„Weder koordiniert noch abgesprochen“: EU-Kommission geht nach Zensurbrief auf Distanz zu Breton
Die EU-Kommission ist auf Distanz zu einem Schreiben gegangen, das Wettbewerbskommissar Thierry Breton am Montag, 12. August, an den Eigentümer des Kurznachrichtendienstes X, Elon Musk, gerichtet hatte. In diesem hatte er Musk an die „größere Verantwortlichkeit, die mit einer größeren Nutzerzahl einhergeht“, erinnert.
Das Schreiben, das auch an CEO Linda Yaccarino ging, war auf den Tag datiert, für den Musk sein Interview mit Präsidentschaftskandidat Donald Trump angekündigt hatte. Breton hat es eigenen Angaben geschrieben, weil mit „Ereignissen mit großer Zuschauerzahl in aller Welt“ ein „Risiko der Verstärkung schädlicher Inhalte“ einhergehe.
Unstimmigkeiten in der EU-Kommission: Keine Absprache zu Bretons Schreiben
Sollte X nicht den Vorgaben des sogenannten Digital Services Acts (DSA) der EU genügen, wäre diese auch bereit, „zwischenzeitliche Maßnahmen“ gegen die Social-Media-Plattform zu setzen. Nicht nur X-Nutzer, die mit „Faschismus“- und „Tyrannei“-Vorwürfen auf das Schreiben reagierten, sahen einen eindeutigen Zusammenhang zum Interview.
With great audience comes greater responsibility #DSA
As there is a risk of amplification of potentially harmful content in 🇪🇺 in connection with events with major audience around the world, I sent this letter to @elonmusk
📧⤵️ pic.twitter.com/P1IgxdPLzn
— Thierry Breton (@ThierryBreton) August 12, 2024
Tags darauf hat die EU-Kommission in einem Pressebriefing angedeutet, dass Breton mit seinem Schreiben einen Alleingang unternommen habe. Die stellvertretende Kommissionssprecherin Arianna Podestà erklärte gegenüber Reportern:
Der Zeitpunkt und der Wortlaut des Schreibens waren weder mit der Präsidentin noch mit den anderen Kommissaren abgestimmt.“
EU-Kommission: Breton habe nur Schreiben „allgemeiner Natur“ an Musk gerichtet
Podestà stellte in Abrede, dass das Schreiben den Zweck der Einschüchterung oder einer Einmischung in die Willensbildung während des US-Präsidentschaftswahlkampfs verfolgen sollte. Der Brief sei „allgemeiner Natur“ gewesen und solle Social-Media-Plattformen lediglich an die Geltung und Bedeutung des DSA erinnern.
Der Verweis auf das Trump-Interview sei nur beispielhaft erfolgt. Es gehe dort immerhin um ein „großes Ereignis, das natürlich viele Mediennutzer anzieht und potenziell wichtige Spillover-Effekte in der EU haben kann“.
Bereits im Vorjahr war Breton mehrfach auf Konfrontation zu X gegangen. Im Oktober setzte er namens der Kommission dem Kurznachrichtendienst ein Ultimatum: Sollte sich der Dienst nicht binnen 24 Stunden zwecks Zusammenarbeit an die zuständigen Polizeibehörden wenden, drohten Untersuchungen und Sanktionen.
Hintergrund waren damals Falschnachrichten und terrorverherrlichende Beiträge in Bezug zum Massaker der Hamas vom 7. Oktober in israelischen Grenzgebieten. X betonte, zu jedem Zeitpunkt alle Mittel ausgeschöpft zu haben, um diese zu unterbinden. Musk forderte den Wettbewerbskommissar zur Transparenz bezüglich konkreter Sachverhalte auf.
Verfahren nach dem DSA seit Dezember gegen X anhängig
Gegen Ende des Jahres verkündete Breton die Einleitung einer Untersuchung gegen X wegen Nichteinhaltung des DSA. Allerdings geht es dabei nicht um die Verbreitung illegaler Inhalte. Stattdessen wirft die Kommission dem Dienst Irreführung mit Blick auf blaue Häkchen am Account vor.
Diese kennzeichnen innerhalb der Branche üblicherweise verifizierte Accounts. Stattdessen sagen sie auf X nur aus, dass der Besitzer ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen habe. Weitere Vorwürfe der EU gegen X betreffen Transparenzbestimmungen in der Werbung und die Verweigerung des Zugangs zu Daten gegenüber Forschern.
Wie Breton Musk bereits mehrfach angedroht hatte, droht dem Dienst im Fall eines Nachweises von DSA-Verstößen eine Geldstrafe von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. X verfügt über einen Bereich, der es Nutzern erlaubt, Inhalte zu melden, die möglicherweise gegen EU-Recht verstoßen.
Kritik an der EU-Kommission: Eine unheilige Allianz gegen die Meinungsfreiheit?
Die EU sieht im seit Februar allgemein geltenden DSA eine wichtige Maßnahme, um die digitalen Rechte europäischer Bürger zu schützen und deren Position gegenüber den Techkonzernen zu stärken. Kritische Stimmen wie der Thinktank MCC Brüssel hingegen befürchten, dass das Gesetz zum Vorwand werden könnte, um fundamentale Rechte wie Rede- oder Informationsfreiheit zu beschneiden.
Dabei, so heißt es in einem Bericht, bildet Brüssel eine „unheilige Allianz“ mit nicht rechenschaftspflichtigen NGOs und Big-Tech-Konzernen. Jacob Reynolds, Leiter der politischen Abteilung von MCC Brüssel, erklärte gegenüber der englischsprachigen Epoch Times, dass sich die Kommission zwar von Breton zu distanzieren scheine, der DSA aber immer noch ein Vorzeigegesetz der EU sei.
Reynolds sieht in der Distanzierung einen Versuch, die Wut von sich wegzulenken, die das Schreiben ausgelöst habe. Tatsächlich führt die Kommission ihr Verfahren gegen Musk jedoch weiter – und dieses sei Teil eines von Brüssel geführten „Kriegs gegen die freie Meinungsäußerung“.
X zwischen Zensurambitionen und Radikalisierungsgefahren
Ein Teil der Nutzer des Dienstes X, ehemals Twitter, sieht Musks Bemühungen um mehr Redefreiheit auf der Plattform als positives Beispiel für andere soziale Medien mit häufig deutlich strengerer Moderation. Kritiker verweisen hingegen auf reale Gefahren eines zu laxen Umgangs mit gefährlichen Inhalten, die sich über soziale Medien verbreiten. Als Beispiel gelten jüngst verbreitete Falschinformationen über den Messerangriff von Southport in Großbritannien. Diese hätten in mehreren Fällen zu rassistisch motivierten Krawallen beigetragen.
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