WEF-Treffen in Davos mit „frischen Warnungen“ von WHO-Chef Tedros vor Krankheit X

Bei der Jahrestagung des World Economic Forums in Davos sprach eine Expertenrunde über die Zukunft der Menschheit vor dem Hintergrund zukünftiger Bedrohungen. In einer globalen Impfstoffbibliothek soll Wissen über potenzielle Krankheit-X-Kandidaten aufgebaut werden. Die Krankheitsüberwachung soll verstärkt werden.
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Archivbild: WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus bei der Jahres Tagung des World Economic Forums im vergangenen Jahr.Foto: Fabrice Coffrini/AFP via Getty Images)
Von 18. Januar 2024

Er wird kommen, der Tag X, und dann wird er sie im Gepäck haben, die Krankheit X. Sie wird verheerend sein, dagegen war die Corona-Pandemie bestenfalls ein globales Kratzen im Hals. „20-mal mehr Todesopfer“ wird sie fordern, diese Krankheit X, schrieb das World Economic Forum (WEF) einleitend zu einem Austausch unter Fachleuten am Mittwoch, 17. Januar, beim Jahrestreffen in Davos. Als Begrüßungsformel dienten „frische Warnungen“ der WHO.

Worauf diese „Prognose“ basiert, erläuterte die Expertenrunde nicht, es war nicht einmal Thema. Vor dem Hintergrund einer möglichen Bedrohung stelle sich die Frage, welche Anstrengungen erforderlich seien, um „Gesundheitssysteme auf die vielfältigen Herausforderungen vorzubereiten, die vor uns liegen“.

Der nächste Notfall

Die Krankheit X und der Umgang damit war Thema eines gut  45-minütigen Vortrags verschiedener Redner bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos.

Einführend sagte Shyam Bishen, Leiter des Zentrums für Gesundheit und Gesundheitswesen WEF und Mitglied des WEF-Exekutivkomitees, dass es um die Frage gehe, wie man das weltweite Gesundheitssystem auf den nächsten „Notfall“ vorbereiten könne. „Wir wissen alle sehr gut, dass es Viren geben wird, dass es Krankheitserreger geben wird, dass es Ausbrüche geben wird. Wie können wir verhindern, dass sich Ausbrüche zu ausgewachsenen Pandemien entwickeln?“

Daran arbeite man, sagte er und sprach von einer Partnerschaft für Gesundheitssysteme, Nachhaltigkeit und Resilienz. Dabei gehe es nicht nur um Pandemien, sondern auch um andere Krisen, die drohten, etwa durch den Klimawandel. Auch müsse man auf die Zunahme der Zahl der Krankheiten reagieren, unabhängig davon, ob sie ansteckend oder nicht ansteckend seien.

Biologische Bedrohungen und Krankheitsüberwachung

„Wir müssen das System gut darauf vorbereiten“, sagte Bishen und führte weiter an, dass es auch Initiativen in den Bereichen biologische Bedrohungen und Krankheitsüberwachung gebe. „Wir haben auch schnell zugängliche Datensysteme, damit der Privatsektor seine Arbeit machen kann. Sie können medizinische Gegenmaßnahmen entwickeln, sei es in Form von Impfstoffen, Diagnostika oder Therapeutika.“

An all diesen Punkten habe man auch gearbeitet. Dabei schaue man auf eine gerechte Verteilung von Impfstoffen und achte darauf, dass eine Herstellung in verschiedenen Teilen der Welt möglich sei.

Danach übergab er das Mikrofon an Nancy Braun, Geschäftsführerin der American Heart Association, die die als „Diskussion“ deklarierte Runde leitete.

COVID-19 war die erste Krankheit X

Zunächst hatte Tedros Adhanom Ghebreyesus, seit 2017 Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Gelegenheit, den Begriff „Krankheit X“ zu erklären. Er sei nicht neu, erstmals sei er 2018 verwendet worden. Es gebe viele Krankheiten, die man kenne: „MERS könnte so eine sein, Zika, Ebola“, zählte Tedros auf. Doch dann gebe es Dinge, die unbekannt seien. „Und alles ist eine Frage, wann es passiert, nicht ob.“

Für diese (unbekannte) Krankheit müsse man einen „Platzhalter“ haben. Daher habe man ihr den Namen „Krankheit X“ gegeben. COVID sei die erste „Krankheit X“ gewesen. „Und das kann wieder passieren“, fügte Tedros hinzu. Es gebe Leute, die kritisierten, dass auf diese Weise Panik geschürt würde. Doch seiner Ansicht nach sei es „sogar besser, etwas vorwegzunehmen, das geschehen könne“.

Man könne viel tun, auch wenn man nicht wisse, was genau passiere. Tedros nannte etwa die Installation von Frühwarnsystemen. Oder auch die Bereitschaftsplanung. Man müsse im Ernstfall die Möglichkeit haben, „schnell zu expandieren“, um alle Patienten behandeln zu können.

Während der Corona-Pandemie sei das nicht möglich gewesen, behauptete er und führte an, dass Kliniken – auch beim Personal – überlastet gewesen seien. Um welche Krankheit es sich auch immer handeln könne, man müsse darauf vorbereitet sein. Dies könne in allen Bereichen geschehen. Forschung und Entwicklung, Lieferketten, private Bereiche.

Tedros forderte mehr Investitionen in die Gesundheitsversorgungen, auch müsse die Zusammenarbeit zwischen den Ländern („Gemeinschaften“) verstärkt werden. Der WHO-Chef warb auch für den geplanten globalen Pandemievertrag, der im Mai zur Unterschrift bereit sein soll.

Globaler Austausch von Daten

Michel Demaré, Verwaltungspräsident des britischen Impfstoffherstellers AstraZeneca, forderte den globalen Austausch von Datensammlungen. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) könne bei der Pandemievorsorge hilfreich sein.

Die brasilianische Gesundheitsministerin Nisia Trindade Lima will die Unterschiede zwischen Industrienationen, Schwellen- und Drittweltländern verringern – primär bei Medikamenten, Impfungen und medizinischen Tests. 90 Prozent der Patente konzentrierten sich in zehn Prozent der Länder, sagte sie. Brasilien hat seit dem 1. Dezember 2023 den G20-Vorsitz für ein Jahr inne und wolle sich während dieser Zeit für mehr Multilateralismus einsetzen.

250 bis 300 virale Bedrohungen?

Dass die Welt besser auf die Bewältigung der nächsten Pandemie vorbereitet sein muss, fordert auch Kate Kelland, ehemalige „Reuters“-Korrespondentin und jetzige Chefautorin bei der „Coalition für Epidemic Preparedness Innovations“ (CEPI).

„Man kann einen langen Weg zurücklegen, um etwas zu produzieren, das auf einen neuartigen Virus abzielt, bevor dieser Virus überhaupt auftritt“, sagte Kelland in einem Interview mit „Radio Davos“, das das WEF auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Wie das konkret möglich sein soll, erläuterte sie nicht, sprach aber von einer „Detektivarbeit, um eine weitere Pandemie des Ausmaßes und der Auswirkungen von COVID-19 zu verhindern“.

Kelland weiter: „Es ist ein Virus, den wir noch nicht kennen, aber wir wissen, dass er da draußen ist, und wir wissen, dass er das Potenzial hat, von einer Tierpopulation möglicherweise auf den Menschen überzugreifen, vielleicht zu mutieren oder sich anzupassen und sich dann zu verbreiten und Menschen schneller zu töten, als wir es eindämmen können.“

Kelland wies darauf hin, dass die Durchführung von Forschung und Impfstoffentwicklung für die 25 bekannten viralen „Familien“, die Menschen betreffen könnten, im weiteren Sinne der Menschheit einen entscheidenden Vorteil gegenüber der nächsten Krankheit verschaffen würde.

„Wir sprechen von 250 bis 300 viralen Bedrohungen“, führte Kelland weiter aus. Es sei „eine große Zahl, aber sie ist endlich“, sagte sie, jedoch, ohne einen Beleg für diese Behauptung zu liefern. Es handele sich also nicht um eine so „unvorstellbare Menge an Arbeit“. Es sei ein „enormer Arbeitsaufwand“, aber es sei „machbar“.

Neuen Viren immer einen Schritt voraus?

CEPI plädiert für eine globale Impfstoffbibliothek („One World Vaccine Library“). Der Zweck dieser Bibliothek bestehe darin, Wissen über potenzielle Krankheit-X-Kandidaten aufzubauen, vorbereitende Arbeiten durchzuführen und die daraus gewonnenen Informationen verfügbar zu machen, wenn ein neues Virus auftritt.

Die Idee sei, dass die Welt diese Arbeit aufteile. „Das kann nicht von einer einzigen Institution oder einer einzelnen wissenschaftlichen Gruppe durchgeführt werden“, erläuterte Kelland. „Wenn all diese Hausaufgaben erledigt sind, werden wir jedem neuen Virus möglicherweise einige Schritte voraus sein, bevor es auftritt. Und wenn wir das in all diesen Familien hinbekommen, dann sind wir fast bereit für alles, was diese viralen Familien auf uns zukommen lassen können.“

Kelland hob die Notwendigkeit eines Pandemievertrags hervor. Dadurch würden globale Zusammenarbeit und wissenschaftliche Arbeit erleichtert, die zur Vorbereitung auf zukünftige Pandemien erforderlich seien. Ein Pandemiefonds müsse mit „echtem Geld“ gefüllt sei, bevor „solche Situationen“ eintreten. Auch sollte es Vereinbarungen darüber geben, wie Wissen und Warnungen geteilt würden. Die Beteiligten könnten dann im Ernstfall schneller reagieren.

Bei CEPI handelt es sich nach Darstellung des WEF um eine gemeinnützige Organisation, die die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen gegen Krankheiten finanziert, die möglicherweise zu Epidemien oder Pandemien werden könnten. Mit dem Weltwirtschaftsforum als einem seiner Gründungsmitglieder habe CEPI drei COVID-19-Impfstoffe finanziert, darunter die von AstraZeneca und Moderna. Die Organisation arbeite auch an einer Reihe von Krankheiten, die zur nächsten Ausbreitung der Pandemie führen könnten.



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