Was verbirgt sich hinter dem Scharmützel zwischen indischen und chinesischen Truppen?

Immer wieder kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen an der indisch-chinesischen Grenze. Diesmal wurden nur einige Soldaten verletzt, doch warnen Experten vor Pekings Agenda. Laut einem ehemaligen indischen Geheimdienstveteranen habe das chinesische Militär schon geheime unterirdische Stützpunkte auf indischen Gebiet errichtet.
Soldaten der Armee von Indien nehmen nach dem Einsturz einer Hängebrücke an einer Suchaktion im Machchu-Fluss teil.
Soldaten der Armee von Indien nehmen nach dem Einsturz einer Hängebrücke an einer Suchaktion im Machchu-Fluss teil.Foto: Rafiq Maqbool/AP/dpa
Von 14. Dezember 2022

An der umstrittenen Grenze im Himalaya ist es erneut zu militärischen Zusammenstößen zwischen China und Indien gekommen. Der indische Verteidigungsminister Rajnath Singh hat Peking vorgeworfen, den Grenzstatus einseitig ändern zu wollen.

Er warf den chinesischen Soldaten vor, im Bezirk Tawang in das Gebiet um die Demarkationslinie eingedrungen zu sein. Die chinesischen Eindringlinge wurden erfolgreich zurückgedrängt, doch habe es Verletzte auf beiden Seiten gegeben. Der Sprecher des zuständigen chinesischen Militärkommandos wies die indischen Vorwürfe zurück.

Das jüngste Gefecht fand diesmal im östlichen Himalaya statt, über 950 Meilen Luftlinie vom früheren Galwan-Gefecht im Jahr 2020 entfernt. Indischen Medienberichten zufolge versuchten über 300 chinesische Soldaten in indisches Gebiet einzudringen. Dabei sollen mindestens sechs indische Soldaten verletzt worden sein. Auch unter den chinesischen Soldaten gab es Verletzte.

Das chinesische Regime beansprucht den Bundesstaat Arunachal Pradesh als sein Territorium und bezeichnet es als Südtibet. Auf der chinesischen Karte lautet die wörtliche Übersetzung „Region Südtibet [南藏地区]  (militärisch von Indien besetzt [印])“.

Strategisch wichtiges Straßenbauprojekt

Experten zufolge fand das jüngste Scharmützel wahrscheinlich wegen der neuen 4,8 Milliarden Dollar teuren Grenzautobahn statt, die die indische Regierung in Arunachal Pradesh baut. Bei einem Krieg sei sie von strategisch wichtiger Bedeutung.

Eine Karte zeigt den wahrscheinlichen Ort des Zusammenstoßes zwischen indischen und chinesischen Soldaten am 9. Dezember 2022 im Tawang-Sektor von Arunachal Pradesh. Foto: Screenshot von Google Maps/Courtesy von Frank Lehberger

Claude Arpi, ein bekannter Historiker und Tibetologe, vermutet, dass der Angriff von einem Xiaokang-Dorf im Yangtse-Gebiet ausging. „Es könnte von der chinesischen Armee als Stützpunkt für ihren Angriff genutzt worden sein“, sagt Arpi im Interview mit Epoch Times. Nördlich des Konfliktortes wird die neue Straße gebaut.

Bereits im Jahr 2021 sei es zu einem kleineren Zusammenstoß im Yangtse-Subsektor des Ortes Tawang gekommen. „Xiaokang“ werden Dörfer genannt, die das chinesische Regime in den letzten Jahren an der umstrittenen Grenze zwischen Indien und China errichten ließ. Das besagte Dorf hatte Peking erst kürzlich errichtet.

Dieser Meinung ist auch Frank Lehberger, ein in Europa ansässiger Sinologe und Tibetexperte. In den sozialen Medien sei das chinesische Dorf, das mit dem Angriff in Verbindung gebracht wurde, als „Tangwu 汤乌 Höhe 4.150m“ identifiziert worden, so Lehberger.

Pekings Agenda

Laut Lehberger wollen die Chinesen die Höhen am Yangtse kontrollieren, um einen strategischen Vorteil zu haben. Von dort aus können sie sehen, was auf der Straße Sela-Tawang vor sich geht. Yangtse ist der tibetische Name für einen Teil der Himalayagebirgskette, auf dem die Grenze verläuft.

Das Straßenbauprojekt Sela-Tawang ist die einzige Verbindung von den Ebenen Assams zum Bezirk Tawang. Sie ist über 1.200 Meilen lang und ist das bisher aufwendigste Projekt der indischen Regierung in Arunachal. Der indische Bundesstaat Assam grenzt an Arunachal Pradesh.

„Militärische Truppenverstärkungen können nur diese eine Straße mit ihrem neuen Tunnel nehmen“, sagte Lehberger. In indischen Medienberichten wird die Straße als Verbindungskorridor zwischen Westindien und Ostindien bezeichnet. Ende letzten Monats ging das Projekt durch die Medien, weil die indische Regierung den Bau beschleunigt hatte.

„Wenn die Chinesen auf den Berggipfeln am Yangtse sitzen und den gesamten Verkehr zwischen Tawang und Bomla sehen können, wissen sie genau, was bei etwaigen indischen Militäroperationen vor sich geht“, sagte Lehberger. „Deshalb ist sie strategisch wichtig!“

Im Kriegsfall können die Chinesen ohne großen Aufwand die Straßennutzung verhindern, sodass Tawang leicht von den Chinesen eingenommen und annektiert werden kann, meint der Experte. Das sei mit chinesischer Raketenartillerie oder kleinen Raketen leicht umzusetzen.

Sollte die Straße von den Chinesen tatsächlich gekappt oder unbrauchbar gemacht werden, könnte der Ort Tawang nur von der indischen Luftwaffe (IAF) mit Hubschraubern versorgt werden. Das wäre sehr kostspielig und auch wegen der Wetterlage und den chinesischen Boden-Luft-Raketen gefährlich. Lehberger glaubt, dass Indien das Gebiet nicht länger halten könnte, auch wenn die indische Armee sehr erfahren wäre.

Ex-Minister gibt Entwarnung

Ninong Ering, Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von Arunachal Pradesh und Ex-Minister der indischen Bundesregierung, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass die Probleme mittlerweile gelöst seien. Er habe mit dem stellvertretenden Kommissar des Gebiets gesprochen und erfahren, dass zwischen den beiden Seiten in Bumla ein „Flaggentreffen“ stattgefunden habe.

Ering sagt jedoch auch, dass die Chinesen den Bundesstaat Arunachal Pradesh annektieren wollten und dass dieses Scharmützel ein Einschüchterungsversuch sei. „Wir sind damit nicht einverstanden. Unsere Leute sind in dieser Sache sehr entschlossen“, sagte er.

Der indische Verteidigungsminister erklärte ebenfalls, dass der Rückzug sofort „in Übereinstimmung mit strukturierten Mechanismen zur Wiederherstellung von Frieden und Ruhe“ erfolgt sei.

Soldaten der indischen Armee demonstrieren am 20. Oktober 2021 die Positionierung eines Bofors-Geschützes in Penga Teng Tso vor Tawang, in der Nähe der Grenzkontrolllinie zu China im indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh. Foto: MONEY SHARMA/AFP via Getty Images

Ex-Geheimdienstler warnt vor größeren Bedrohungen

Oberst a.D. Vinayak Bhat, ein Experte für Satellitenbilder und Veteran des indischen Militärgeheimdienstes, warnte gegenüber Epoch Times vor weitaus größeren Bedrohungen im Bundesstaat Arunachal Pradesh, die Indien Sorgen bereiten sollten.

Laut seiner Analyse sei das chinesische Militär bereits tief in indisches Territorium eingedrungen. Demnach habe die Kommunistische Partei bereits unterirdische Stützpunkte und Hauptquartiere in der von ihr besetzten indischen Region errichtet.

„Indien muss energische Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es nicht zu weiteren Gebietsverlusten kommt“, sagte Bhat. „Indien und die indische Armee sind in der Lage, mit diesen kleinen Zusammenstößen umzugehen.“ Gleichzeitig sagte er, dass die indische Armee geeignete Schritte unternehmen werde, um sicherzustellen, dass es nicht zu Gebietsverlusten oder einer Eskalation des Konflikts komme.

Die Territorialstreitigkeiten belasten die Beziehungen zwischen Indien und China bereits seit Jahrzehnten. Peking beansprucht rund 90.000 Quadratkilometer eines Gebiets für sich, das sich unter der Kontrolle Neu-Delhis befindet. Der Vorfall am vergangenen Freitag ist der schwerste seit dem Jahr 2020.

Damals wurden 20 indische Soldaten bei Auseinandersetzungen mit chinesischen Soldaten getötet und auf chinesischer Seite 40. Das chinesische Regime behauptete zwar, dass nur vier Menschen ums Leben gekommen seien, das wurde jedoch von indischen und russischen Quellen widerlegt. Das Scharmützel fand auch wegen der Grenzinfrastruktur statt, die Indien in der Region aufbaute.

(Mit Material von Nachrichtenagenturen und The Epoch Times)



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