Stoltenberg zum Afghanistan-Abzug: „Wir müssen einen Rückgang der Gewalt sehen“
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die radikalislamischen Taliban in Afghanistan gewarnt, dass der Abzug westlicher Truppen aus dem Land von einer deutlichen Reduzierung der Gewalt abhänge.
„Wir können unseren Teil des Deals nur erfüllen, wenn die Taliban ihren Teil des Deals erfüllen“, sagte Stoltenberg am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Er bezog sich damit auf das zwischen der US-Regierung und den Taliban am Wochenende in Doha unterzeichnete Abkommen.
Trotz der Vereinbarung hatten die Aufständischen in der Nacht zum Mittwoch Posten der afghanischen Armee und Polizei angegriffen und dabei mindestens 20 Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet. Die US-Armee flog daraufhin einen Luftangriff auf Talibankämpfer.
Stoltenberg bezeichnete die aktuelle Lage in Afghanistan als „sehr schwierig“. Die Taliban müssten ihre Verpflichtungen aus dem Doha-Abkommen erfüllen. „Wir müssen einen Rückgang der Gewalt sehen“, sagte Stoltenberg in dem AFP-Interview, das am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Zagreb geführt wurde.
Das Abkommen von Doha sei ein „wichtiger erster Schritt, aber es ist nur ein erster Schritt“, sagte der Nato-Generalsekretär. Der Weg zum Frieden in Afghanistan werde „lang und schwer“, „und wir müssen auf Enttäuschungen vorbereitet sein“. Doch gebe es bei der Suche nach einer friedlichen Lösung zu Verhandlungen mit der Taliban „keine Alternative“.
US-Generalstabschef Mark Milley beschrieb die jüngsten Taliban-Angriffe unterdessen als „begrenzt“. Es habe sich um „kleine Angriffe“ gehandelt, die zurückgeschlagen worden seien, sagte der General in einer Kongressanhörung in Washington.
Es habe keine Angriffe durch Selbstmordattentäter oder Autobomben gegeben, auch seien weder die US-Streitkräfte noch andere ausländische Truppen attackiert worden, hob er hervor.
US-Armeesprecher Sonny Leggett hatte allerdings zuvor erklärt, die Taliban schienen mit den Angriffen die durch das Doha-Abkommen eröffnete Chance auf Frieden „vergeuden“ zu wollen.
Nur kurz vor den jüngsten Angriffen der Islamisten hatte US-Präsident Trump mit dem politischen Taliban-Führer Mullah Abdul Ghani Baradar telefoniert und anschließend von einem „sehr guten Verhältnis“ zu dem Mullah gesprochen. Trump versicherte, die Islamisten wollten „die Gewalt einstellen“.
Das Doha-Abkommen soll den Weg für einen dauerhaften Frieden und den Abzug der US-Truppen aus dem Land ebnen. Es sieht vor, dass die USA ihre Truppenstärke in Afghanistan zunächst reduzieren. Binnen 14 Monaten sollen dann alle US-Soldaten und ihre Nato-Verbündeten abziehen.
Im Gegenzug sollen die Taliban Garantien abgeben, dass sie das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekämpfen, und Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul beginnen.
Wegen der jüngsten Taliban-Angriffe ist allerdings der eigentlich für kommenden Dienstag geplante Auftakt der Verhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung zunehmend in Frage gestellt. (afp)
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