Wie würde Hellas-Pleite die Eurozone verändern?
Eigentlich ist Europas Währungsunion ein Pakt für die Ewigkeit – der Euro-Ausstieg ist nicht vorgesehen. Trotzdem muss Griechenland diesen Weg vielleicht bald einschlagen.
Einigen sich Athen und die Geldgeber nicht, ist ein Staatsbankrott kaum mehr abzuwenden. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnt: „Das Risiko einer Staatspleite wächst von Tag zu Tag.“
Welche Folgen hätte eine Griechenland-Pleite für die Eurozone?
Weidmann ist überzeugt: „Der Bestand des Euro ist nicht an die Entwicklung in Griechenland geknüpft.“ Allerdings seien Ansteckungseffekte möglich. Holger Schmieding von der Berenberg Bank hält die ökonomischen Ansteckungsgefahren allerdings für gering: „Die Investoren wissen, dass sie sich auf die Europäische Zentralbank verlassen können.“ Ohnehin macht Griechenlands BIP nur 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung im Euroraum aus, wie Experten der DZ Bank betonen: „Griechenland ist für keines der Euroländer einer der wichtigsten Handelspartner.“ Zudem hätten Unternehmen und Banken reagiert und ihre Geschäftsbeziehungen zu dem Krisenland reduziert.
Und was ist mit den langfristigen Folgen für die Währungsunion?
Die könnten durchaus gravierend sein. „Der "Grexit" würde das Ende der Umumkehrbarkeit des Euro bedeuten“, warnt ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Auch Ex-EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sieht Risiken: „Wenn es zu einer katastrophalen Entwicklung in Griechenland kommt, hätte Europa der ganzen Welt demonstriert, dass es gescheitert ist, in seiner eigenen Region für Stabilität und Ordnung zu sorgen.“
Wie ginge es für Griechenland nach einer Staatspleite weiter?
Das hängt nicht zuletzt von der EZB ab. Sollte sie die Versorgung griechischer Banken mit Euro stoppen, wird in Hellas schnell das Geld knapp. Das würde für Banken den Kollaps bedeuten. Die DZ Bank warnt: „Aus Sorge vor einer Versorgungsknappheit, die sich im Hinblick auf einen Mangel an Devisen einstellen könnte, wären Lebensmittel-Panikkäufe wahrscheinlich. Selbst die öffentliche Ordnung könnte in Gefahr geraten, wohingegen die griechische Verwaltung mit der Devisenbewirtschaftung überfordert sein könnte.“ Sollte die Lage eskalieren, würden die EU-Staaten aber kaum tatenlos zuschauen, sondern massive Hilfen bereitstellen.
Muss Griechenland im Pleitefall eine eigene Währung einführen?
Ökonomisch scheint das unausweichlich. In einer Studie betont die DZ Bank: „Käme es zu einem Stopp der Ela-Nothilfen durch die EZB, wäre ein faktischer "Grexit" unausweichlich.“ Zwar könne Griechenland zunächst auf dem Papier ein Euroland bleiben, müsste aber Geld in einer eigenen Währung ausgeben, um seine Banken zu versorgen. Eventuell würde der Staat beginnen, Gehälter und Renten in Schuldscheinen auszuzahlen. „Wenn das Geld ausgeht und Athen eine Einigung mit den Geldgebern verweigert, muss Griechenland über kurz oder lang eine eigene Währung ausgeben“, meint Berenberg-Ökonom Schmieding.
Würde das Griechenland helfen?
Das ist offen. Eine griechische Währung wäre weniger wert als der Euro, Hellas-Exporte würden auf den Weltmärkten billiger. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist sicher: „Griechenland würde von einem Austritt aus dem Euro profitieren, denn er würde eine Abwertung ermöglichen und dazu führen, dass griechische Konsumenten wieder einheimische anstelle importierter Produkte kaufen.“ Importe würden aber teurer. Brzeski warnt: „Eine eigene Währung wird die Inflation anheizen, die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen und zu sozialen Unruhen führen.“
Wäre ein „Grexit“ wirklich der Anfang vom Ende des Euro?
Zwar hat Regierungschef Alexis Tsipras dieses Horrorszenario an die Wand gemalt. Doch nicht nur Weidmann hält dies für „befremdlich“. Robert Halver von der Baader Bank glaubt im Gegenteil: „Der Euro ist ohne Griechenland stabiler.“ Denn Athen trete unverhohlen für Staatsschulden und deren spätere Streichung ein und sei reformunfähig. Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud warnt: „Das zwanghafte Festhalten an einem Land, das weder ökonomisch noch politisch die Kriterien eines Kandidaten für einen optimalen Währungsraum erfüllt, gefährdet die Attraktivität und Stabilität des Ganzen.“ Ein Austritt Griechenlands aus dem gemeinsamen Währungsraum („Grexit“) würde die Eurozone aus dieser Sicht daher stärken.
Wie teuer wäre ein „Grexit“ für Deutschland?
Die deutschen Banken haben sich weitgehend aus Griechenland zurückgezogen. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sagte kürzlich, sie hätten in ihren Büchern nur noch Forderungen von 2,4 Milliarden Euro gegenüber griechischen Banken, Unternehmen und dem Staat: „Das Risiko ist also überschaubar.“ Allerdings besteht für den deutschen Staat zumindest theoretisch das Risiko, dass gewährte Rettungsgelder nicht zurückgezahlt werden. Das Ifo Institut beziffert das maximale Verlustrisiko für Deutschland auf 87 Milliarden Euro (Stand Ende März) – für den Fall einer Staatspleite Griechenlands und einem gleichzeitigen Austritt des Landes aus der Eurozone.
Inwiefern wären Anleger von einer Pleite Griechenlands betroffen?
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet nur kurzfristige Ausschläge an den Märkten: „Bei einem Austritt Griechenlands käme bei den Anlegern natürlich zunächst viel Unsicherheit hoch, die Kurse würden wohl fallen. Aber die Anleger dürften schnell erkennen, dass ein "Grexit" die Stabilität der übrigen Währungsunion nicht gefährden würde.“ Auch Kapitalmarktexperte Robert Halver von der Baader Bank glaubt, dass die Aktienmärkte bei einer Staatspleite nicht ungeschoren davonkommen: „Die Märkte würden zunächst deutlich nachgeben“, sagte er „Börse Online“: „Aber wenn sie sehen, dass die Schotten halten, werden sie sich schnell wieder erholen. Denn eine Kette ist nicht schwächer, wenn ihr schwächstes Glied entfernt wird.“ (dpa)
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