Weltsicherheitsrat stimmt über Gaza-Waffenruhe ab
Während die USA und die EU-Staaten Israel unter verschärften Druck setzen und eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen fordern, hält die Führung in Jerusalem unbeirrt an ihren Kriegszielen fest. Der Weltsicherheitsrat wird nach Angaben von Diplomaten voraussichtlich heute über einen von den USA eingebrachten Resolutionsentwurf abstimmen, in dem eine sofortige und anhaltende Waffenruhe gefordert wird.
Auch die Staats- und Regierungschefs der EU verlangten bei einem Gipfeltreffen angesichts der furchtbaren Not der Zivilbevölkerung in Gaza eine sofortige Feuerpause, wie EU-Ratspräsident Charles Michel mitteilte. Gleichwohl hält Israel an der geplanten Bodenoffensive in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah fest.
„Selbst wenn sich die ganze Welt gegen Israel wendet, einschließlich der Vereinigten Staaten, werden wir kämpfen, bis die Schlacht gewonnen ist“, sagte Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, in einem Podcast.
Israel: Hamas muss die Geiseln freilassen
Sollte die Resolution im UN-Sicherheitsrat gebilligt werden, wäre es das erste Mal seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes gegen die islamistische Hamas Anfang Oktober, dass sich das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen für eine anhaltende Waffenruhe im Gazastreifen ausspricht.
In einer offensichtlichen Reaktion auf die Beschlussvorlage der USA schrieb Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, auf der Plattform X (früher Twitter): „Es gibt nur eine Formel für einen sofortigen Waffenstillstand – die Hamas muss die Geiseln freilassen und sich selbst stellen. Das ist es, was die Welt fordern sollte.“
Obwohl die Resolution laut US-Beamten darauf abziele, die Hamas unter Druck zu setzen, eine Waffenruhe zu akzeptieren, sende sie ein mindestens ebenso starkes Signal an Israel, zitierte das „Wall Street Journal“ Richard Gowan, Direktor bei der International Crisis Group.
Bericht: USA forderten von Katar Druck auf Hamas
Seit Kriegsbeginn hatte sich die US-Regierung als engster Verbündeter Israels gegen das Wort „Waffenruhe“ gewandt und im Weltsicherheitsrat drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des Küstenstreifens verstärken die USA nun aber den Druck auf Israel.
US-Außenminister Antony Blinken, der zurzeit wieder Gespräche im Nahen Osten führt, hatte nach Informationen des US-Senders CNN Anfang des Monats Katar aufgefordert, auch die Hamas unter Druck zu setzen.
Katar solle der Hamas androhen, ihre ranghohen Vertreter aus dem Land auszuweisen, wenn sie bei den Verhandlungen über eine Feuerpause und damit verbundene Freilassung von Geiseln nicht einlenke, berichtete CNN unter Berufung auf zwei US-Beamte. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Vor seinen Gesprächen in Israel hatte Blinken bei einem Besuch in Ägypten erneut vor einer israelischen Militäroffensive in Rafah im äußersten Süden des Gazastreifens gewarnt. „Wir haben sehr deutlich gemacht, dass eine Bodenoffensive in Rafah ein Fehler wäre und das können wir nicht unterstützen“, sagte Blinken nach dem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Samih Schukri.
Israelischer Minister: Wir haben keine andere Wahl
In Rafah suchen Schätzungen zufolge derzeit 1,5 Millionen der 2,2 Millionen Bewohner Gazas Schutz vor den Kämpfen in den anderen Teilen des Küstengebiets. Auch befindet sich dort der Grenzübergang zu Ägypten, über den Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen. Israel will sich jedoch von der geplanten Offensive nicht abbringen lassen.
„Wenn man vier Bataillone (der islamistischen Hamas) in Rafah lässt, hat man den Krieg verloren, und Israel wird den Krieg nicht verlieren“, sagte der israelische Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, im Podcast „Call Me Back“ des amerikanisch-kanadischen Kolumnisten und Politikberaters Dan Senor. „Ob mit oder ohne die Vereinigten Staaten, wir werden es nicht tun. Wir haben keine andere Wahl“, sagte Dermer weiter.
Luftwaffe will Hilfsflüge so lange wie nötig fortsetzen
Die Luftwaffe will indes ihre Hilfsflüge über Gaza so lange wie nötig fortsetzen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin: „Wir reagieren da flexibel auf den Bedarf. Wir stehen bereit, solange wir mit unseren Partnern zusammen diese Hilfsflüge für notwendig erachten, (wir) sind da auch durchhaltefähig.“
Die Luftwaffe bleibe so lange, wie es Hilfsgüter zu verteilen gebe. Stand Freitagmorgen habe sie vier Flüge mit insgesamt 22 Tonnen an Hilfsgütern an Bord absolviert. Die Luftwaffe hatte am vergangenen Samstag damit begonnen, vor allem Lebensmittel über Gaza abzuwerfen.
Bericht: Israel wünscht sich schnellere Waffenlieferungen
Der israelische Verteidigungsminister Jo’aw Galant wird einem Medienbericht zufolge kommende Woche mit einer langen Wunschliste von US-Waffen nach Washington kommen. Wie das Nachrichtenportal „Axios“ unter Berufung auf zwei israelische und US-Beamte berichtete, möchte Israel diese Waffen schnell von seinem Verbündeten erhalten.
Dabei handele es sich nicht nur um Nachschub für den seit mehr als fünf Monaten andauernden Krieg im Gazastreifen, sondern auch um langfristigen Bedarf, darunter der Kauf weiterer F-35- und F-15-Kampfflugzeuge. Israel wolle die Belieferung mit diesen Flugzeugen und anderen Waffensystemen durch die USA beschleunigen, hieß es.
Galant wird in der kommenden Woche in Washington erwartet und dort unter anderem mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin zusammentreffen. Beide hatten am Mittwoch miteinander telefoniert.
Seit Beginn des Gaza-Krieges in Reaktion auf den Überfall von Terroristen der Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober seien die israelischen Streitkräfte zunehmend auf US-Waffen angewiesen, berichtete „Axios“. Dies wäre umso mehr der Fall, wenn der Konflikt mit der Hisbollah-Miliz im Libanon eskalieren sollte, hieß es.
Schusswechsel nach mutmaßlichem Anschlag im Westjordanland
Bei einem mehrstündigen Feuergefecht nach einem mutmaßlichen Anschlag eines Palästinensers im Westjordanland sind Berichten zufolge mindestens sechs Israelis verletzt worden. Eine Person sei in kritischem Zustand, berichteten mehrere israelische Medien unter Berufung auf Krankenhausangaben. Berichten zufolge soll der mutmaßliche Täter bei der Verfolgung durch einen Luftschlag getötet worden sein.
Nach Angaben der israelischen Armee hatte ein Mann am frühen Morgen in der Nähe einer israelischen Siedlung unweit der Stadt Ramallah im Westjordanland das Feuer auf ein israelisches Fahrzeug eröffnet. Im Anschluss habe es einen Schusswechsel mit dem mutmaßlichen Täter gegeben. Berichten zufolge dauerte das Feuergefecht mehrere Stunden an.
Nach Schlag gegen Hamas-Mitglied: Festnahmen im Libanon
Nach einem israelischen Luftschlag gegen ein führendes Hamas-Mitglied nahe der libanesischen Küstenstadt Tyros sind mehrere Menschen wegen des Verdachts auf Spionage festgenommen worden. Aus dem Umfeld der Hamas hieß es, darunter seien zwei Jugendliche aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Raschidija. Sie seien an die libanesischen Sicherheitsbehörden übergeben worden.
Die beiden Minderjährigen sollen sich einem Bericht der libanesischen Zeitung „L’Orient Today“ zufolge in dem Lager südlich von Tyros als Verkäufer von Papiertaschentüchern verdingt haben. Laut dem Bericht wird ihnen vorgeworfen, den Aufenthaltsort des Hamas-Mitglieds überwacht zu haben. Die Zeitung berichtete von einer weiteren Festnahme des mutmaßlichen Auftraggebers.
Hadi Mustafa, ein hochrangiges Mitglied der Al-Kassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, war bei dem Luftschlag am 13. März getötet worden. Der Mann soll laut der israelischen Armee für Terroranschläge gegen israelische und jüdische Ziele in mehreren Ländern verantwortlich gewesen sein. Der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge kam bei dem Angriff noch ein weiterer Mann ums Leben, der zufällig an dem Ort des Luftangriffs gewesen war. Auf TV-Bildern war ein stark zerstörtes Auto zu sehen gewesen.
Auch EU-Staaten gegen Rafah-Offensive
Getrennt von Galants Besuch wird auch eine israelische Delegation kommende Woche auf Aufforderung der US-Regierung nach Washington reisen. Dermer wird laut Berichten mit dabei sein. Bei dem Treffen will die US-Regierung der israelischen Seite laut Berichten Alternativen zu einer Bodenoffensive in Rafah aufzeigen.
Auch die EU-Staaten forderten Israel beim Gipfeltreffen in Brüssel in einer Erklärung auf, in Rafah keine Bodenoffensive zu beginnen, die die schon jetzt katastrophale humanitäre Lage weiter verschlimmern und die dringend benötigte Grundversorgung mit humanitärer Hilfe verhindern würde.
Erneut Proteste in Israel gegen Regierung
Unterdessen kam es in Israel erneut zu Protesten gegen die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu. Etwa 2.000 Menschen hätten in der Nähe seines Hauses in Caesarea seinen Rücktritt. Sie forderten die sofortige Rückkehr der Geiseln, berichtete die israelische Nachrichtenseite „Ynet“. Dabei sei es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Die Demonstranten wollen ihre Protestaktionen demnach bis heute fortsetzen. (dpa)
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