Wer hat das Sagen? Brüssel ruft Polen auf EU-Recht anzuerkennen

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Europaflaggen wehen vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel.Foto: Michael Kappeler/dpa/dpa
Epoch Times10. Juni 2021

Die EU-Kommission hat die polnische Regierung aufgefordert, den Vorrang von europäischem vor nationalem Recht anzuerkennen. EU-Justizkommissar Didier Reynders wandte sich nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP vom Donnerstag mit einem entsprechenden Schreiben an Europaminister Konrad Szymanski.

Anlass ist eine Aufforderung von Regierungschef Mateusz Morawiecki an das polnische Verfassungsgericht, über den Vorrang der nationalen Verfassung vor EU-Recht zu entscheiden.

Morawiecki hatte Ende März das polnische Verfassungsgericht um eine Entscheidung zu der Frage ersucht. Anlass war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen die umstrittenen Justizreformen der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Die Forderung des polnischen Regierungschefs stelle „grundlegende Prinzipien des EU-Rechts „infrage, heißt es in dem Schreiben von Reynders vom Mittwoch, das AFP vorliegt. Der Justizkommissar sah dabei „insbesondere den Vorrang des europäischen Rechts vor nationalem Recht“ sowie die „die Autorität des EU-Gerichtshofs“ in Gefahr.

Karlsruhe stufte EZB-Anleihekäufe als teils verfassungswidrig ein – Morawiecki begrüßte Urteil

Ähnlich hatte die Kommission am Mittwoch argumentiert, als sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hatte. Dabei ging es um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 zu Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank. Sie wurden von Karlsruhe teilweise als verfassungswidrig eingestuft, obwohl der Europäischen Gerichtshof in der Sache schon entschieden hatte.

Brüssel sieht das deutsche Urteil als „schwerwiegenden Präzedenzfall“, der die „Integrität des Unionsrechts“ bedrohe. Morawiecki hatte die deutsche Justizentscheidung dagegen vergangenes Jahr als „eines der wichtigsten Urteile in der Geschichte der Europäischen Union“ bezeichnet.

Polen droht Vertragsverletzungsverfahren

Im Falle Polens verlangte die EU-Kommission nun die Rücknahme der Entscheidungsaufforderung an das nationale Verfassungsgericht. Warschau bekam dabei einen Monat Zeit, um auf die Vorwürfe aus Brüssel zu antworten. Lenkt die polnische Regierung nicht ein, droht nach dem Schreiben auch ihr ein Vertragsverletzungsverfahren. Es kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen.

Wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze steht Polen in der EU seit Jahren am Pranger. Die EU-Kommission wirft der rechtsnationalen Regierung in Warschau vor, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit von Richtern zu gefährden. Sie hat bereits eine ganze Reihe von Vertragsverletzungsverfahren angestrengt. Zudem läuft gegen Warschau ein Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. (afp)



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