Zukunftsforscher: Erster Weltraumkrieg „steht bevor“ – Sorge vor russischen Atomwaffen im All

Für den Weltraum interessiert sich kaum jemand, obwohl jeder täglich mehrfach mit ihm in Berührung kommt: Satelliten ermöglichen Kommunikation und Navigation, sie liefern Bilder und exakte Zeitsignale. Vor Kurzem hat der Iran in Russland zwei Satelliten starten lassen. Längst wird Krieg auch vom Weltraum aus geführt. Ein Einblick.
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Der Weltraum ist bereits voller Satelliten.Foto: yucelyilmaz/iStock
Von 15. Oktober 2024

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Der Iran hat zwei eigenproduzierte Satelliten mithilfe russischer Weltraumtechnik in ihre vorgesehenen Umlaufbahnen bringen lassen, berichtete die staatliche iranische Nachrichtenagentur „TASNIM“ am 12. Oktober. Wie die Nachrichtenagentur „Reuters“ weiter ausführte, handelt es sich um einen „Kowsar“ genannten hochauflösenden Bildsatelliten und um „Hodhod“, einen kleinen Kommunikationssatelliten.

Die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran haben sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine intensiviert. Zunächst lieferte der Iran Drohnen für russische Truppen, vor Kurzem Raketen und nun auch erneut Satelliten, die sich für „Dual Use“ eignen, also für zivile und militärische Aufgaben gleichermaßen. Und sie können von beiden Staaten genutzt werden.

Überwachung oder Management?

Russland hatte bereits im Februar dieses Jahres und im Jahr 2022 iranische Satelliten in die Umlaufbahn geschickt. Die USA äußerten schon bei der erstmals bekannt gewordenen Weltraumkooperation zwischen Russland und dem Iran, dass die iranischen Satelliten sowohl Aufklärung über der Ukraine betreiben als auch den Nahen Osten überwachen können.

Der Iran hingegen wies gemäß „Reuters“ darauf hin, der Satellit Kowsar soll zur Kontrolle von Ernten in der Landwirtschaft und im Katastrophenmanagement eingesetzt werden. Hodhod ermögliche satellitengestützte Kommunikation in abgelegenen Gebieten mit wenig Zugang zu terrestrischen Netzwerken.

Deutsche Einschätzung zum All

Dr. Antje Nötzold, Politikwissenschaftlerin an der Technischen Universität Chemnitz, ist eine führende deutsche Expertin für Sicherheitspolitik im Weltraum. Sie zeigte sich im ARD-„Morgenmagazin“ davon überzeugt, dass es auch im Weltraum zu militärischen Auseinandersetzungen kommen könnte: „Wir haben längst Konflikte im Weltraum.“

Die Weltraumfähigkeiten einer jeden Nation seien „essenziell für moderne Kriegsführung“, sagte Nötzold, die in diesem Jahr als Hauptherausgeberin eine 999-Seiten dicke Veröffentlichung zum „Strategischen Wettbewerb im Weltraum“ vorgelegt hat.

Seit geraumer Zeit würde im All ein enormer Rüstungswettlauf ausgetragen werden. Die Weltmächte USA, Russland und die VR China würden dort sogenannte Counter-Space-Fähigkeiten platzieren. „Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, andere Satelliten in ihren Funktionsweisen zu stören oder gegebenenfalls zu zerstören“, erklärt Antje Nötzold.

Inzwischen gebe es insgesamt 9.400 Satelliten. Diese Zahl habe sich seit 2016 versechsfacht. Das zeigt die rasante Entwicklung im zivilen und militärischen Bereich im All. Gerade durch die Vielzahl kleiner Satelliten „kommen mehrere zehntausende von Satelliten bis 2030 dazu“, prognostiziert die deutsche Wissenschaftlerin. „Momentan werden pro Woche zwischen zwanzig bis fünfzig Satelliten gelaunched.“

Einen konkreten Schutz, mit dem sich Satelliten gegen Angriffe wehren können, gebe es noch nicht. „Wir werden aber vermutlich zukünftig Krieg im Weltraum sehen“, ist Nötzold überzeugt.

Bundeswehr „spät dran“

Die Bundeswehr betreibt vor allem „Space-Situation-Awareness“. Das heißt, sie stellt fest, wie im Weltraum gehandelt werden muss, um Kollisionen von Satelliten zu vermeiden. Und sie erstellt einen Überblick – ein sogenanntes Lagebild –, welche Satelliten von welchen Nationen im Weltraum mit welcher Technik und Fähigkeit unterwegs sind.

Antje Nötzold kritisiert, dass die Bundeswehr im Weltraum „spät dran ist“. Erst 2021 ist das „Weltraumkommando der Bundeswehr“ als Teil der Luftwaffe im nordrhein-westfälischen Uedem aufgestellt worden. „Was uns fehlt, sind die Strategien. Wir warten auf die Weltraumsicherheitsstrategie“, klagt Nötzold.

Diese war in der „Nationalen Sicherheitsstrategie 2023“ auf Seite 62 angekündigt worden. Sie soll die Handlungsleitlinien der Bundeswehr im Weltraum festlegen, zum Beispiel wie deutsche Systeme im All geschützt werden können. Darauf wartet die Bundeswehr jedoch noch immer.

Aufgrund der hohen Kosten gibt es Kooperationen mit europäischen Verbündeten und mit NATO-Partnern, hauptsächlich mit den USA, weiß Nötzold. Seit geraumer Zeit würden militärische Planungen und Übungen laufen. Kriegsführung im Weltraum werde „durchgespielt“ und geübt.

Russische Antisatellitenwaffe

Mitte Februar dieses Jahres bestätigte der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, einen Hinweis des republikanischen Kongressabgeordneten Mike Turner aus Ohio, dass die amerikanische Regierung über die Entwicklung einer neuen russischen Antisatellitenwaffe besorgt sei. Zahlreiche amerikanische Medien, darunter die „New York Times“, berichteten darüber.

Der Zukunftsforscher und Gründer des Hudson Institute in Washington, D.C., Arthur Herman, gibt sich überzeugt: „Der erste Weltraumkrieg steht bevor.“ Die VR China und Russland arbeiteten hart daran, die USA zu verdrängen, da die Wahrscheinlichkeit eines Krieges im Weltraum steige, analysierte Herman aufgrund von Regierungsinformationen, die das Hudson Institute erlangte.

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, verfüge Russland bereits über bodengestützte Laser, die Satellitensensoren blenden können. Außerdem gebe es elektronische Instrumente, die GPS irreleiten – darüber verfügt auch die NATO – sowie satellitengestützte Waffensysteme ausschalten können.

Herman bezog sich bei diesen Angaben auf Pentagon-Aussagen im US-Kongress. Auch China verfüge dem Pentagon zufolge über „ein ganzes Arsenal an bodengestützten Abwehrwaffen für den Weltraum, von Systemen zur elektronischen Kriegsführung bis hin zu Anti-Satelliten-Raketen“, die alle im Kriegsfall einsatzbereit seien, gegnerische Streitkräfte „taub, stumm und blind zu machen“.

Kamala Harris hingegen hatte im Jahr 2022 als Vizepräsidentin angekündigte, die USA würden auf sämtliche Antisatellitentests verzichten. Diese Deeskalationspolitik der amerikanischen Demokraten hat weder in Moskau noch in Peking Wirkung gezeigt.

VR China besonders ehrgeizig

Gerade die kommunistische Volksrepublik (VR) China stürmt das All. Im Jahr 2018 etwa gab es laut Hudson Institute 141 weltraumbezogene Unternehmen in China. 2022 seien es 433 Unternehmen gewesen. Und auch, was Weltraumstarts anbelangt, hat sich die VR China an die USA herangearbeitet, sie vielleicht sogar schon überholt, je nach Betrachtungsweise: Im Jahr 2023 unternahm die VR China 67 Weltraumstarts und lag damit auf Platz zwei hinter den USA mit 109 Raketenlaunches ins All. Ohne das private Satellitenprogramm „SpaceX“ von Elon Musk könnten die USA indes nur elf Weltraumstarts verzeichnen.

Für Beobachter der „Weltraumszene“ zeichnet sich ein klares Bild ab: China könnte in naher Zukunft zur dominierenden Macht im All werden, vor allem aufgrund seiner globalen Telekommunikationsfähigkeiten. Und fraglos wird es – so wie jeder andere Staat auch – seine Weltraumsatelliten und -technologie für strategische und militärische Zwecke nutzen.

Klassische Gegenmaßnahmen des Westens

Um bei diesem Wettrüsten im All mithalten zu können, empfiehlt der Zukunftsforscher Arthur Herman der amerikanischen Regierung drei Schritte, die sie unternehmen müsse, „um zu gewinnen“. Diese gelten prinzipiell auch für Deutschland.

Als Erstes bedürfe es einer heimischen Angriffsfähigkeit auf und Abwehrfähigkeit von Satelliten. Der Ausbau elektronischer Kriegsführung, moderner Raketen und Killersatelliten müsse rasch vorangetrieben werden. Nur auf diese Weise könnte sich der Westen vor feindlichen Weltraumraketen und Satellitenzerstörungen schützen.

In einem zweiten Schritt sollen private Weltraumunternehmen – etwa SpaceX und Blue Origin in den USA – in die nationalen Weltraumverteidigungsprogramme einbezogen werden. In Deutschland wären dies zum Beispiel das mittelständische Unternehmen MT Aerospace AG in Augsburg, das überwiegend Bauteile für die Luft- und Raumfahrtbranche produziert, ebenso die Jena Optronik, Carl Zeiss, Jena oder die OHB System AG in Bremen und Oberpfaffenhofen, die zu den führenden Raumfahrtunternehmen Europas zählt.

Nachwuchs fehlt

Schließlich müsse massiv in den Bildungssektor investiert werden, fordert Arthur Herman. Die Raumfahrtindustrie floriert. Nach Angaben der Space Foundation in Colorado ist die Zahl der Kernarbeitskräfte in der Raumfahrtindustrie in den Vereinigten Staaten seit 2016 um rund 20 Prozent gewachsen.

Doch an amerikanischen Hochschulen kam es seit fünf Jahren zu einem Rückgang der Ingenieurstudenten. Das Durchschnittsalter der Luft- und Raumfahrtingenieure beträgt in den USA besorgniserregende 44 Jahre. Viele in der Branche stehen kurz vor der Rente.

Mangelnde Schulbildung wird zum nationalen Sicherheitsproblem

In Deutschland sieht es etwas besser aus. Dort beträgt das Durchschnittsalter der Beschäftigten in diesem Sektor laut Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) 40 Jahre. Allerdings bereitet der drastische Leistungsabfall der Schüler an deutschen Schulen ein erhebliches Problem in der Nachwuchsgewinnung für Ingenieurstudenten.

Ausgerechnet in Mathematik und Naturwissenschaften liegen Schüler an deutschen Schulen im internationalen Vergleich so weit zurück, dass von einem nationalen Notstand gesprochen werden könnte. Deutschland lag 2022 auf Platz 22, hinter Staaten wie Lettland und Neuseeland.

Die Vereinigten Staaten erreichten zwar lediglich Platz 31 im Ländervergleich, verfügen jedoch in absoluten Zahlen über ein riesiges Potenzial im Vergleich zu Gesamteuropa.

Dennoch schält sich nach und nach die Erkenntnis heraus, dass auch weniger begüterte Staaten als die USA und Deutschland im Weltraumsektor nach vorn streben und aufgrund besserer Schulbildung in Mathematik und Naturwissenschaften westliche Weltallambitionen in den Schatten stellen könnten.

Insofern wirkt sich das deutsche Bildungsdesaster bereits jetzt schon auch auf die Sicherheitsfähigkeit des Landes aus.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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