Wenn Geld fast keine Rolle spielt: Kanton Zug will Bürger noch weiter entlasten
Während in den Haushalten von Kommunen, Ländern und Bund in Deutschland für gewöhnlich riesige Lücken klaffen, weiß der winzige Schweizer Kanton Zug offenbar kaum noch wohin mit seinem Geld. Wie das „Schweizer Radio und Fernsehen“ (SRF) berichtet, nimmt der Kanton regelmäßig weit mehr ein, als er ausgibt: Der zwischen Zürich und Luzern gelegene Landstrich sitze derzeit deshalb auf einem Eigenkapitalberg von etwa 2,35 Milliarden Franken, ungefähr 2,41 Milliarden Euro.
Das Geld wurde auf einer Fläche von knapp 240 Quadratkilometern eingenommen. Das entspricht nicht einmal einem Zehntel der Fläche des Saarlandes. Allein im Kalenderjahr 2023 hatte der Kanton einen Überschuss von 461,3 Millionen Franken erzielt – Tendenz stetig steigend.
Obwohl die Einkommensteuersätze vor Ort schon jetzt die niedrigsten in der gesamten Schweiz sind, denkt die Kantonsregierung seit Monaten über noch mehr finanzielle Wohltaten für seine rund 130.000 Einwohner nach. Rechnet man das aktuelle Geldvermögen des Kantons pro Kopf um, so könnte man jedem Einwohner auf einen Schlag etwa 18.000 Franken auszahlen. Erst dann wären die Kassen leer.
So weit will Regierungsrat Heinz Tännler (SVP), der Finanzdirektor des Kantons, aber nicht gehen: Nach Angaben der Kantonalen Verwaltung Zug sollen ab 2026 die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Rentner und für Krankenkassenbeiträge erweitert und der „Kantonssteuerfuss“ für natürliche und juristische Personen noch weiter gesenkt werden. Einen Teil der Überschüsse soll auch für Abwasser- und Entwässerungsprojekte in den Gemeinden beiseitegelegt werden.
Unter dem Motto „Mehrwert für alle“ beschloss der Regierungsrat von Zug in der vergangenen Woche ein entsprechendes „Revisionspaket“ (PDF). „Regierung und Parlament ist es wichtig, dass wir nicht zu viel Geld auf Vorrat einnehmen“, sagte Tännler dazu nach Angaben des SRF.
Höhere Pauschalabzüge vor Steuern geplant
Verheiratete Altersruhegeldempfänger oder alleinlebende Rentner mit mindestens einem Kind im Haushalt, die ein jährliches Reineinkommen von bis zu 120.000 Franken verbuchen und ein Vermögen bis zu 400.000 Franken besitzen, sollen demnach jedes Jahr 6.000 Franken von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen können – deutlich mehr als bisher. Für die Zuger Kantonsregierung ist das eine Antwort auf die steigenden Lebenshaltungskosten.
Denselben erhöhten Abzug von 6.000 Franken will der Kanton auch den übrigen Steuerpflichtigen gewähren, sofern diese nicht mehr als 60.000 Franken jährlich erzielen. Damit könne der Überschuss aus dem Kantonshaushalt auch Ledigen „ohne minderjährige bzw. unterstützte Kinder“ zugutekommen, heißt es im Protokoll zum Revisionspaket. Besonders hohe Belastungen für den eigenen Etat erwartet die Kantonsregierung nicht: In vier Jahren würden die Gemeinden lediglich acht Millionen Franken, der Kanton selbst 10,4 Millionen weniger einnehmen.
Wegen der ebenfalls gestiegenen Krankenkassenbeiträge soll es auch den versicherten Prämienzahlern erlaubt werden, mehr Geld von der Steuerlast abzuziehen. Je nach familiären Verhältnissen sollen ab 2026 4.600 bis 13.800 Franken jährlich abziehbar sein, zuzüglich 1.600 pro Kind. Bisher hatten die Höchstsätze des steuerlichen Krankenkassenfreibetrags bei 10.200 Franken und 1.100 Franken pro Kind gelegen. Das Freibetragsplus beträgt pro Person ab 2026 somit mindestens 1.200 Franken im Jahr. Dafür müssen die Gemeinden jährlich auf 4,9 Millionen und der Kanton auf 6,5 Millionen Franken verzichten.
Allgemeine Steuersenkung per „Kantonssteuerfuss“
Im Kanton Zug beträgt der sogenannte „Steuerfuss“ derzeit 82 Prozent. In den Jahren 2026 bis 2029 soll er nur noch bei 78 Prozent liegen. Mit anderen Worten: Der Kanton verzichtet vier Jahre lang freiwillig auf 22 statt wie bisher auf 18 Prozent seines kantonalen Steuer-Grundtarifs. Für den kantonalen Haushalt wird dadurch mit Mindereinnahmen in Höhe von 224 Millionen Franken gerechnet.
Beim Steuerfuss handelt es sich nach Angaben des Onlinevergleichsdiensts „Moneyland“ um einen Berechnungsfaktor, „mit dem die einfache Staatssteuer multipliziert werden muss, um die tatsächlich geschuldete Staatssteuer zu ermitteln“.
Krankenhausaufenthalte ab 2026 fast komplett zulasten der Kantonskasse
Bereits vor einigen Tagen hatte die Zuger Kantonsregierung laut SRF angekündigt, die Kosten für Krankenhausaufenthalte in den beiden Jahren 2026 und 2027 zu 99 Prozent aus dem Steuersäckel zu bezahlen, um niedrigere Prämien für seine Bürger zu erreichen. In anderen Kantonen sei eine solche Kostenbeteiligung ebenfalls üblich, allerdings „nur“ zu mindestens 55 Prozent. Die beinahe komplette Übernahme der stationären Kosten durch den Kanton Zug solle die Bürger pro Kopf um durchschnittlich 700 Franken pro Jahr entlasten. Das entspreche einer Kürzung der Beitragsprämien von 18 Prozent.
Möglich gemacht hatte den Geldregen nach Informationen des SRF ein gescheitertes Bauvorhaben: Ursprünglich hatte der Kanton geplant, zwei Milliarden Franken in ein Tunnelprojekt zur Verkehrsentlastung zu stecken. Doch seit die Bürger am 3. März 2024 zum vierten Mal dagegen gestimmt hatten, sucht der Kanton nach anderen Verwendungsmöglichkeiten für seinen Steuerschatz.
Das etwas andere Steuersystem
In der Schweiz hat der Bund im Hinblick auf Steuerpolitik deutlich weniger Gewicht als in Deutschland. Der Bund darf nach Angaben der Schweizerischen Steuerkonferenz (PDF, Seite 6) unter anderem den Mehrwertsteuersatz, die Verrechnungssteuer, die Zölle oder besondere Verbrauchssteuern wie jene auf Tabak- oder Mineralölprodukte oder die „direkte Bundessteuer“ erheben, um Einnahmen zu erzielen.
Die Bundessteuer wird lediglich auf Einkommen der natürlichen Personen und auf den Gewinn der juristischen Personen fällig. Bei einem „steuerbaren Einkommen“ von 40.000 Franken pro Jahr beträgt sie nach der Tariftabelle 2024 des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) für einen Alleinstehenden derzeit 200,41 Franken. Wer über 100.000 Franken Einkommen verfügt, zahlt jährlich deutlich mehr, nämlich 2.736,50 Franken.
Für Verheiratete und „Einelternfamilien“ wird es allerdings günstiger: Sie müssen bei 40.000 Franken Jahreseinkommen nur 107,00 Franken Bundessteuer im Jahr zahlen, bei 100.000 Franken genau 1.858,00. Wer jährlich mehr als 950.000 Franken an steuerbarem Einkommen erzielt, wird einheitlich mit 11,5 Prozent Bundessteuer zur Kasse gebeten.
Die vorwiegend aus Wettbewerbsgründen bedeutendere Steuergesetzgebungsmacht besitzen die Kantone, eine mit den deutschen Bundesländern vergleichbare Verwaltungseinheit. „Jeder der 26 Kantone hat sein eigenes Steuergesetz und belastet Einkommen, Vermögen, Erbschaften sowie andere Steuerobjekte höchst unterschiedlich“, erklärt das EFD – und das alles zusätzlich zur Bundessteuer. Seit Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform STAF am 1. Januar 2020 erhalten die Kantone zudem einen höheren Anteil an den Erträgen der direkten Bundessteuer, nämlich 21,2 statt 17,0 Prozent.
Die über 2.100 Gemeinden des Alpenstaats besitzen laut EFD ebenfalls eine eigene Steuerhoheit, die allerdings stets einer Ermächtigung durch den Kanton bedarf.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung bietet auf ihrer Website einen Steuerrechner an.
Was ist am Kanton Zug so besonders?
Überall in der Schweiz werden die Sätze jährlich neu festgelegt. Der Kanton Zug gehört nach Angaben des ehemaligen Generalsekretärs der Zuger Volkswirtschaftsdirektion, Gianni Bomio, zu jenen Kantonen, in denen seit den 1950er-Jahren die niedrigsten Steuersätze verlangt werden.
Bei einem steuerbaren Einkommen von jährlich 150.000 Franken beträgt die Einkommensteuer je nach Zug-Gemeinde nach Angaben der Zuger Anwaltskanzlei Reichlin Hess derzeit um die zehn Prozent, die Vermögensteuer liegt höchstens bei 0,21 Prozent. Zum Vergleich: Die Stadt Zürich nimmt von 150.000 Franken Einkommen über 17 Prozent ab, die Vermögensteuer endet dort bei 0,47 Prozent. Die aus steuerlicher Sicht kostspieligsten Wohnorte lagen 2022 nach Angaben von „Steuerhilfe.de“ in Genf und im Kanton Basel-Landschaft.
Für Gewinn- und Kapitalsteuern von Unternehmen kassiert die Stadt Zug derzeit 11,8 beziehungsweise 0,07 Prozent. Die Steuerlast dafür wäre in Zürich mit 19,6 respektive 0,17 Prozent beinahe doppelt so hoch. Zudem werden laut Kanzlei Reichlin Hess im Kanton Zug nur zwei Prozent des Eigenkapitals angerechnet, das „auf qualifizierende Beteiligungen, Konzerndarlehen und Patente entfällt“.
Solvente Firmen und Privatleute bringen den Reichtum
„Internationale Konzerne, von den attraktiven Steuersätzen angezogen, sorgen für die prall gefüllte Kasse“ in Zug, heißt es in einem Beitrag der SRF-„Tagesschau“ vom 15. Juli 2024. Finanzdirektor Tännler bestätigte bereits Anfang März im SRF: „Die gute Ausgangslage verdanken wir finanzstarken Firmen und vermögenden Personen, die viel Steuern abliefern.“
Doch nicht allen Zugern gefällt das: Die grüne Nationalrätin Manuela Weichelt etwa befürchtet einen Bevölkerungszuzug insbesondere vermögender Personen zum finanziellen Schaden der zurückgelassenen Kantone. Zugleich fehle vor Ort bezahlbarer Wohnraum für die alteingesessenen Zuger. Weichelt fordert deshalb, dass der Kanton vermehrt in Wohnungsbau investieren solle. Finanzdirektor Heinz Tännler will dafür im Herbst 2024 einen Maßnahmenplan vorlegen.
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