rede vor einer Abwärtsspirale: „Das erste Viertel des Jahrhunderts ist vorbei und wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen.“ Gemeinsam müsse ein globaler Wettlauf nach unten verhindert werden, „daran hat niemand ein Interesse“.
Zu Beginn des Jahrhunderts sei die Demokratie auf dem Vormarsch und es habe das Versprechen einer auf Kooperation ausgerichteten Welt gegeben. 25 Jahre später sei eine Weltordnung, die auf „Zusammenarbeit“ setzt, „nicht Wirklichkeit geworden“, stattdessen sei eine „neue Ära des rauen geostrategischen Wettbewerbs“ um Rohstoffe, neue Technologien und Handelswege eingetreten, so die CDU-Politikerin.
Selenskyj auf der WEF-Bühne: „Wie will Präsident Trump Kriege beenden?“
Am gestrigen, zweiten Tag des Weltwirtschaftsforums bekam der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Redezeit, um für weitere Unterstützung der Ukraine im Kriegsgeschehen zu werben. Er warnte in seiner Rede, Europa müsse sich als starker und unverzichtbarer globaler Akteur etablieren.
In Bezug auf die Amtseinführung von Donald Trump sagte Selenskyj: „Jetzt wartet die ganze Welt gespannt darauf, was er als Nächstes tun wird. Seine ersten Erlasse haben bereits klare Prioritäten gesetzt. Viele Länder fragen sich nun: Was wird aus ihrer Beziehung zu Amerika? Was passiert mit Bündnissen, Unterstützung und Handel? Wie will Präsident Trump Kriege beenden?“
Europa verdiene es, stark zu sein. Und dafür brauche der Kontinent die EU und die NATO. „Ist dies ohne die Ukraine und ohne ein gerechtes Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine möglich? Ich bin mir sicher, dass die Antwort ‚Nein‘ lautet“, so Selenskyj.
Nur echte Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien auch echte Sicherheitsgarantien für alle in Europa. Mindestens 200.000 europäische Friedenstruppen würden laut Selenskyj benötigt, um einen neuen russischen Angriff nach einem Waffenstillstandsabkommen zu verhindern. Der Präsident machte deutlich:
Von allen Europäern? 200.000, das ist ein Minimum. Das ist ein Minimum, sonst ist es nichts.“
Diese Zahl entspricht in etwa der Größe der gesamten französischen Streitkräfte, die vom französischen Verteidigungsministerium für das Jahr 2020 auf etwas mehr als 200.000 geschätzt werden.
Olaf Scholz: Europa widerstandsfähiger durch gemeinsame Rüstungsprojekte
Zur Ukraine äußerte sich auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am gestrigen Dienstag in seiner Redezeit: „Putin wollte die Ukraine und die EU auseinandertreiben. Stattdessen ist die Ukraine heute EU-Beitrittskandidat.“ Die NATO sei geeinter denn je, so Scholz, und Putin wollte ein prorussisches Marionettenregime in Kiew installieren. Stattdessen sei die Ukraine als Nation gefestigter denn je. Und die ukrainische Armee sei „heute viel größer und stärker als vor dem Krieg, ausgerüstet mit westlichen Waffen“. Die Europäer müssten aus sich selbst hinaus stark sein und gemeinsam wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger werden – etwa bei gemeinsamen Rüstungsprojekten. Neben höheren Verteidigungsausgaben forderte der deutsche Bundeskanzler eine europäische Rüstungsindustrie, die Großprojekte gemeinsam entwickelt. Die Entwicklung von Waffen sollten Unternehmen ohne Einschränkungen gemeinsam vorantreiben können. Scholz erklärte auch:
Das größte nationale Interesse Deutschlands ist die Europäische Union.“
Der Kanzler betonte, die USA seien auch unter Präsident Trump der wichtigste Partner außerhalb Europas. Allerdings, nicht jede „Pressekonferenz in Washington, nicht jeder Tweet sollte uns gleich in aufgeregte, existenzielle Debatten stürzen“. Das gelte auch nach dem Regierungswechsel in Washington, so Scholz.
Friedrich Merz und BlackRock: Zusammen beim Davos-Dinner
Auch der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, ist beim WEF erschienen. Der erste Auftritt von Merz war beim Podiumsgespräch mit Børge Brende, dem neuen Präsidenten des World Economic Forum. Der CDU-Politiker bezeichnete die USA unter Donald Trump als „interessanten Partner“: „Ich denke, er wird bereit sein, auch mit den Europäern Geschäfte zu machen.“ Trump sei ein Dealmaker, „also lasst uns darüber nachdenken, was wir anbieten können“, so Friedrich Merz. Import von Flüssiggas wäre seine präferierte Handelsmöglichkeit und Rüstungsgüter, da laut Merz die Rüstungsindustrie in der EU nicht stark genug sei.
Von sich reden machte der CDU-Kanzlerkandidat, als er am Abend einen Dinnertermin von Larry Fink, dem Chef der Vermögensverwaltung BlackRock, wahrnahm. BlackRock ist nicht nur die weltweit größte Investmentgesellschaft, Friedrich Merz war auch im Aufsichtsrat von BlackRock Deutschland, bevor er 2020 in die Politik zurückkehrte. Merz’ frühere Tätigkeit bei BlackRock bleibt ein Thema in der öffentlichen Diskussion, insbesondere im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte und seinen Einfluss auf wirtschaftspolitische Positionen.
Für den Kanzlerkandidaten gebe es die Chance, beim BlackRock-Dinner vor internationalen Unternehmenslenkern für den Standort Deutschland zu werben, was angesichts der deutschen Krisenlage enorm wichtig sei, so der „Spiegel“. Auch ein Treffen zwischen Merz und Wolodymyr Selenskyj sei geplant.
Am Mittwoch, dem dritten Tag des WEF, steht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im offiziellen Programm des Treffens in Davos.
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