Weniger Ideologie bei Klima und Energie? EU legt „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ vor
Steht Europa vor einer Kehrtwende in der Energiepolitik? Am kommenden Mittwoch, 29. Januar, will die EU-Kommission ein Programm der Öffentlichkeit präsentieren, das den Titel „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ trägt. Bereits der Titel deutet an, dass man diese in Brüssel nicht mehr unbedingt als gewährleistet ansieht.
Noch 2019 stand die Antrittsrede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ganz im Zeichen des „Green Deal“. Im März 2029 lud sie sogar „Fridays for Future“-Initiatorin Greta Thunberg zur Präsentation des „EU-Klimagesetzes“ ein. Europa solle bis 2050 zum „ersten klimaneutralen Kontinent“ werden. Seither hat Brüssel mehrere Dutzende weitreichende Vorgaben dazu verabschiedet.
Von der Leyen: Klimaschutz „immer noch ganz oben auf der Agenda“
In den darauffolgenden Jahren ist die EU aufgrund von hohen Energiepreisen und erheblicher Regulierungsdichte zum Abwanderungsgebiet für Industrieunternehmen geworden. Die USA und China ziehen wirtschaftlich davon, während Bürger die klimapolitischen Ambitionen in der EU zunehmend mit Stimmen für populistische Parteien bedenken. In von der Leyens Antrittsrede als Kommissionspräsidentin 2024 nahm der Klimaschutz schon deutlich geringeren Raum ein.
Eine komplette Abkehr vom Green Deal zeichnet sich noch nicht ab. Beim WEF in Davos erklärte von der Leyen in der Vorwoche, der Klimawandel „steht immer noch ganz oben auf der globalen Agenda“. Auch Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck gibt sich unbeirrbar bezüglich des Ziels, bis 2030 die heimische Stromversorgung zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien zu bestreiten.
Allerdings soll der neue Leitfaden, über den die „Welt“ berichtet, deutlich mehr Pragmatismus versprechen. Auf 22 Seiten heißt es, dass Unternehmen in der EU vor allem von Berichtspflichten entlastet werden sollen. Immerhin betrachten, wie es in dem Papier heißt, „zwei von drei Unternehmen die regulatorische Belastung als größtes Hindernis für langfristige Investitionen“.
Macht „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ Weg frei für emissionsarme Verbrenner?
Der Umfang der Berichtspflichten soll für große Unternehmen um 25 und für KMUs sogar um 35 Prozent sinken. Fördermittel sollen leichter zugänglich werden, Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen und Zulassungsprozesse für Chemikalien sollen sich weniger langwierig gestalten.
In erneuerbare Energien will die EU immer noch massiv investieren, allerdings sollen künftig auch Künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Robotik und Raumfahrt eine größere Rolle spielen. Vor allem soll es dem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ zufolge auch mehr Technologieneutralität im Bereich der Klimapolitik geben. Obwohl beides nicht explizit erwähnt sein soll, könnte das vor allem eine Renaissance der Kernenergie andeuten – und möglicherweise ein Aus für das Verbrennerverbot.
Unter den weiteren Maßnahmen, die in dem Papier anklingen, befindet sich dem Bericht zufolge auch die Harmonisierung von Steuer-, Arbeitsrechts- und Insolvenzvorschriften. Der Abschluss langfristiger Stromabnahmeverträge soll für Unternehmen leichter werden. Dies soll dazu beitragen, dass die Energiepreise sinken. Allerdings hieß es erst jüngst aus dem Stahlkonzern GMH, dass derzeit der Spotmarkt selbst angesichts höherer Volatilität immer noch die günstigere Option sei.
Think-Tank: „Erneuerbare decken maximal 40 Prozent des Bedarfs – Wasserstoff ein Blindgänger“
Die EU will zudem mehr Freihandelsverträge. In den 2010er-Jahren war das TTIP mit den USA gescheitert – vorwiegend an zu hohen Ansprüchen Europas in Bereichen wie Umwelt-, Daten- oder Verbraucherschutz. Das jüngst nach jahrelangen Verzögerungen mit den Mercosur-Ländern abgeschlossene Abkommen steht immer noch auf der Kippe.
Es ist möglich, dass eine Sperrminorität aus Ländern wie Frankreich, Österreich, Italien oder Polen in der EU das Abkommen noch scheitern lässt. Gleichzeitig hat Argentiniens Präsident Javier Milei erklärt, er wäre sofort bereit, Mercosur zu verlassen, sobald ein Freihandelsabkommen mit den USA in Sicht sei. Die EU hofft unterdessen auf neue Vereinbarungen mit Indien, Indonesien und Australien.
Energieanalyst Richard Schenk von dem Brüsseler Think-Tank MCC erklärt gegenüber der englischsprachigen Epoch Times, es sei an der Zeit für eine Abkehr der EU von ihrer derzeitigen Klima- und Energiepolitik. Erneuerbare Energien könnten 30 bis 40 Prozent des europäischen Strombedarfs decken.
Man könne jedoch „auf keinen Fall vollständig auf fossile oder nukleare Energieträger verzichten, weil die neuen Speichertechnologien noch nicht zur Verfügung stehen“. Auch Wasserstoff sei bis dato „ein Blindgänger“. Dass die Wende kurzfristig vonstattengehen werde, hält Schenk indes für illusorisch. Dafür sei die EU zu schwerfällig.
LNG statt Pipelinegas – Verweigerung gegenüber Fracking und Offshore-Bohrungen
Auch Andy Mayer vom Institute of Economic Affairs weist darauf hin, dass die EU aufgrund ihrer einseitigen Ausrichtung in der Energiepolitik weit ins Hintertreffen geraten sei. Die USA hätten seit 20 Jahren Öl- und Gasressourcen durch Fracking, Offshore-Bohrungen und Pipeline-Projekte erschlossen, die EU nicht. Das räche sich jetzt:
„Klimaoptimismus ist kein Ersatz für steuerbare Energie.“
Trotz temporärer Exportbeschränkungen in der Ära Biden seien die USA immer noch weltweit führend im LNG-Export. Allein 43,8 Millionen Tonnen davon habe man 2024 nach Europa verschifft. Europa habe Kernkraftwerke abgeschaltet und fossile Treibstoffe beschränkt.
Erst jüngst verrieten Daten, dass die EU trotz geopolitischer Spannungen immer noch Rekordmengen an LNG aus Russland importiert. Dieses ist allerdings deutlich teurer als Pipelinegas. Das alles wirke sich unweigerlich auf die Höhe der Energierechnungen aus.
„Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ will EU-Unternehmen bevorzugen
Schenk erklärt, dass auch das jüngste Angebot von Donald Trump, noch mehr LNG aus den USA an Europa zu liefern, kein Grund zum Durchatmen sei. Am Problem zu hoher Kosten ändere auch das wenig, und das spreche sich auch zu den Unternehmen durch:
„Langfristig ist es viel einfacher, die Fabriken und Anlagen in die USA zu verlegen, als das LNG aus den USA nach Europa zu bringen.“
BASF mache es vor. Das Unternehmen habe „zuerst russisches Gas durch amerikanisches LNG ersetzt, aber jetzt demontieren sie die gesamte Fabrik und bringen sie nach Texas“.
Bislang lebten die erneuerbaren Energien in Europa vorwiegend von Subventionen, betonten die Experten im Gespräch mit der Epoch Times weiter. Die Kommission will auch künftig auf protektionistische Maßnahmen setzen. Im „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ ist von einer „europäischen Präferenz im Beschaffungswesen für kritische Sektoren und Technologien“ die Rede. Das bedeutet einen Vorrang für EU-Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen. Inwieweit dies zu Preissenkungen beiträgt, bleibt ebenfalls offen.
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