Wer gewinnt die Wahlen in Frankreich und Ungarn?

Im April werden gleich zwei europäische Nationen ihre Präsidenten und Parlamente neu wählen. In Frankreich träumt der derzeitige Präsident Macron von einer zweiten Amtszeit – in Ungarn hadert Orbán mit einer massiven Opposition.
Titelbild
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (links) spricht mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (rechts) vor einer Plenarsitzung in Brüssel am 21. Februar 2020.Foto: ARIS OIKONOMOU/AFP via Getty Images
Von 20. Februar 2022

Frankreich wird im April einen neuen Präsidenten wählen. Die Wahl ist geprägt von Uneinigkeit über die Corona-Maßnahmen, dem wirtschaftlichen Gleichgewicht des Landes, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Frage der nationalen Identität.

Jeder Vierte würde Macron wählen

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron strebt eine zweite Amtszeit im Élysée-Palast an – nach den neuesten Umfragen vom „Economist“ liegt die Zustimmung für ihn bei 79 Prozent. Das liberale Medium hat zur Erfassung ein statistisches Prognosemodell entwickelt, das auf Umfragen und Meinungsforschern basiert und täglich aktualisiert wird. 

Nach der Verfassung der Fünften Französischen Republik findet die Wahl in zwei Runden statt. In der ersten Runde, die am 10. April erfolgt, treten alle offiziellen Kandidaten gegeneinander an. Die beiden Erstplatzierten gehen am 24. April in die Stichwahl.

Sollte Macron erfolgreich sein, wäre er der erste Präsident seit Jacques Chirac, der die Wiederwahl gewinnt. Die aktuellen Umfrageergebnisse zur ersten Runde zeigen, dass Macron mit 24 Prozent vorne liegt. Auf dem zweiten Platz steht momentan die konservative Marine Le Pen mit 17 Prozent, gefolgt von der liberalen Valérie Pécresse mit 15 Prozent im Gleichstand mit dem ebenfalls konservativen Éric Zemmour.

„Politico“ prognostiziert mit 25 Prozent ähnliche Werte für den regierenden Präsidenten. Le Pen liegt hier auch bei 17 Prozent, Pécresse bei 15, Zemmour jedoch nur bei 14 Prozent.

Pécresse: „Ein Drittel Thatcher und zwei Drittel Merkel“

Valérie Pécresse, die als Außenseiterin im Präsidentschaftswahlkampf angesehen wird, erlitt kürzlich einen Rückschlag, nachdem Nicolas Sarkozy es ablehnte, an ihrer bevorstehenden Kundgebung in Paris teilzunehmen.

Im Gegensatz dazu hat Macron durch die Unterstützung von Éric Woerth, einem der Arbeits- und Haushaltsminister in den von Sarkozy geführten Regierungen, Rückenwind erhalten. Die Ankündigung warf „Fragen über die mögliche Haltung von Sarkozy bei der Wahl“ auf, so „France 24“.

Die Kandidatin der Mitte-Rechts-Partei Républicains, Pécresse, erklärte ihre Kandidatur im Juli 2021 nach der parteiinternen Vorwahl. Versehen mit dem Spitznamen „Bulldozer“ erklärte sie, dass sie die erste weibliche Präsidentin Frankreichs sein will. Sie beschrieb sich selbst als „ein Drittel Thatcher und zwei Drittel Merkel“.

Ihre Richtung ist jedoch eher der politischen Rechten zuzuordnen. „Ich möchte, dass die Franzosen wieder die Oberhand gewinnen, wir müssen die französischen Interessen in Europa verteidigen“, sagte sie Anfang Februar.

Pécresse ist kritisch gegenüber Deutschland und der EU

Während Macron am EU-freundlichsten unter den Kandidaten zur Präsidentschaftswahl ist, betont Pécresse ihre zunehmend kritische Haltung gegenüber der EU – und Deutschland.

„Wenn ich mir Europa anschaue, habe ich das Gefühl, dass diejenigen, die wirklich die Macht in Europa haben, die NGOs und die Deutschen sind“, sagte sie.

Sie beklagte dabei, dass Frankreich bei der Einführung der Kohlenstoffsteuer zu kurz gekommen sei. „Die Kohlenstoffsteuer sollte 15 Milliarden Euro einbringen und das Konjunkturpaket der EU finanzieren, stattdessen werden wir nur 800 Millionen Euro bekommen“, erklärte sie. „Und warum? Wahrscheinlich, weil die deutsche Industrie mehr verschmutzt und sich für eine Senkung eingesetzt hat.“

Frankreich setzt sich seit Jahren für die neue Abgabe ein, die auf kohlenstoffintensive Importe abzielt, schreibt „Politico“, während Deutschland eine eher widersprüchliche Haltung eingenommen hat. 

Pécresse kritisiert jedoch nicht nur die Energiepolitik der EU, sondern auch deren Strategie in Sachen Migration. Die EU-Migrationspolitik hat sie im französischen Fernsehen als „Migrations-Waterloo“ bezeichnet. Sie behauptete, dass im Jahr 2021 über 40 Millionen Migranten illegal in die EU gelangten. Die offizielle Zahl der Europäischen Kommission beträgt rund 200.000.

Sie sagte, Europa habe „das Recht zu wählen, wen es aufnimmt“. Den Bau von Mauern dürfe man daher an den Außengrenzen nicht ausschließen.

Wahl in Ungarn: Orbán liegt bei 49 Prozent

Beinahe zeitgleich, am 3. April, finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. Das Rennen zwischen der regierenden Fidesz-Partei und der Koalition aus Oppositionsparteien ist jedoch viel enger als in Frankreich.

Laut einer Umfrage von „Politico“ liegt die Partei von Premierminister Viktor Orbán bei 49 Prozent, die Koalition „Gemeinsam für Ungarn“ mit Péter Márki-Zay etwa bei 45 Prozent. Letztere besteht aus den größten Oppositionsparteien Ungarns, einschließlich der Sozialistischen Partei und Jobbik, der rechtskonservativen Nationalpartei. 

Das Ziel der höchst ungewöhnlichen Allianz ist der Regierungswechsel – im Klartext: der Umsturz von Orbán. Die einzelnen Parteien innerhalb der Koalition repräsentieren die unterschiedlichsten politischen Richtungen von mildem Kommunismus (MSZP) und linken Grünen (LMP) bis zum radikalen Nationalismus (Jobbik).

Ziel ist es, in jedem der 106 Wahlkreise einen Kandidaten gegen den von Fidesz aufzustellen. Im Falle eines Wahlsiegs wollen die Parteien auf Grundlage eines gemeinsamen Programms regieren.

Sie wollen „die Verwirklichung eines dauerhaften und lebensfähigen Ungarns, in dem Meinungsverschiedenheiten diskutiert und bewältigt werden können.“

Der Kandidat der Opposition: Péter Márki-Zay

„Magyar Nemzet“, eine regierungsnahe ungarische Zeitung, gab bekannt, dass die landesweit repräsentativen Umfragen Orbán im Rennen um das Amt des Premierministers klar vorne sehen, und zwar mit 58 Prozent. Seinen Gegner, Péter Márki-Zay, möchten etwa 24 Prozent der Bevölkerung im Amt des Premiers sehen.

Die Popularität von Márki-Zay, der die volle Unterstützung des ehemaligen Premiers Ferenc Gyurcsány genießt, ist in der letzten Umfrage gesunken.

Erst kürzlich sprach er von den sprunghaften Einstellungen von Orbán, der am Anfang seiner Karriere ein Befürworter der EU und ein Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin war und heute genau die gegensätzliche Richtung vertritt.

Er könne diese Veränderungen nicht nachvollziehen. „Aber das, was Viktor Orbán in einer Person verkörpert – diese Regenbogenkoalition aus Liberalen, Kommunisten, Konservativen und Faschisten –, vertreten wir in der Allianz getrennt. Als vernünftiger Mensch kann jeder seine eigene Weltsicht, seine eigene Position behalten.“

Sein Kommentar überraschte die ungarischen Medien, vor allem die Erwähnung, dass die Koalitionspartei anscheinend auch „Faschisten“ vertrete. Journalisten wollten der Sache nachgehen – der Kandidat der Opposition blieb bis zum Redaktionsschluss jedoch eine Antwort schuldig.



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