Wiederaufbau-Konferenzen in Berlin beraten „Marshall-Plan“ für Ukraine

Hohe Investitionen seien für den Wiederaufbau der Ukraine nötig, erklärt Bundeskanzler Scholz. Die EBRD investiere bereits 2022 über eine Milliarde Euro.
Scholz plant Ukraine-Wiederaufbaukonferenz
Der Bundeskanzler befasst sich mit dem Wiederaufbau der Ukraine.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 7. November 2022

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Auf einen langen und kostspieligen Wiederaufbau müssen sich die Ukraine und ihre Geldgeber unabhängig von Fortdauer und Ausgang des anhaltenden Krieges einstellen. Davon gehen auch die Vertreter von Staaten, Verbänden und Institutionen aus, die sich am Montag (24.10.) zu Konferenzen in Berlin eingefunden haben. Den Auftakt macht dabei das Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum mit Spitzenvertretern beider Länder, die teils online zugeschaltet werden.

Schmyhal warnt vor „Migrationstsunami“

Ausrichter des Forums sind der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft sowie die Deutsch-Ukrainische Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine). Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnete die Konferenz gemeinsam mit seinem ukrainischen Amtskollegen Denys Schmyhal. Beide werden auch ein bilaterales Gespräch über die aktuelle Lage und deutsche Unterstützung führen.

Schmyhal forderte unter anderem, im Ausland beschlagnahmte russische Aktiva heranzuziehen, um Kriegsschäden in der Ukraine zu beseitigen. Derzeit seien russische Vermögenswerte im Gesamtwert von 300 bis 500 Millionen US-Dollar in westlichen Ländern eingefroren.

Der ukrainische Premier bat neben Militärhilfe auch um mobile Anlagen zur Stromherstellung und Wasseraufbereitung. Russische Angriffe auf die Infrastruktur könnten „einen neuen Migrationstsunami auslösen“, warnt Schmyhal.

Am Dienstag wird eine internationale Expertenkonferenz folgen. An dieser werden unter anderem auch Vertreter aus Europa, der G7-Runde, der G20-Gruppe und von internationalen Organisationen teilnehmen.

Experten stellen Dossier zum Wiederaufbau vor

Wie „n-tv“ berichtet, haben Experten bereits im Vorfeld der Konferenz ein Dossier mit konkreten Plänen für den Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft vorgelegt. Demzufolge haben bereits zahlreiche deutsche Wirtschaftsunternehmen ihr Interesse an der Teilnahme am wirtschaftlichen Wiederaufbau bekundet.

Der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses, Michael Harms, mahnt vor allem Soforthilfe bei Infrastruktur und Energieversorgung an. Allerdings wollten beteiligte deutsche Unternehmen auch „die Zukunft gleich mitdenken“. Das Dossier „Rebuild Ukraine“, das sich an der Forderung nach einem „Marshallplan des 21. Jahrhunderts“ orientiere, sieht die Ernennung von Koordinatoren vor. Diese sollen von der EU und den jeweiligen Geberländern gestellt werden.

Sie sollen zusammen mit der ukrainischen Regierung einen Rat bilden, der die entsprechenden Erfordernisse und Projekte abstimme. Die beteiligten Unterstützerländer sollten aus Transparenzgründen selbst die Aufsicht über eigene Projektmittel behalten.

Autozulieferer und Baustoffhandel bleiben in der Ukraine präsent

Harms geht von einem „schleichenden Prozess“ aus, im Zuge dessen deutsche Investoren in den Wiederaufbau einstiegen. Vor allem, solange der Krieg andauere, sei nicht mit größeren Engagements zu rechnen. Einige deutsche Unternehmen würden jedoch schon jetzt ihre Geschäftstätigkeit in den nicht umkämpften Teilen der Ukraine aufrechterhalten oder sogar ausbauen. Dazu gehörten etwa Autozulieferer oder Baustoffhändler.

Der Verbandschef sieht vor allem eine Notwendigkeit, attraktive und berechenbare Anreize für die Privatwirtschaft zu schaffen. Darum müssten sich die Geldgeber und die ukrainische Regierung kümmern:

Die Unternehmen brauchen für ihr Engagement verlässliche Ansprechpartner, zügige Ausschreibungen und Genehmigungen sowie finanzielle und juristische Absicherungen.“

Renaud-Basso: Zu früh für Investitionen in den Wiederaufbau

Die Präsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Odile Renaud-Basso, warnt demgegenüber vor überhöhten Erwartungen. Im Interview mit der „Welt“ geht sie nicht davon aus, dass deutsche oder andere Unternehmen in absehbarer Zeit in den Wiederaufbau der Ukraine investieren würden.

Gerade in den zerstörten Gebieten werde noch gekämpft und die russische Armee halte noch umfangreiche Gebiete im Osten des Landes. Es werde Investitionen aus dem Ausland für den Wiederaufbau geben, aber nicht zeitnah. Derzeit hätten andere Fragen Priorität, erklärt Renaud-Basso:

Es ist noch viel zu früh für deutsche Firmen, über neue Investitionen in der Ukraine nachzudenken. Wir reden im Moment von Finanzierungen, um das Land am Laufen zu halten.“

Kredit über 300 Millionen Euro für Naftogaz

Die EBRD selbst werde 2022 mehr als eine Milliarde Euro in der Ukraine investieren. Von dieser sollen Energieunternehmen, der Transportsektor, aber auch Lebensmittelversorger, Banken oder Pharmaunternehmen profitieren. Zudem will man den öffentlichen Dienst und dessen Funktionsfähigkeit stabilisieren:

Dabei tragen wir die Hälfte des Risikos selbst, und die andere Hälfte wird von großzügigen Gebern über Garantien getragen. Das Geld geht vor allem in Liquiditätshilfe für essenzielle Infrastruktur.“

Im Juni habe man dem ukrainischen Gasversorger Naftogaz einen Kredit in Höhe von 300 Millionen Euro für den Ankauf von Gas eingeräumt. Dies sei aufgrund seiner zentralen Rolle für die Versorgung wichtig – insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Winter.

(Mit Material der dpa)



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