Wirtschaftsministerium: Chip-Deal mit chinesischem Käufer könnte platzen
Nachdem die Bundesregierung den anteiligen Verkauf des Hamburger Terminals Tollerort an Chinas Staatskonzern Cosco gegen massiven Widerstand von allen Seiten durchgewunken hatte, sorgt der Verkauf des Dortmunder Chipherstellers Elmos weiter für Schlagzeilen. Das Unternehmen will seine Chipfertigung an den schwedischen Konzern Silex verkaufen. Doch das Problem dabei ist: Der schwedische Käufer Silex gehört zu 100 Prozent zu Sai Microelectronics – einem IT-Konzern aus China.
Dotiert ist der Verkaufspreis mit 85 Millionen Euro und global gesehen nicht sehr spektakulär. Doch die Tatsache, dass es sich um ein Hochtechnologie-Unternehmen und kritische Infrastruktur handelt, hat zu Warnungen von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst geführt. Recherchen der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ) sowie Insider-Informationen bestätigen die Warnungen und enthüllten kurz vor Kanzler Olaf Scholz’ China-Besuch Pekings Technologiestrategie, die alles andere als harmlos ist.
Wirtschaftsministerium rudert zurück
Während letzte Woche das „Handelsblatt“ noch berichtete, dass die Bundesregierung dem Deal zustimmen wolle und auch das Wirtschaftsministerium bis dahin wegen der angeblich veralteten Technologie keine Gefahr sah, hat sich der Wind mittlerweile gedreht. Laut „Spiegel“ ist das Wirtschaftsministerium zurückgerudert. Es sei nicht gesetzt, dass es zu einer Genehmigung kommt, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Nach neuesten Informationen aus Regierungskreisen könnte der Deal diesen Mittwoch sogar platzen. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte ebenfalls vor dem Deal. „Ich bin der Überzeugung, und das sind viele in der SPD, dass wir das lassen sollten“, sagte der Politiker am Freitag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv.
Die Recherchen der NZZ zeigen, wie es dem Unternehmer und Wissenschaftler Yang Yunchun mit seiner Firma NAV Technology und einer riesigen Finanzspritze Pekings über Umwegen schaffte, sich Silex einzuverleiben. Während die Firma zunächst Navigationstechnik für Satelliten und Flugzeuge verkaufte und seine Kunden fast alle aus der Militärbranche kamen, trennte sich Yang später von dem militärischen Bereich, um Ausfuhrkontrollen in Schweden zu umgehen.
Pekings Halbleiter-Strategie
Dass Peking bereits seit einigen Jahren massiv in die Halbleiterindustrie investiert, ist kein Geheimnis – allerdings mit wenig Erfolg. Chinesische Unternehmen schaffen es bislang nicht, im Bereich der Hightech-Chips aufzuholen. Das scheint auch der Grund dafür zu sein, dass sich die KPC einer neuen Strategie bedient und statt in die eigene Industrie zu investieren, lieber ausländische Wettbewerber aufkauft.
Im konkreten Fall nutzte Yang Chinas rund 50 Milliarden Schweizer Franken schweren Staatsfonds für die Halbleiterindustrie, bekannt als „Großer Fonds“ und gründete zunächst einen neuen Fonds. Dieser kaufte über einen Hongkonger Fonds schließlich die Silex. Und dann kaufte NAV, das gerade in Shenzhen an die Börse gegangen war, den Hongkonger Fonds und kam so in den Besitz der schwedischen Firma. Mittlerweile heißt NAV Sai Microelectronics.
China-Experte Manyan Ng, der selbst jahrelang Top-Manager in einem Automatisierungskonzern war, geht davon aus, dass Elmos anfänglich wahrscheinlich gar nicht gemerkt hat, dass sich hinter Silex der chinesische Staatskonzern Sai befindet. „Aber das genau ist ihre Strategie. Sie behalten den ursprünglichen Namen bei, damit es niemand merkt, wie sie nach und nach ihren strategischen Vorteil ausbauen“, so der Experte. „Man darf keinesfalls vergessen, ihr Ziel ist die Weltmacht.“
Silex-Chips auch für militärische Anwendungen nutzbar
Silex ist weltgrößter Auftragsfertiger für Mems-Chips. Obwohl diese vorwiegend in Handys und Heimelektronik verbaut werden, können sie laut Insider-Informationen eines Mitarbeiters auch militärisch verwendet werden. Der Kauf der Chipfertigung von Elmos soll diese Position künftig stärken. Die Firma aus Nordrhein-Westfalen produziert zu fast 90 Prozent spezielle Chips für die Autoindustrie. Die Technologie ist zwar nicht die neueste, wird jedoch nach wie vor für Airbags, Bremsen und Displays eingesetzt.
Ein Vorstandsmitglied von Sai Electrocis sieht in der Chipfertigung von Elmos viel Potenzial. Sie sei optimistisch, was den „riesigen Entwicklungsspielraum“ für Automobilchips angehe, sagte ein Vorstandsmitglied zu Investoren in China Ende September. Das Unternehmen plant im großen Stil, Mem-Chips in Europa zu verkaufen, um dort den Markt zu dominieren. Aber nicht nur das, es will die Technologie auch im eigenen Binnenmarkt einsetzen.
Wie Peking gezielt Talente abwirbt
Yang Yunchun studierte an der Harbin-Universität, einer von Chinas sieben wichtigsten Hochschulen für Militärforschung. Dass er zu den treuen Parteigefährten der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) gehört, zeigt eine chinesische Fachpublikation aus dem Jahr 2017. Darin schreibt er, er habe den „Geist des Harbiner Militäringenieurinstituts“ für immer verinnerlicht.
Wie viele chinesische Wissenschaftler ging Yang zur Promotion in die USA, wo er in Kalifornien in einem Programm der US-Regierung für autonomes Fahren forschte. Anfang der 2000er-Jahre kehrte er im Rahmen Pekings „Tausend Talente“-Programm nach China zurück. Seine Firma NAV Technology verkaufte zunächst Navigationstechnik für Satelliten und Flugzeuge. Die Kunden kamen fast alle aus der Militärbranche. Später trennte er sich angeblich von dem Militärbereich.
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