Wie NGOs in Europa Politik machen

Die EU investiert Milliarden in NGOs, um sogenannte europäische Werte zu verbreiten und Bürgerbeteiligung zu fördern. Kritiker werfen Brüssel jedoch vor, über diese Organisationen gezielt Einfluss auf nationale Regierungen zu nehmen und politische Agenden durchzusetzen. Ein neuer Bericht des ungarischen Think-Tanks MCC wirft brisante Fragen auf.
Der EU drohen US-Zölle auf Importe (Archivbild)
Nutzt die EU-Kommission NGOs zum Lobbyismus in eigener Sache? Foto:Foto: Zhang Cheng/Xinhua/dpa
Von 24. März 2025

In Deutschland hatte vor der Bundestagswahl der Vorstoß der Union Aufsehen erregt, Fragen über die Rolle sogenannter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und deren Finanzierung zu stellen. Demonstrationen gegen CDU und CSU ließen in deren Reihen Zweifel daran aufkommen, ob diese tatsächlich unabhängig von der Regierung wären – oder vielmehr deren Meinungsverstärker. Eine ähnliche Debatte könnte es nun auf Ebene der EU geben.

Der ungarische Think-Tank MCC hat jüngst einen Bericht veröffentlicht, demzufolge die EU jährlich eine dreistellige Millionensumme für sogenannte zivilgesellschaftliche Arbeit zur Verfügung stelle. Diese diene der Verbreitung der „europäischen Werte“ und der Lobbyarbeit in eigener Sache. Allerdings, so der Vorwurf, richte sich diese teilweise proaktiv gegen gewählte Regierungen in Mitgliedstaaten – und die Überzeugungen der Mehrheit ihrer Bürger.

NGOs treibende Kraft in der Politik

Bereits im Jahr 2011 hatte John Fonte vom US-amerikanischen Thinktank Hudson Institut das Modell der NGOs als treibende Kraft in der Politik thematisiert. In seinem Buch „Sovereignty or Submission: Will Americans Rule Themselves or be Ruled by Others?” sah er dieses als ein typisches Merkmal der europäischen Demokratie. Gleichzeitig sei es ein fundamentales Gegenmodell zu den konstitutionell-republikanischen Modellen der USA, aber auch Israels.

NGOs spielten Fonte zufolge eine führende Rolle bei der Entmachtung souveräner Staaten und deren demokratischer Ordnungen zugunsten supranationaler Institutionen – wie der UNO oder der EU. Die NGOs nützten Medien und Lobbyismus als Einflussoptionen, weil ihre Agenda meist zu radikal sei, um auf nationaler Ebene mehrheitsfähig zu sein.

Allerdings wäre Einfluss auf supranationale Einrichtungen wie die EU-Kommission, aber auch auf Gerichte ein Weg, um die nicht mehrheitsfähigen Agenden im Top-Down-Weg durchzusetzen. Im Fall der EU würden die dortige Bürokratie und die NGOs ein gleiches Interesse daran haben, widerspenstige Nationalstaaten zu disziplinieren.

NGO-Strategie der EU seit 1999

Der MCC-Bericht setzt den Beginn der NGO-Strategie in Brüssel im Jahr 1999 an, als die EU-weite Beteiligung an den Europawahlen auf unter 50 Prozent stürzte. Unter dem Eindruck der „demokratischen Ernüchterung“ und der zunehmenden Skepsis gegenüber der EU und ihrer Politik entwarf die Kommission ein Papier.

Der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi und sein Vize Neil Kinnock schlugen vor, dass NGOs die „Graswurzelarbeit“ für die „immer engere Union“ übernehmen sollten. Es solle „europäische NGOs“ geben, die eine „europäische öffentliche Meinung“ formieren sollen. Ihre Teilorganisationen sollten auf nationaler Ebene als Kommunikationskanäle für die Kommission fungieren.

Rückschläge wie das Nein der Franzosen und Niederländer zur „Europäischen Verfassung“ 2005 und der Iren zum Lissabon-Vertrag 2008 zeigten, dass der Erfolg des Projekts überschaubar blieb. Der weitere Vertrauensverlust in der Zeit der Eurokrise animierte die EU, das Programm „Europe for Citizens“ zu lancieren.

Druck für mehr Klimaschutz machen

Im siebenjährigen Finanzplan von 2014 bis 2020 waren für dieses Programm, das NGOs umsetzen sollten, bereits 229 Millionen Euro vorgesehen. Im mehrjährigen Budget für 2021 bis 2027 sind für das Programm „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ (CERV) bereits 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, wobei allein für das laufende Jahr 236 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Insgesamt ist mittlerweile bereits ein Budget von mehr als 45 Milliarden Euro für den Posten „Resilienz und Werte“ vorgesehen – etwa fünf Prozent des Gesamtetats von mehr als einer Billion Euro. Dabei geht Brüssel auch gegenüber Mitgliedstaaten immer härter vor. So wurden gegenüber Ungarn und gegenüber Polen in der Zeit der PiS-Regierung Milliarden an zugesagten Coronahilfen zurückgehalten, weil diese Brüssels Verständnis von „Rechtsstaatlichkeit“ nicht genügten.

Dort, wo es den Zielen der EU-Kommission entgegenkommt, räumt diese gleichzeitig NGOs weitreichende Rechte ein. So weitete das EU-Parlament auf ihre Initiative hin 2021 die Klagerechte wegen Umweltverstöße für Bürger und NGOs aus. Erst vor wenigen Wochen enthüllten „De Telegraaf“ und „Le Point“, dass der ehemalige EU-Kommissar Frans Timmermans ein System zur Finanzierung von Umwelt-NGOs organisiert haben soll. Diese sollten in weiterer Folge die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Mitgliedstaaten zugunsten des Green Deal beeinflussen. Dafür sollen 5,5 Milliarden Euro geflossen sein.

Dreistellige Millionensumme für sexuelle Revolution und Gender-Agenda

Neben einer weitreichenden Klima-Agenda ist auch die sexuelle Identität einer der Schwerpunkte, wenn es um die Behauptung der „europäischen Werte“ nach innen und außen geht. Zwischen 2014 und 2023 hat die EU einem anderen MCC-Bericht zufolge mehr als 221 Millionen Euro für Programme zur Verfügung gestellt, die damit in Verbindung stehen.

Davon gingen allein 64,95 Millionen Euro an die Organisation ILGA Worldwide, die im globalen Rahmen der Akzeptanz von „Gender-Identitäten“ Geltung verschaffen will. ILGA Europe bekam 16 Millionen Euro, die internationale LGBTQ*-Organisation IGLYO sechs Millionen Euro. Weitere 4,6 Millionen gingen an Transgender Europe, das Lesbische Feministische und Intersektionale Netzwerk erhielt 6,2 Millionen Euro und die Organisation Intersex International Europe 1,2 Millionen Euro.

Die Autorin des MCC-Berichts, Ashley Frawley, erklärte dazu, dass es den Organisationen nicht nur darum gehe, das Leben von Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Vielmehr versuchten diese, einer breiten Bevölkerung die Akzeptanz von Weltbildern, Wertvorstellungen und Sprachregelungen aufzuzwingen, die in vielen EU-Staaten nicht mehrheitsfähig seien.

Traditionelle religiöse Überzeugungen als Karrierehindernis

Die LGBTQ*-Strategie der EU für 2020 bis 2025 habe selbst die radikalsten Forderungen dieser Gruppen wie das „Prinzip der Selbstidentifikation in jedem Lebensalter“ aufgenommen.

Bereits seit mehr als 20 Jahren zeichnet sich jedoch eine zunehmende Entfremdung vor allem traditionell religiöser Gruppen und der EU ab. Im Jahr 2004 wurde der damalige Kandidat für das Amt des Justizkommissars, Rocco Buttiglione, zum Rückzug gezwungen. Der Grund dafür war, dass er sich öffentlich zur katholischen Sexuallehre bekannt hatte, was ihm als „homophob“ angelastet wurde. Buttiglione hatte stets betont, geltende EU-Vorgaben als Amtsträger beachten zu wollen.

Auch jetzt gehe die Stoßrichtung der von der EU geförderten NGOs in Richtung einer Anprangerung aller Mitgliedstaaten, die sich ihrer Agenda verschließen. So bewertet ILGA-Europe in ihrer „Rainbow Map“, inwieweit diese den Forderungen bereits nachgekommen seien. Das MCC spricht von „kulturellem Imperialismus“ und einem Instrument der EU, Zensur voranzutreiben.

Feindbild Russland als weitere Säule der „Werte“-Kampagne

Ein weiterer Schwerpunkt in der NGO-Politik der EU ist das Beschwören der „Ukraine-Solidarität“ und der Bekämpfung von „Desinformation“. Russland war durch die europäische Politik bereits im Laufe der 2010er Jahre systematisch zum Feindbild aufgebaut worden. Der russisch-ukrainische Krieg 2022 ist für die EU Anlass, mittlerweile auch ein noch nie gekanntes Hochrüstungsprogramm zu initiieren.

Auf NGO-Ebene fördert Brüssel bereits seit Mitte der 2010er Jahre Einrichtungen wie das Royal United Services Institute (RUSI), RUSI Europe, das Istituto Affari Internazionali (IAI) oder die International Crisis Group mit bis zu dreistelligen Millionenbeträgen. Alle diese Organisationen betonen eine russischen Bedrohung und treten für ein militärisch hochgerüstetes Europa ein.

Der Kampf gegen vermeintliche Desinformation in der EU hat unterdessen nicht mehr nur Verfahren gegen Social-Media-Plattformen nach dem Digital Services Act zur Konsequenz. Die EU-Kommission hat dieses Gesetz gezielt auch so gestaltet, dass NGOs ein weitgehendes Recht für Zugriff auf Daten der Unternehmen zu „Forschungszwecken“ haben.

In Rumänien hat das Vorgehen gegen angebliche Desinformation mittlerweile so weit geführt, dass unter Bezugnahme auf TikTok-Werbekampagnen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen annulliert wurde. US-Vizepräsident JD Vance wertete dies auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) als Ausdruck zunehmender autoritärer Tendenzen in der EU. Er betonte:

Wenn eure Demokratie mit ein paar Hunderttausend Dollar aus dem Ausland gefährdet werden kann, dann war sie von Anfang an nicht sehr stark.“

EU-Kommission betont Transparenz und Konsens

Gegenüber der englischsprachigen Epoch Times äußerte ein Sprecher der Europäischen Kommission, das CERV-Programm sei „eines der wichtigsten Instrumente zum Schutz und zur Verankerung der Rechte und Werte in den Verträgen“.

Es sei von den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament vereinbart. Das Programm ziele darauf ab, „die Gleichstellung zu fördern und Ungleichheit und Diskriminierung zu bekämpfen“. Bezüglich der von unabhängigen Experten vorgelegten Vorschläge würden „strenge Bewertungsverfahren“ durchgeführt. Die Finanzierung erfolge „in voller Transparenz und im Einklang mit der Haushaltsordnung“.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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