„Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“: Österreich bringt Reform der Mindestsicherung auf den Weg
In Österreich wurden am Mittwoch Details zur Reform der Mindestsicherung durch die Regierung bekannt gegeben.
Es gibt Kürzungen in mehreren Bereichen, die nach Angaben der „Krone“ hauptsächlich auf Ausländer und vor allem Flüchtlinge abzielen würden. Subsidiär Schutzberechtigte sollen überhaupt keine Sozialhilfe mehr bekommen. Für Asylbewerber gibt es ohnehin keine Mindestsicherung. Für sie gilt die Grundversorgung.
„Wir haben eine massive Zuwanderung in das System der Mindestsicherung“, kritisierte Kanzler Kurz am Mittwoch im ORF2. Die Reform sei eine „dringend notwendige“.
Die Reform des Arbeitslosengeldes wurde indes ausgelagert und soll erst in einigen Monaten behandelt werden.
Soziale Ungerechtigkeiten
Im Gespräch mit „ZiB 2“ brachte der Kanzler ein Beispiel: Ein Familienvater arbeitet als Verkäufer und verdient 1.500 Euro netto im Monat, ist verheiratet, die Frau ist zu Hause, das Paar hat drei Kinder. Mit dem 13. und 14. Monatsgehalt und Familienbeihilfe käme er auf einen Verdienst von 2.500 Euro netto im Monat.
Im Gegensatz dazu käme ein Mindestsicherungsempfänger mit drei Kindern nach dem alten Modell auf 2.600 Euro im Monat, so Kurz.
Das heißt, dass die Familie, wo niemand arbeiten geht, besser aussteigt als jene, wo einer 40 Stunden pro Woche arbeiten geht.“
Dies sei ein absurdes System und „Gift für die Gesellschaft“, so der österreichische Bundeskanzler.
Künftig soll die Familie des Verkäufers rund 2.700 Euro zum Leben haben und die Familie mit der Mindestsicherung wird auf 2.200 Euro gesenkt.
Ich persönlich finde das nur gerecht, dass Menschen, die arbeiten gehen, künftig mehr bekommen als Menschen, die nicht arbeiten gehen.“
Wer arbeiten geht, dürfe laut Kurz „nicht der Dumme sein“. Die Reform der Mindestsicherung solle keine „Verwaltung der Arbeitslosigkeit“ sein, sondern den Arbeitsmarkt attraktiver machen.
Ich bin dafür, dass wir denen helfen, die Hilfe brauchen und die unterstützen, die es verdient haben. Aber der, der arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein.“
Wie die „Krone“ berichtet, verwies Kurz auch darauf, dass die Reform der Mindestsicherung keine „Verwaltung der Arbeitslosigkeit“ sein, sondern den Arbeitsmarkt attraktiver machen soll.
Gesetzentwurf mit sechs Wochen Ansicht
Im Laufe der Woche sol der genaue Gesetzesentwurf folgen. Sechs Wochen lang kann dieser dann begutachtet werden. Die Höchstbeträge für Einzelpersonen sollen 863 Euro und für Paare 1.208 Euro betragen. In teuren Städten könne es zusätzliche Sachleistungen bis zu 30 Prozent der Mindestsicherung darüber hinaus geben.
Kanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Strache (FPÖ) bezeichneten das Modell als fair und verwiesen besonders auf Arbeitsanreize für die Bezieher hin.
Ohne Sprachkenntnisse und Schulabschluss weniger Geld
Einschnitte müssen demnach Menschen hinnehmen, die sich sprachlich nicht anpassen können, also schlecht Deutsch oder Englisch sprechen und keinen österreichischen Pflichtschulabschluss haben. Hier sinken die staatlichen Zuwendungen von bisher 863 Euro auf 560 Euro monatlich, wovon ein Drittel etwa für Wohnkosten angedacht sind. Darüber hinaus soll es einen Zuschlag von bis 168 Euro geben können.
Im Zweifelsfall müssen die Betroffenen ohne Schulabschluss ihre Sprachkenntnisse beim Integrationsfonds oder bei der jeweiligen Behörde nachweisen. Dies betrifft auch Österreicher ohne Schulabschluss.
Rund ein Drittel der Sozialhilfebezieher in Österreich sind Flüchtlinge, etwa die Hälfte der Bezieher haben keinen österreichischen Pass und etwa 60 Prozent besitzen einen Migrationshintergrund, so das Sozialministerium, in Wien sogar 70 Prozent.
Für Ausländer aus der EU soll es eine fünfjährige Wartefrist geben.
Familien in Österreich
Für Großfamilien mit vielen Kindern trifft dies besonders zu, da für die Kinder die Bezüge „degressiv“ gestaltet würden. Statt wie bisher meist mehr als 200 Euro pro Kind, soll nun für das erste Kind 215 Euro, das zweite 130 Euro und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro überwiesen werden.
Alleinerziehende sollen hier Zuschläge bekommen, die die Kürzungen abfedern.
Nach Angaben des „Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien (PDF)“ waren 2016 in Österreich von rund 3,8 Millionen Haushalten 1,4 Millionen Single-Haushalte und fast 1,2 Millionen Haushalte mit zwei Personen. Knapp 600.000 Haushalte hatten drei Personen und 450.000 vier Personen aufzuweisen. Ab fünf Personen fiel die Statistik schon rapide auf 240.000 Haushalte ab.
Menschen mit Behinderung soll es künftig 155 Euro im Monat mehr geben. „Wir sind in manchen Bereichen ein Stück großzügiger geworden“, so Kurz. (sm)
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