Wie lange bleibt das „freie Fenster“ über China noch offen?

Europas größte Satellitenfirma Eutelsat des Kotaus vor Peking beschuldigt
Titelbild
Satellitenempfang in China. Auf dem Land können viele Programme nur über Satellit empfangen werden. (Goh Chai Hin/AFP/Getty Images)
Von 22. März 2005

Der in Paris ansässige Satellitenkonzern Eutelsat weigert sich, den Vertrag mit NTD-TV (New Tang Dynasty) für Übertragungen nach China zu verlängern. Der chinesischsprachige TV-Sender mit Sitz in New York vermutet Druck aus Peking dahinter, denn NTD sendet via Satellit unzensierte Informationen in die VR China. Medienorganisationen und EU-Politiker appellieren an Eutelsat, die Werte von Demokratie und Meinungsfreiheit zu wahren.

Bei einem Treffen im April 2004 mit den Vorsitzenden von NTD-TV sagte Giuliano Berretta, der Vorstandsvorsitzende von Eutelsat, dass seine Firma die Übertragung der NTD- Programme nie beenden werde, ganz gleich wie groß der politische Druck sei. Es wäre nur möglich, wenn der höchste Gerichtshof Frankreichs dies entschiede. Bei ihrer Privatisierung vor einigen Jahren hatte Eutelsat mit der EU ein Abkommen geschlossen, in dem sie die Achtung der Prinzipien „freier Zugang, Pluralismus und keine Diskrimisierung“ zusicherte.

Kaum ein Jahr nach dieser Zusicherung, am 16. März 2005, musste ein Gericht in Paris eine Anhörung der Rechtanwälte beider Seiten einleiten um zu entscheiden, ob NTD-TV nach Mitte April, dem Auslaufen des jetzigen Vertrags, weiter über den Eutelsat Satelliten W5 Programme nach China senden darf.

„Wir haben immer pünktlich gezahlt und sind ein ordentlicher Kunde, Eutelsat hat reichlich Kanäle auf den Satelliten über China.“ NTD sieht sich vollkommen im Recht den Vertrag mit Eutelsat zu verlängern, entsprechend dem Abkommen zwischen Eutelsat und EU.

Einen Tag davor sprach die Mediengesellschaft IFJ „International Federation of Journalists“ bei einer Pressekonferenz in Brüssel von einem Kotau von Eutelsat aufgrund des Drucks der kommunistischen Führer in Peking. IFJ vertritt zur Zeit weltweit 500 000 Journalisten. Zusammen mit NTD-TV, „Reporter ohne Grenzen“ und EU-Politikern forderte IFJ die Firma Eutelsat auf, das „offene Satellitenfester“ über China nicht zu verschließen.

Helga Trüpel, EU-Abgeordnete aus Bremen, stellvertretende Vorsitzende des Kulturkomitees des EU-Parlaments und Mitglied der China Delegation der EU, sagte in einer Pressemitteilung der Grünen Partei: “Es ist ein Skandal, dass die chinesischen Behörden sogar in Europa versuchen, die unabhängigen chinesischen Medien zum Schweigen zu bringen. Eutelsat ist eine der prestigeträchtigsten europäischen Telekommunikationsgesellschaften; Eutelsat sollte die höchsten Standards in Bezug auf Meinungsfreiheit hochhalten, besonders im Umgang mit einem Land, dass als eines der größten Verletzer der Medienfreiheit in der ganzen Welt gilt.“

Pekings langer Arm in die Sendefrequenzen

2001 wurde NTD-TV in New York durch Auslandschinesen gegründet. Die Programme auf Chinesisch umfassen ein weites Spektrum von aktuellen Nachrichten, Wirtschaft, Politik, Sport, Kultur, Unterhaltung, Erziehung etc. Seit seiner Gründung ist der Sender den Machthabern in Peking ein Dorn im Auge, da er über das berichtet, was Peking nicht gerne hört: Menschenrechtsverletzungen, das Massaker von 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, die Rückschritte der Demokratie in Hongkong usw.

„Vor zwei Jahren haben wir drei Wochen früher über den SARS-Ausbruch in China berichtet als die chinesischen staatlichen Medien, “ so Carrie Hung, die Sprecherin von NTD-TV, „Wir stehen in der Berichterstattung zu den Prinzipien von Objektivität und Unabhängigkeit und legen Wert auf Demokratie und Freiheit.“ Über 4 Satelliten werden NTD-Programme rund um die Uhr über Europa, Nordamerika, Asien und Australien ausgestrahlt. Es gibt etwa 200 Mio. potenzielle Zuschauer, so schätzt der Sender, davon 40 bis 60 Mio. in China. „In manchen Dörfern in China, wo es kein Kabelfernsehen gibt, schaut die gesamte Bewohnerschaft die NTD-Programme über die Satellitenschüssel im Gemeindehaus.“

Am 1. Juli 2003 sendete NTD-TV über die Satelliten der niederländischen Firma NSS zum ersten Mal nach China. Drei Tage später musste NSS die Sendung verschlüsseln, da sein Büro in Peking eine Warnung von der KP-Regierung bekam, ansonsten kein Geschäft mehr mit China machen zu können. Fünf Monate zuvor hatte die amerikanische Satellitenfirma ADTH aus demselben Grund den Vertrag mit NTD aufgehoben.

Seit 1. Mai 2004 sind NTD-Programme in China über Eutelsat wieder unverschlüsselt zugänglich. NTD setzte seine Hoffnung auf den neuen Partner Eutelsat, der kaum geschäftliche Verbindungen mit China hatte. Eutelsat versprach auch eine langfristige Zusammenarbeit mit dem unabhängigen TV-Sender im Falle eines möglichen Drucks aus Peking. Aber zwei Wochen später drohte Eutelsat NTD-TV wieder abzuschalten. „Reporter ohne Grenzen“ vermutet dahinter den Druck aus Kreisen der französischen und chinesischen Regierung. Als dies in der Öffentlichkeit bekannt wurde, zog Eutelsat seine Kündigung zurück.

Über ein halbes Jahr lang rührte Eutelsat das erste historische freie Medien-Fenster über China nicht an, während Peking fleißig Geschäftsbeziehungen mit der Firma aufbaute. Im Dezember 2004 beschloss Giuliano Berretta einen großen Vertrag mit dem chinesischen staatlichen Sattelitenunternehmen ChinaSatCom in Peking, was als ein großes Ereignis in den chinesischen Medien präsentiert wurde. Gleichzeitig offerierte Peking Eutelsat auch die Möglichkeit sich um die Senderechte für Olympia 2008 zu bewerben.

Danach reagierte Eutelsat nicht mehr auf die bevorstehende Vertragsverlängerung mit NTD-TV und auch nicht auf eine Anfrage von „Reporter ohne Grenzen“ nach dem Grund für dieses Verhalten.

Eine Prüfung für die Werte von Demokratie und Freiheit

Peking beschuldigt NTD-TV, Propaganda-Medium der in China verbotenen und verfolgten Meditationsbewegung Falun Gong zu sein. Viele freie Mitarbeiter von NTD üben tatsächlich Falun Gong, „wir haben auch Mitarbeiter, die nichts mit Falun Gong zu tun haben. NTD berichtet sehr viel über die Verfolgung von Falun Gong in China unter dem Aspekt der Menschenrechtsverletzungen.“ wies Carrie Hung die Vorwürfe zurück. IFJ schätzt NTD mit seinem internationalen Ruf für seine aktuellen Berichte über die politische, wirtschaftliche und kulturelle Lage in China.

57 EU-Abgeordnete sowie Parlaments-Abgeordnete aus Frankreich, England, Deutschland, Italien, Belgien und Spanien unterzeichneten gemeinsam einen Brief an Eutelsat, um die Firma zu ermutigen, zu den Grundwerten der Menschenrechte zu stehen und den Vertrag mit NTD-TV zu verlängern.

Michael Gahler, EU-Abgeordneter der CDU Hessen, zeigte sich dem Fall verbunden. Der Vize-Präsident des Entwicklungsausschusses im EU Parlament hat zum traditionellen Neujahr schon wiederholt Glückwunsche an die chinesischen Zuschauer von NTD-TV gerichtet. Er hofft, dass Eutelsat die Grundwerte Europas nicht fallen lassen wird. Im anderen Falle, auch da Eutelsat von EU-Mitteln profitiert, werden sich sicherlich einige EU-Politiker dafür einsetzen, dass Eutelsat von der EU nicht weiter gefördert wird.



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