Cyberangriff: Wahlkampfaccount von der Leyens auf X kurzfristig gesperrt

Der X-Account des Wahlkampfteams von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen war am Dienstag kurzfristig gesperrt. Ein Bot-Angriff soll dahinterstehen. Die Politikerin zeigt sich mit Blick auf ihre Wiederwahl siegessicher. Es gibt jedoch Gerüchte über ein mögliches Komplott im Hintergrund.
«Müssen schneller, digitaler, sauberer werden»: Ursula von der Leyen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 5. Juni 2024

Eine unliebsame Überraschung erlebte das Wahlkampfteam von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag, 4. Juni, auf X. Für die Dauer von einer Stunde war der Account des Wahlkampfteams der obersten EU-Repräsentantin gesperrt.

Über die Gründe gab es zunächst eine Vielzahl an Spekulationen. Einige X-Nutzer dachten an einen Satire-Bot, andere gingen von konzertierten Meldungen wegen angeblichen Spams aus, nachdem der Account eine Werbekampagne lanciert habe.

„Olaf Scholz“ als Absender von Bot-Mails an von der Leyen

Das Portal „Politico“ erklärte hingegen, es sei während des Besuchs von der Leyens in Schweden am Montag zu einer gezielten Überflutung des Briefkastens ihres Wahlkampfteams gekommen. Die Europäische Volkspartei (EVP), für die von der Leyen kandidiert, sprach von einem „koordinierten Cyberangriff“.

Insgesamt sollen etwa 10.000 E-Mails auf dem Account eingegangen sein. Einige der Nachrichten, die auf Deutsch und Polnisch verfasst waren, trugen Absendernamen wie „Olaf Scholz“. Erst im Vormonat war es zu einem Bot-Angriff auf die Website der EVP gekommen. Daraufhin hatte diese ihre Schutzvorkehrungen verstärkt.

Damals erklärte von der Leyen, dass „Cyberangriffe uns nicht abschrecken werden“. Sie selbst stehe für ein „starkes Europa, das sich verteidigen kann – egal wo“. Bereits im Dezember 2023 hatte die IT-Abteilung des EU-Parlaments vor möglichen von Staaten gesteuerten Angriffen gewarnt. Diese seien mittlerweile häufiger und tückischer als im Vorfeld der Wahl 2019.

Amtsinhaberin hat ihren Konkurrenten vor allem den Bekanntheitsgrad voraus

Im Vorfeld der EU-Wahlen stehen die Chancen für von der Leyen, in ihrem Amt bestätigt zu werden, gut. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass sie sich bereit zeigt, notfalls auch Parteien rechts der EVP wie Giorgia Melonis Fratelli d’Italia zur Zusammenarbeit einzuladen.

Vor allem kommt der früheren deutschen Mehrfachministerin der Umstand zugute, dass ihr Bekanntheitsgrad in Europa deutlich höher ist als jener der übrigen EU-Spitzenkandidaten. Einer Anfang Mai präsentierten Umfrage zufolge sind ihr Name und ihre Rolle EU-weit immerhin 75 Prozent der Befragten bekannt.

Zwar meinen nur 30 Prozent davon, ihre Leistung als EU-Kommissionspräsidentin kompetent beurteilen zu können. Unter diesen haben jedoch immerhin 60 Prozent eine überwiegend positive Meinung von ihr.

Liebling der äußersten Linken ist nicht Walter Baier – sondern Ursula von der Leyen

Ihre Gegenkandidaten auf EU-Ebene verfügen hingegen nicht einmal über einen nennenswerten Bekanntheitsgrad über ihre Herkunftsländer hinaus. Dies betrifft den Sozialdemokraten Nicolas Schmit – obwohl er immerhin bereits EU-Arbeitskommissar war – ebenso wie ALDE/Renew-Spitzenkandidat Sandro Gozi.

Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke hatte über die Grenzen ihrer Parteienfamilie hinaus bereits durch #MeToo-Vorstöße im EU-Parlament eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auch in der „Queer-Szene Osteuropas“ werde ihr Name mit hoher Achtung genannt, schreibt der „Tagesspiegel“. Allerdings räumt auch dieser ein, dass sie „Deutschlands unbekannteste EU-Spitzenkandidatin“ sei.

Nicht einmal auf einer Wahlliste findet sich der Österreicher Walter Baier, der Spitzenkandidat der Europäischen Linken zur EU-Wahl. Baier hatte die Aufgabe, die KPÖ nach dem Zusammenbruch des Ostblocks durch einen weitreichenden Ausverkauf vor dem finanziellen Ruin zu retten. Er hat versucht, den Klimawandel zum Thema der altmarxistischen Partei zu machen und einen Dialog mit kirchlichen Organisationen wie der Fokolarbewegung zu verstetigen.

Vor der EU-Wahl steht die Linke jedoch vor einer Reihe von Problemen, zu denen bereits die Uneinigkeit über ein Programm gehört. Nun gibt es zwei linke EU-Wahlprogramme – eines der Europäischen Linken und eines des französischen Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon. Was außerdem ihren Stand nicht erleichtert: Die besten Bewertungen für die Leistung von Ursula von der Leyen in Europa kommen von Wählern, die sich der äußersten Linken zuordnen.

Scholz in mögliches Komplott zur Inthronisierung von Mario Draghi involviert?

Ein mögliches unfreiwilliges Exit-Szenario für von der Leyen kolportierten einige Medien in den vergangenen Tagen. Demnach soll das Verhältnis zwischen von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel äußerst angespannt sein.

Diesem werden Ambitionen nachgesagt, von der Leyen stürzen zu wollen, aber es stellt sich auch für ihn die Frage nach einem aussichtsreichen Konkurrenten, der sich mobilisieren ließe. Nun wird kolportiert, dass Michel, der als enger Vertrauter von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt, den Namen Mario Draghi ins Spiel bringe.

Selbst Olaf Scholz soll diese Option nicht gänzlich unsympathisch sein. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass einer der potenziellen Komplottanten vorpreschen würde, sollte es keine wahrscheinliche Mehrheit für die Gegenoption geben. Und diesbezüglich könnte es am Ende auf Akteure wie Italiens Premierministerin Giorgia Meloni ankommen. Zu dieser hatte jedoch von der Leyen jüngst Tuchfühlung aufgenommen – und war dafür von Sozialdemokraten scharf kritisiert worden.

Meloni zur Unterstützung von Landsmann Draghi zu bewegen, wäre nicht undenkbar. Eine Kehrtwende der deutschen Sozialdemokraten in dieser Art könnte für sie jedoch innenpolitisch zum Bumerang werden.



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