WikiLeaks-Gründer Assange laut US-Richterin „freier Mann“ – und auf dem Weg nach Canberra
Julian Assange ist nach Angaben einer US-Richterin ein „freier Mann“: Nach einem jahrelangen juristischen Tauziehen und einem Schuldeingeständnis hat sich der WikiLeaks-Gründer auf den Weg in seine Heimat Australien gemacht.
Im Rahmen einer Vereinbarung mit der US-Justiz bekannte sich der 52-Jährige am Mittwoch vor einem US-Gericht im Territorium Nördliche Marianen im Pazifik in einem Fall der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen zur nationalen Verteidigung schuldig – und konnte den Gerichtssaal nach Angaben der Richterin „als freier Mann verlassen“.
Assanges Anwältin sprach von einem „historischen Tag“. Das US-Justizministerium bestätigte später in einer Mitteilung, dass der Fall offiziell abgeschlossen sei.
Verurteilt zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft
Assange wurde zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt, die er bereits in Großbritannien verbüßt hat. Richterin Ramona V. Manglona sagte, sie hoffe, dass die Vereinbarung ihm nach seiner Inhaftierung etwas „Frieden“ bringen werde.
Assange äußerte sich beim Verlassen des Gerichts auf der Insel Saipan im US-Territorium Nördliche Marianen nicht gegenüber Reportern. Der Australier wollte nach der Anhörung Angaben von WikiLeaks zufolge in die australische Hauptstadt Canberra fliegen. Es wird erwartet, dass Assange sich nach der Heimkehr nach Australien erstmals öffentlich äußern wird.
Ein Privatflugzeug mit Assange an Bord startete von den Nördlichen Marianen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Assanges Anwältin Jen Robinson sprach von einem „historischen Tag“. Er beende 14 Jahre juristischer Auseinandersetzungen, sagte sie.
Vereinbarung mit der US-Justiz
Der 52-Jährige war am Montag aus dem Gefängnis in Großbritannien entlassen worden – dort saß er seit 2019 ein. Vor seiner Entlassung hatte Assange laut einem Gerichtsdokument die Verständigung mit der US-Justiz erzielt.
Assange ist der Protagonist eines großen Spionageskandals. 2006 hatte er die Enthüllungsplattform WikiLeaks gegründet mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen und verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Von 2010 an veröffentlichte WikiLeaks geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan der Whistleblowerin Chelsea Manning. Die USA warfen Assange in der Folge vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.
Es handelt sich um rund 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA. Die Papiere enthielten brisante Informationen über die Kriege im Irak und in Afghanistan, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen durch US-Militärangehörige.
Die USA haben WikiLeaks-Gründer Julian Assange die Einreise in die Vereinigten Staaten ohne Erlaubnis untersagt. Gemäß der mit dem 52-Jährigen getroffenen Vereinbarung dürfe Assange nicht ohne Erlaubnis in die USA zurückkehren, erklärte das US-Justizministerium am Dienstag (Ortszeit).
Held oder Schurke
Für seine Anhänger ist Assange ein Held, der für die freie Meinungsäußerung eintritt. Seine Kritiker sehen in dem 52-Jährigen einen Schurken, der die Sicherheit der USA und von geheimdienstlichen Quellen gefährdet hat.
Assange war zwölf Jahren lang eingesperrt. Sieben Jahre lang fand er Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London, weitere fünf Jahre verbrachte er im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh.
Die Einigung erfolgte zwei Wochen vor einer wichtigen Anhörung vor der britischen Justiz ab dem 9. Juli. Bei dem Berufungsverfahren sollte es um die Auslieferung von Assange an die USA gehen. Nach einer Gerichtsentscheidung hatte die britische Regierung im Juni 2022 Assanges Auslieferung zugestimmt, der Wikileaks-Gründer kämpfte dagegen. Ihm hatten bis zu 175 Jahre Haft gedroht.
Freudentränen der Ehefrau
Kaum jemand kann Assanges Gemütszustand wohl besser nachvollziehen als seine Frau Stella, die auf X zu seiner Ankunft auf der Insel schrieb: „Ich sehe mir die Aufnahmen an und denke daran, wie groß die Reizüberflutung sein muss, wenn er nach Jahren der sensorischen Deprivation in den vier Wänden seiner Hochsicherheitszelle im Belmarsh-Gefängnis jetzt durch das Gedränge der Presse geht.“
Nach der Gerichtsentscheidung jubelte sie in sozialen Netzwerken: „Julian verlässt das Gericht von Saipan als freier Mann. Ich kann nicht aufhören zu weinen.“ Die 40-jährige Anwältin hatte den Australier 2022 während seiner Haft geheiratet und hat zwei Kinder mit ihm.
Anwälte danken australischem Premier
„Ich hoffe, dass die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung gibt“, sagte die australische Menschenrechtsanwältin Jennifer Robinson am Mittwoch vor dem Gericht und sprach von einem „historischen Tag“.
Robinson dankte vor allem dem australischen Premierminister Anthony Albanese für dessen unermüdlichen Einsatz für Assange. Der Regierungschef habe sich immer wieder auf höchster Ebene für eine Lösung in dem juristischen Tauziehen starkgemacht. Assanges Anwalt Barry Pollack sagte, Assange habe in seinem Kampf für freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit enorm gelitten. (afp/dpa/red)
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