Was über die Flucht Baschar al-Assads aus Syrien bekannt ist
Nach der Machtübernahme durch islamistische Milizen ist Präsident Baschar al-Assad überstürzt aus dem Land geflüchtet.
Wo er sich aufhält, ist nicht bekannt, seine Abreise erfolgte unter strengster Geheimhaltung. Was über Assads Flucht aus Syrien bisher bekannt ist:
Geheimer Abflug mit Privatjet
Um 22:00 Uhr (Ortszeit; 20:00 MEZ) startet ein Privatflugzeug vom internationalen Flughafen in Damaskus. An Bord befindet sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte der syrische Präsident Assad, der vor den Aufständischen flüchtet. Wohin der Flug geht, ist nicht bekannt. Kurz darauf ziehen sich die Regierungstruppen und Sicherheitskräfte vom Flughafen zurück.
Binnen weniger Stunden verkünden die Rebellen zunächst den Sturz des „Tyranns“ und die Befreiung der syrischen Hauptstadt – und rufen Millionen ins Ausland geflohene Syrer zur Rückkehr in ein „freies Syrien“ auf.
Das russische Außenministerium hat bestätigt, dass Assad Syrien verlassen hat, machte aber keine Angaben dazu, wohin er ausreiste.
Auch der ebenfalls mit Syrien verbündete Iran, der Militärberater und bewaffnete Kräfte zur Unterstützung Assads entsandt hatte, könnte dem Präsidenten laut der Syrischen Beobachtungsstelle Exil gewähren.
Schließlich könnte Assad seinen Angaben zufolge auch in die Vereinigten Arabischen Emirate geflohen sein. Abu Dhabi nahm 2018 als erster Golfstaat wieder diplomatische Beziehungen zu Syrien auf, nachdem diese wegen des Bürgerkriegs abgebrochen worden waren.
Oder ist das Flugzeug abgestürzt?
Syrische Beamte teilten Reuters und anderen Medien mit, dass Baschar-al-Assad auch tot sein konnte. Eine Maschine der staatlichen Fluggesellschaft Syrian Arab Airlines, eine Iljuschin Il-76, die etwa zum passenden Zeitpunkt in Damaskus abhob, konnte mit Hilfe des Flugradars auf der Webseite Flightradar nachverfolgt werden.
Das Flugzeug flog zunächst Richtung der syrischen Küstenregion, die eine Hochburg der Alawiten ist, denen Assad angehört. Nach einer Kehrtwende und einigen wenigen weiteren Flugminuten verschwand sie von der Landkarte. Möglicherweise wollte diese den russischen Luftwaffenstützpunkt in Latakia erreichen.
Unter Berufung auf zwei syrische Quellen sagt Reuters, es bestehe „eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass Assad bei einem Flugzeugabsturz getötet wurde“.
Syriens bisheriger Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali hat nach eigener Darstellung keinen Kontakt mehr zu Baschar al-Assad. Er habe keine Informationen darüber, wo Assad oder dessen Familie sich aufhalte oder wann Assad Damaskus verlassen habe, sagte Al-Schalali dem Nachrichtensender „Al-Arabija“.
Zuletzt habe er direkten Kontakt mit Assad am Samstagabend gehabt, ehe die Aufständischen am frühen Morgen den Sturz seiner Regierung verkündeten.
Regierungssoldaten ziehen ihre Uniformen aus
Mit der Verbreitung der Nachricht von Assads Sturz legen Soldaten in Damaskus ihre Uniformen ab, wie Zeugen der Nachrichtenagentur AFP schildern. Ein Augenzeuge berichtet von dutzenden verlassenen Armeefahrzeugen im Stadtteil Masseh, wo mehrere Militäreinrichtungen sowie Botschaften angesiedelt sind.
Eine offizielle Erklärung gibt es von der Armee zunächst nicht. Soldaten erklären gegenüber AFP jedoch, dass sie aufgefordert worden seien, ihre Stellungen zu verlassen und nach Hause zu gehen.
Experten zufolge war die Schwäche der syrischen Armee auch der fehlenden Unterstützung der Verbündeten Russland und Iran zuzuschreiben.
Am Sonntagmorgen berichtete eine Quelle aus dem Umfeld der pro-iranischen und ebenfalls mit Syrien verbündeten Hisbollah, dass sie sich aus Stellungen in der Nähe von Damaskus und in einem Gebiet an der Grenze zum benachbarten Libanon zurückgezogen hätten. In diesen Gebieten befanden sich den Angaben zufolge auch Waffenlager.
Wer übernimmt nun die Macht?
Am Sonntag rufen die islamistischen Kämpfer eine „neue Ära“ in Syrien aus. Der im September angetretene syrische Regierungschef Mohammed al-Dschalali erklärte sich bei Facebook zur Zusammenarbeit mit einer vom syrischen Volk neu bestimmten Führung bereit.
Abu Mohammed al-Dscholani, Oberbefehlshaber der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), welcher die Kämpfe in Syrien anführt, ruft seine Miliz dazu auf, sich von öffentlichen Einrichtungen fernzuhalten. Die Einrichtungen müssten bis zur offiziellen Übergabe unter der Kontrolle des „ehemaligen Ministerpräsidenten“ bleiben, heißt es.
Allerdings vereinten sich viele islamische Gruppen und Akteure gegen Assad, die berücksichtigt werden wollen. Mehrere Konfliktparteien mit unterschiedlichen Interessen sind vor Ort, die zudem von unterschiedlichen Akteuren im In- und Ausland unterstützt werden.
Die größte Herausforderung werde der „Wiederaufbau des syrischen Staates und die Überwindung einer Phase des Chaos und der Zersplitterung“ sein, betont Mohanad Hage Ali vom Carnegie Center für den Mittleren Osten.
Bisher seien die aufständischen Milizen „gewissenhaft im Umgang mit Minderheiten und ihren Gefangenen“ gewesen, erklärte er. Er hoffe, dass dies auch „beim Wiederaufbau der staatlichen Institutionen zum Ausdruck kommen“ werde. (afp/red)
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