Wut auf Madrid eint Katalanen – Regierungsmitarbeiter festgenommen, zehn Millionen Wahlzettel beschlagnahmt
Die Frage der Unabhängigkeit von Spanien spaltet die Katalanen. Aber seit dem Einsatz der spanischen Guardia Civil, der nationalen Polizei, gegen die Regionalregierung in Barcelona sind sich die Katalanen einig – in ihrer Wut auf die Zentralregierung in Madrid.
Tausende gingen seit Mittwoch auf die Straße, nachdem hochrangige katalanische Regierungsmitarbeiter festgenommen und fast zehn Millionen Wahlzettel für das Unabhängigkeitsreferendum beschlagnahmt worden waren.
„Die Empörung beschränkt sich nicht mehr auf die Unabhängigkeitsbewegung, sie hat auch die Gewerkschaften, Hochschuldirektoren, Berufsverbände und so symbolträchtige Institutionen wie den FC Barcelona erfasst“, hieß es dieser Tage in einem Leitartikel der Zeitung „El Periodico de Catalunya“, die sich bisher immer gegen eine Abspaltung positioniert hat. „Viele Menschen ohne jegliche Verbindung zur Abspaltungsbewegung sind entrüstet“, schrieb auch „La Vanguardia“. Das wäre anders, wenn das Vorgehen gegen das Unabhängigkeitsreferendum „von einem ernsthaften Angebot zum politischen Dialog begleitet gewesen wäre“.
Seit der spanische Regierungschef Mariano Rajoy im Dezember 2011 sein Amt antrat, gab es keine Gespräche mehr zwischen der Zentralregierung und der autonomen Region im Nordosten des Landes. Damals hatte Rajoys konservative Volkspartei (PP) noch die absolute Mehrheit im Parlament. Anders als seine Vorgänger musste sich der Regierungschef die Stimmen der Katalanen deshalb nicht mit Zugeständnissen an Barcelona erkaufen. Er konzentrierte sich darauf, Spanien aus der Wirtschaftskrise zu führen – Forderungen der wirtschaftsstarken Katalanen nach größerer finanzieller Unabhängigkeit passten nicht in seinen Plan.
Nach den Protesten in Katalonien erklärte sich Rajoy nun zu Gesprächen über die Finanzierung der Regionen bereit. Dabei kann er sich auf den Widerstand der Hardliner in seiner Partei gefasst machen. „Teile der Partei werden zu gewissen Reformen bereit sein, aber die Mehrheit wird keinen Zentimeter nachgeben“, sagt Oriol Bartomeus, Politikprofessor an der Autonomen Universität Barcelona.
Seiner Meinung nach haben Rajoy und die Volkspartei die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen unterschätzt. „Sie glaubten, es stecke eine nationalistische Elite dahinter, die sich dadurch die Macht sichern wolle“, sagt der Politologe. „Aber tatsächlich sagten 80 Prozent der Katalanen ’so geht’s nicht weiter'“. Die Katalanen streben demnach einen Status wie das Baskenland an, das seine eigenen Steuern erhebt und nur wenig in die Madrider Staatskasse einzahlt.
Eine solche Regelung käme in Andalusien, der bevölkerungsreichsten der spanischen Regionen, gar nicht gut an. Andalusien profitiere von der Umverteilung des katalanischen Reichtums und „wird an vorderster Front seine Interessen verteidigen“, sagt der Politikwissenschaftler Juan Montades von der Universität im andalusischen Granada.
Die zwei größten nationalen Parteien, die konservative PP und die sozialistische PSOE, „waren sich immer äußerst bewusst, dass sie mit Zugeständnissen an Katalonien Wähler in anderen Teilen Spaniens verlieren“, sagt auch Caroline Gray, die an der britischen Aston University zu spanischen Unabhängigkeitsbewegungen forscht. „Aber man kann die Krise in Katalonien nicht lösen, wenn man es den Wählern in anderen Regionen Recht machen will.“ (afp)
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