Wiederauferstehung eines Nationalheiligtums: Notre-Dame de Paris in neuem Glanz

Fünf Jahre und acht Monate nach dem verheerenden Brand feiert die Kathedrale Notre-Dame in Paris ihre Wiedereröffnung. Ein Symbol französischer Geschichte und Kultur, das nach dem Inferno von 2019 mühsam wiederaufgebaut wurde. Die Brandursache ist bis heute unklar. Innerhalb der letzten beiden Jahre sind in Frankreich 53 Kirchen durch Feuer beschädigt worden.
Die Pariser Notre-Dame ist nach über fünfjährigen Restaurierungsarbeiten wiedereröffnet worden.
Unbeeindruckt von den Veränderungen der Welt und oft Schauplatz von Schlüsselereignissen der französischen und der Weltgeschichte, ragt das Meisterwerk der gotischen Architektur gen Himmel – egal, welche Irrungen und Wirkungen die Geschicke am Boden prägen. Die Pariser Notre-Dame ist nach über fünfjährigen Restaurierungsarbeiten wiedereröffnet worden.Foto: Ludovic Marin/POOL AFP/AP/dpa
Von 9. Dezember 2024

Zu Ostern 2019 brannte die Kathedrale Notre-Dame in Paris. Die Bilder, die um die Welt gingen, schockierten die Menschen: Das Dach des majestätischen, gotischen Bauwerks stand in Flammen, der Himmel über Paris ein feurig-rotes Inferno. Der filigrane Vierungsturm war nicht mehr zu retten. Die Kathedrale im Flammenmeer schien kurz vor dem völligen Zusammenbruch zu stehen. Die Dachplatten aus Blei, mehr als 200 Tonnen schwer, schmolzen im Brand, ebenso wie weitere 250 Tonnen Blei aus dem zerstörten Turm.

Jetzt – fünf Jahre später – wurde die Notre-Dame wiedereröffnet.

Grosser Staat zur Wiedereröffnung

Der Élysée-Palast hatte 100 VIP-Gäste eingeladen, darunter 50 Staatsoberhäupter und zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft. Neben dem designierten US-Präsidenten Donald Trump und der First Lady Jill Biden waren auch der Prinz von Wales sowie der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskyj anwesend. Aus Deutschland war Bundespräsident Steinmeier mit seiner Gattin vertreten. Auch der Unternehmer Elon Musk war vor Ort. Der Papst, obwohl eingeladen, war nicht anwesend und sandte stattdessen eine Grußbotschaft.

Im für 40.000 Menschen abgegrenzten Bereich rund um die Kathedrale waren auch viele Anwesende, die den tragischen Brand selbst miterlebt hatten. Eine große Menschenmenge hatte sich vor Notre-Dame versammelt und verfolgte die Zeremonie auf aufgestellten Bildschirmen oder ihren Handys. Die Anwesenden ließen sich weder durch Unwetterwarnungen noch durch Kälte und Regen abhalten. Wie Joséphine, die für das Wochenende ein Zimmer in Paris gemietet hat, um an der Veranstaltung teilzunehmen:

„Was heute geschehen ist, ist ein Wunder: ein Wunder deshalb, weil wir endlich Zeuge der Wiederherstellung von Notre-Dame sind, aber auch ein Wunder, weil das Thema des Krieges in der Ukraine im Rahmen dieser Zeremonie seinen Platz gefunden hat. Ich hoffe, dass dieses Ereignis der Welt mehr Frieden und Einheit bringen wird“, sagte die französische katholische Studentin gegenüber The Epoch Times und fügte hinzu, dass die Anwesenheit von Donald Trump in Paris „ein großes Symbol“ sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Frankreich sei.

Jeanne, die seit 50 Jahren in Paris lebt, erklärte, dass sie gekommen sei, „um die Glocken von Notre-Dame wieder läuten zu hören. Denn wenn ich sie höre, bedeutet das, dass die Kathedrale endlich gerettet ist“.

Nach dem Festakt am Samstag für die prominenten Gäste wurde am Sonntag, 8. Dezember, der neue Altar bei einer Messe geweiht – anlässlich des Hochfests der unbefleckten Empfängnis der Heiligen Jungfrau Maria. Ein symbolisch passender Tag, denn die Kathedrale ist der Heiligen Jungfrau Maria geweiht. „Notre-Dame“ bedeutet auf Französisch „Unsere Dame“ und ist als französischer Marientitel ein Hinweis auf die Jungfrau Maria.

Nationalheiligtum in Flammen

Als Notre-Dame in Flammen aufging, war es nicht einfach eine Kirche, sondern ein nationales französisches Heiligtum. Sofort nach der Brandnacht wandte sich Emmanuel Macron an die geschockte Nation. Der französische Präsident versprach, dass die stark beschädigte gotische Kathedrale in nur fünf Jahren wiederaufgebaut würde – und zwar „schöner als zuvor“.

Jetzt erstrahlt Notre-Dame in neuem Glanz. Die Wände wurden von jahrhundertealtem Ruß und Schmutz befreit. Auf dem cremefarbenen Farbton der frisch gestrichenen Wände spiegelt sich das Licht der gereinigten, bunten Fenster. Nur wenige Tage nach der Katastrophe wurden die Fenster ausgebaut und zur Restaurierung gebracht – insgesamt fast 1.000 Quadratmeter Glas. Auch die 2.300 Statuen wurden gereinigt, und die 8.000 Pfeifen der im 19. Jahrhundert von Aristide Cavaillé-Coll perfektionierten Orgel erstrahlen wieder in frischem Glanz und Klang. Zudem wurden 1.500 neue Stühle eingebaut, das Taufbecken, der Hostienschrein und das Bibelpult wurden erneuert.

Das Wetter spielt bei der Eröffnung der Kathedrale Notre-Dame nicht mit.

Im neuen Glanz. Foto: Stephane de Sakutin/POOL/AP/dpa

700 Millionen Kosten

Das zerstörte Dach und die stützende Balkenkonstruktion aus Holz wurden detailgetreu und vollständig neu aufgebaut. Rund 1.000 Kubikmeter Steine mussten bewegt, 2.000 Tonnen Gerüst aufgestellt und wieder abgebaut werden. Fast 250 Unternehmen und Ateliers waren an der Restaurierung beteiligt, insgesamt brachten sich etwa 2.000 Fachleute ein. Die Kosten beliefen sich auf rund 700 Millionen Euro.

Bei einer beispiellosen Spendensammlung waren mit rund 840 Millionen Euro mehr, als man ursprünglich benötigte, zusammengekommen. Mit den verbleibenden circa 150 Millionen soll die Restaurierung der Apsis und der Strebepfeiler finanziert werden. Die Arbeiten sind im Anschluss an die Wiedereröffnung geplant, drei Jahre sollen sie dauern.

Der Himmel über Paris – in Flammen (Photo by Veronique de Viguerie/Getty Images)

Auch wenn Papst Alexander III. im Jahr 1163 den Grundstein für Notre-Dame legte, beginnt die Geschichte des Gebäudes eigentlich bereits im 4. Jahrhundert, als der kriegerische fränkische König Chlodwig zum Christentum übertrat. Paris wurde zur Hauptstadt des Königreichs der Franken, eines der ersten christlichen Königreiche Europas. Im 6. Jahrhundert wurde die erste Kathedrale von Paris, Saint-Étienne, erbaut. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Stadt, das kulturelle Ansehen stieg, und Paris an der Seine wurde zu einem Zentrum intellektueller und künstlerischer Aktivitäten. Pilgerfahrten und Kreuzzüge im 12. Jahrhundert machten Paris – insbesondere die Île de la Cité, eine kleine Insel in der Seine – zu einem stark frequentierten Ort.

Die große Zahl der Pilger veranlasste den Bischof von Paris, Maurice de Sully, mit den Plänen für den Bau einer gewaltigen Kathedrale auf den Ruinen zweier früherer Basiliken zu beginnen. Der Grundstein wurde von Papst Alexander III. gelegt. De Sully trieb Geld und Ressourcen für das Projekt auf, erlebte jedoch die Fertigstellung seines Werks nicht mehr. Denn die Kathedrale war ein Generationenprojekt, dessen Bau fast zwei Jahrhunderte dauerte.

„Gewaltige Sinfonie aus Stein“

Die Kirche ist eines der frühesten gotischen Bauwerke Frankreichs und entstand in einer Zeit des Übergangs von der Romanik zur Gotik. Deshalb mussten die Baumeister immer wieder umplanen: Teile der Kirche wie etwa das Querschiff, das noch im romanischen Stil errichtet worden war, wurden abgerissen und im neuen Gotikstil wiederaufgebaut.

Nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1345, als sie emporragte von der Île de la Cité in der Mitte der Seine, galt sie als ein Meisterwerk der mittelalterlichen Ingenieurskunst. Sie verkörperte das Können der damaligen Künstler und war ein Ausdruck der Bestrebungen der mittelalterlichen Gesellschaft insgesamt.

Fast fünf Jahrhunderte nach seiner Fertigstellung beschrieb der Schriftsteller Victor Hugo das Gebäude als „eine gewaltige Sinfonie aus Stein“. Hugo steigerte die Popularität der Kirche noch mit seinem Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ von 1831, der im französischen Original schlicht „Notre-Dame de Paris“ heißt. Der Roman rückt die Kathedrale in den Blick, und nicht unbedingt den buckligen Glöckner Quasimodo nebst Tänzerin Esmeralda. Die populärste Verfilmung von Hugos Roman ist wohl die von 1956 mit Gina Lollobrigida und Anthony Quinn in den Hauptrollen.

Ein Ort mit Geschichte verknüpft

Laut „The Age of Chivalry“, einem von National Geographic herausgegebenen Buch, war Notre-Dame der Platz, an dem der Dritte Kreuzzug zum ersten Mal gepredigt wurde genauso wie der Ort, an dem Heinrich VI. König von Frankreich wurde.

Die Kathedrale war und ist auch Heimat der Dornenkrone Jesu, eine der laut „Merkur“ „bedeutendsten Reliquien der katholischen Kirche“, die der heilige Ludwig 1239 aus Jerusalem mitbrachte, als die Kathedrale sich noch im Bau befand und die beim Brand umgehend in Sicherheit gebracht wurde.

Im Wandel der Zeit: gekrönte Häupter und plündernde Revolutionäre

Notre-Dame hatte schon immer Symbolcharakter: Im Zuge der Französischen Revolution wurde die Kathedrale, wie viele andere Kirchen in Frankreich, von Revolutionären gestürmt und geplündert. Die Stimmung zu dieser Zeit war zutiefst antikatholisch. Zwischendurch diente das Gebäude sogar als Weinlager. Die Revolutionäre erklärten die Kirche zeitweilig zum „Tempel der Vernunft“, einem Denkmal des aufklärerischen Rationalismus. Allerdings verwechselten sie einige Statuen biblischer Könige mit französischen Monarchen und enthaupteten sie aus Hass auf die Aristokratie. Die Köpfe der Könige wurden 1977 bei Renovierungsarbeiten in einem Pariser Stadtviertel wiederentdeckt. Am Ende bewahrte wohl nur der Sturz des Revolutionsführers Robespierre die Kathedrale vor dem vollständigen Abriss.

Unter Napoleon, der sich hier im Dezember 1804 zum Kaiser krönen ließ, wurde die Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder liturgisch genutzt. Es waren dann auch die Glocken von Notre-Dame, die 1944 über Paris läuteten, um die Befreiung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs zu feiern.

Brand mit Symbolwert?

Nach dem Brand von 2019: Von der Inneneinrichtung der Kathedrale wurde lediglich der Hauptaltar zerstört. Es gibt ein mittlerweile berühmtes Bild aus der Perspektive eines Blickes ins Innere der angeschlagenen Kathedrale, die Wände schwarz von Ruß, die Reste der zusammengekrachten Dachbalken liegen qualmend verkohlt auf dem Boden – aber in der Mitte leuchtet unversehrt das goldene Kreuz am Hauptaltar. Das „Zeichen der Liebe Gottes leuchtet mitten im Zerstörungschaos“, schrieb Pastor Andreas Müller im „Merkur“ dazu.

Inmitten von Chaos und Zerstörung: leuchtendes Kreuz (Photo credit UDOVIC MARIN/AFP/Getty Images)

Keine wirklichen Antworten zu Ursachen – auch keine Fragen

Bis heute ist die genaue Brandursache der Kathedrale ungeklärt. Über die Renovierungsarbeiten bis zur Wiedereröffnung sind keine nennenswerten Details zur „Fast-Zerstörung“ des französischen Nationaldenkmals bekannt. Wie konnte ein 800 Jahre altes Steingebäude so umfassend in Brand geraten und 15 Stunden lang lichterloh brennen?

Zum Stand der Ursachenforschung heißt es beispielhaft in der „Stuttgarter Zeitung“: „Die Frage nach der Ursache des Feuers bleibt bis heute ein Rätsel.“ Und weiter: „Die Untersuchung erwies sich als äußerst komplex.“ Noch am Abend des Brandes leitete die Staatsanwaltschaft Paris eine Untersuchung wegen „unfreiwilliger Zerstörung durch Feuer“ ein. Schon früh wurde ein vorsätzlicher Brandanschlag ausgeschlossen. Die derzeitigen Thesen der Ermittler lauten: „Unsachgemäßer Umgang mit Zigaretten“ oder „Kurzschluss der Elektrik“.

Brände in 53 Kirchen

Notre-Dame de Paris ist nicht die einzige Kirche, die in den letzten Jahren gebrannt hat. Im Sommer sorgte ein Brand in der Kathedrale von Rouen für Aufsehen. Im Turm fanden Bauarbeiten statt. Der Grund für das Feuer sei „höchstwahrscheinlich“ ein Unfall gewesen, zitiert „Le Progres“ die Staatsanwaltschaft.

Im September brannte der Dachstuhl der Kirche von Saint-Omer (Pas-de-Calais) vollständig ab. Hier war Brandstiftung die Feuerursache.

Zufolge des Vereins Observatoire du patrimoine religieux (OPR), der sich für den Erhalt und die Verbreitung des französischen religiösen Erbes einsetzt, wurden innerhalb der letzten beiden Jahre in Frankreich 53 Kirchen durch Feuer beschädigt:

„Im Jahr 2023 waren (…) von 27 ausgebrochenen Bränden in Kirchen 8 auf Brandstiftung und 19 auf Unfälle zurückzuführen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 waren von den 26 gemeldeten Bränden 14 auf Brandstiftung und 12 auf einen Unfall zurückzuführen“, so der Verein.



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