Was Durows Verhaftung für Russland und den Ukraine-Krieg bedeutet
Der 39-jährige Pawel Durow, CEO und Mitbegründer von Telegram, ist am Samstagabend am Flughafen Le Bourget bei Paris festgenommen worden. Durow wird vorgeworfen, nicht genug dafür getan zu haben, die Nutzung seines Messenger-Dienstes für kriminelle Zwecke zu verhindern. Laut Medienberichten drohen ihm bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Gefängnis.
Nach den ersten Reaktionen im Westen fand die Festnahme von Durow auch in Russland ein großes Echo. Während Durows Verhaftung gerade verlängert wurde, äußern sich russische Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu dem Fall. Angesichts der Bedeutung von Telegram in Russland, besonders auch in der Kriegskommunikation, kann der Vorfall für Moskau heikle Fragen aufwerfen.
Vor sechs Jahren versuchte Russland selbst, Telegram zu verbieten. Trotz der Bemühungen war es technisch aber nicht möglich, die App zu deaktivieren, und das Verbot wurde schließlich 2020 aufgehoben. Durow hatte sein Heimatland jedoch schon Jahre zuvor verlassen. Er hatte sich geweigert, mit der dortigen Regierung und deren Geheimdienst zu kooperieren.
„Verkalkuliert“
Durow hat „sich verkalkuliert“, als er Russland verließ, um ein „Mann von Welt“ zu sein, so der Vizepräsident des russischen Sicherheitsrates und ehemaliger Staatspräsident, Dmitri Medwedew, auf Telegram.
Medwedew verwies auf ein Gespräch, das er angeblich mit Durow gehabt habe. Er habe Durow gefragt, warum er bei schweren Verbrechen nicht mit den Strafverfolgungsbehörden in Russland zusammenarbeiten wolle. „Das ist meine prinzipielle Position“, habe Durow damals gesagt. „Dann werden Sie in jedem Land ernste Probleme bekommen“, habe Medwedew erwidert. Seine Vorhersage habe sich nun bewahrheitet.
Der stellvertretende Vorsitzende der Staatsduma forderte inzwischen Frankreich auf, Durow freizulassen.
Fernsehkommentator Wladimir Solowjow äußerte sich ebenfalls zu dem Vorfall. Er meinte, die westlichen Länder wollten Druck auf den Geschäftsmann ausüben, um so teilweise die Kontrolle über Telegram zu übernehmen.
„Vielleicht erfinden sie all diese weit hergeholten Anschuldigungen gegen Pawel Durow, um ihn zu zwingen, die Schlüssel zu dieser mächtigsten Informationsquelle an westliche Länder zu übergeben“, sagte er laut einem Bericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur „TASS“.
Tatjana Moskalkowa, die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, bezeichnete den wahren Anlass für die Verhaftung des Geschäftsmannes als „den Versuch, Telegram zu schließen“.
„TASS“ berichtete zudem, dass im Internet Petitionen erschienen sind, die die Freilassung des Mitbegründers von Telegram fordern. In Moskau werden Papierflugzeuge zur Unterstützung des Geschäftsmannes vor der französischen Botschaft abgelegt.
Der in Russland lebende ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Snowden war derjenige, der das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten, besonders des US-amerikanischen, aufgedeckt hat.
Er nannte die Verhaftung von Durow auf seinem X-Kanal „einen Angriff auf die grundlegenden Menschenrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.“ Er schrieb, dass er überrascht sei, „dass Macron sich auf das Niveau einer Geiselnahme herabgelassen hat, um Zugang zu privater Kommunikation zu erhalten“.
The arrest of @Durov is an assault on the basic human rights of speech and association. I am surprised and deeply saddened that Macron has descended to the level of taking hostages as a means for gaining access to private communications. It lowers not only France, but the world.
— Edward Snowden (@Snowden) August 25, 2024
Telegrams Schlüsselrolle im russisch-ukrainischen Krieg
Laut einer Analyse des US-Verteidigungsanalyseportals „Defense One“ könnte die Verhaftung von Durow – und mögliche weitere Maßnahmen gegen Telegram – die Fähigkeit der Öffentlichkeit verringern, den Krieg vollständig zu verstehen. In der Tat sei Telegram eine „wichtige Quelle für Analysen und Meinungen von russischen Militärbloggern“.
Die Bedeutung von Telegram für das Verständnis des russisch-ukrainischen Konflikts sei außergewöhnlich, da es eine direkte Informationsquelle für aktuelle Ereignisse und deren Hintergründe sei. „Telegram wird in Russland auf allen Ebenen des Verteidigungsministeriums genutzt, von hochrangigen Beamten bis zu einzelnen Einheiten, die über ihre Fortschritte berichten. Russische Regierungsbeamte, regionale Beamte, Freiwillige, Privatpersonen und viele andere nutzen es“, erklärte Samuel Bendett, Mitarbeiter beim Center for a New American Security, gegenüber „Defense One“.
Die App dient angeblich dank ihrer verschlüsselten Kommunikationsmöglichkeiten auch der Kommunikation von Kampftruppen an der Front. Die Ende-zu-Ende-verschlüsselten „Secret Chats“ innerhalb des Dienstes bedeuten nämlich, dass sogar das Unternehmen selbst die Unterhaltungen nicht mitlesen kann.
In einem Artikel der „Moscow Times“ wird dazu ein X-Post zitiert, der einen beliebten russischen Telegram-Kanal zeigt. Demnach werde Telegram auch von den russischen Streitkräften zur Kommunikation genutzt. „Wenn westliche Geheimdienste Zugang dazu erhalten, könnten sie sensible Informationen über das russische Militär erlangen“, so die Warnung vor den möglichen Folgen.
Russisches Außenministerium: Wo sind die westlichen NGOs?
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, erinnerte auf ihrem Telegram-Kanal an einen Vorfall im Jahr 2018. Damals war die Rede davon, die Telegram-App in Russland zu verbieten.
Als Reaktion darauf starteten 26 Nichtregierungsorganisationen (darunter Human Rights Watch, Amnesty International, Freedom House und Reporter ohne Grenzen), eine Kampagne, in der sie Russlands Pläne für ein Verbot der Plattform in dem Land verurteilten.
Die Sprecherin merkte an, dass diese Organisationen daraufhin die UN, den Europarat, die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die EU, die USA und andere Regierungen aufforderten, gegen Russlands Entscheidung vorzugehen. Sie forderten den Schutz der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre.
Zakharova erinnerte auch daran, dass sich Russland tatsächlich in einem Rechtsstreit mit Durow über das Verschlüsselungssystem von Telegram befand. Jedoch blieb Durow trotz dieser Probleme „die ganze Zeit über auf freiem Fuß und entwickelte Telegram weiter“.
„Glauben sie, dass diese Organisationen dieses Mal nach Paris gehen und Durows Freilassung fordern werden, oder werden sie schweigen?“, fragte Zakharova.
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