Wahlen in Afrikas größter Demokratie Nigeria
Mit einer Woche Verspätung wählt Afrikas Land der Superlative am Samstag einen neuen Präsidenten. Experten rechnen mit einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen dem konservativen Amtsinhaber Muhammadu Buhari (76) und dem liberalen Oppositionskandidaten Atiku Abubakar (72).
Experten warnen, dass es bei einem knappen Wahlausgang zu Gewalt zwischen den Anhängern der beiden Lager kommen könnte, falls der unterlegene Kandidat das Ergebnis nicht anerkennen sollte.
Es steht viel auf dem Spiel: Nigeria ist mit knapp 200 Millionen Einwohnern Afrikas bevölkerungsreichstes Land, die größte Volkswirtschaft und auch der wichtigste Ölproduzent des Kontinents. Gleichzeitig leben in keinem Land der Welt mehr Menschen in extremer Armut. Das ist auch einer der Gründe, wieso viele Nigerianer nach Europa fliehen. Allein in Deutschland beantragten 2018 gut 11.000 Nigerianer Asyl, das war Platz fünf in der Asylstatistik. Und der Migrationsdruck wird weiter steigen: Die Bevölkerung soll sich UN-Prognosen zufolge von derzeit 200 Millionen Menschen bis 2100 auf rund 800 Millionen Menschen vervierfachen.
Die überraschende Verschiebung der Abstimmung am vergangenen Samstag nur Stunden vor der Öffnung der Wahllokale hat die Spannungen in dem westafrikanischen Land weiter verstärkt. Die seither geäußerten Verschwörungstheorien und Schuldzuweisungen der großen Parteien könnten das Vertrauen in die Wahlkommission weiter erschüttern, erklärt Nigeria-Experte Nnamdi Obasi von der Denkfabrik International Crisis Group. „Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit von Auseinandersetzungen und gewaltsamen Zusammenstößen während und nach der Wahl“, so Obasi.
Die Ratingagentur Fitch erklärt, die Verschiebung dürfte zu einer niedrigeren Wahlbeteiligung führen, was ein Vorteil für Amtsinhaber Buhari wäre. Der Präsident half nach der Verschiebung auch nicht dabei, die Wogen zu glätten: Am Montag drohte er möglichen Wahlbetrügern sogar mit dem Tod. Er habe Militär und Polizei angewiesen, „skrupellos“ vorzugehen, polterte Buhari. Die Wahl 2015 war friedlich verlaufen, nach der umstrittenen Wahl 2011 waren jedoch rund 1000 Menschen bei Ausschreitungen ums Leben gekommen.
Wahlberechtigt sind rund 84 Millionen Nigerianer. Um das Amt des Staatschefs bewerben sich 72 Kandidaten. Um die Wahl zu gewinnen, braucht ein Kandidat sowohl eine absolute Stimmenmehrheit als auch mindestens 25 Prozent der Stimmen in zwei Dritteln der 36 Bundesstaaten. Bei der Wahl wird auch ein neues Parlament bestimmt. Erste zuverlässige Ergebnisse wurden nicht vor Montag erwartet.
Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten versprechen der mehrheitlich jungen Bevölkerung Nigerias Reformen: Der asketisch wirkende Buhari will die Infrastruktur verbessern und verspricht, Korruption und radikale Islamisten zu bekämpfen. Der eher leutselige Unternehmer Abubakar will die Wirtschaft liberalisieren und damit Wachstum und Millionen Arbeitsplätze schaffen. Die beiden Favoriten sind für die Wähler keine unbeschriebenen Blätter.
Der frühere General Buhari, der Nigeria in den 1980er Jahren zeitweise als Militärdiktator regiert hatte, tritt erneut für die Partei der Fortschrittlichen (APC) an. Ihm wird jedoch vorgeworfen, in seiner Amtszeit nur wenig erreicht zu haben. Die Korruption ging kaum zurück, das Gesundheitssystem ist immer noch desolat und die Anzahl der Armen nahm weiter zu. Rekorde stellte Buhari mit langen Krankheitsphasen auf. Den Grund für seine monatelangen Auszeiten in London verschweigt er. Im Dezember dementierte er Gerüchte, wonach er bereits tot und durch einen Doppelgänger ersetzt worden sei.
Oppositionskandidat Abubakar, der in Nigeria nur nach seinem Vornamen Atiku genannt wird, tritt für die Demokratische Volkspartei (PDP) an. Er war von 1999 bis 2007 Nigerias Vizepräsident. Abubakar baute zu der Zeit auch sein Firmenkonglomerat aus, das Geschäfte im Ölsektor, in den Medien und dem Bildungsbereich umfasst. Seit Jahren verfolgen Abubakar schwere Korruptionsvorwürfe. Es gilt als wahrscheinlich, dass er geschäftlich auch von seinen politischen Beziehungen profitierte. In einem Bericht des US-Senats aus dem Jahr 2010 wurde geschildert, wie Abubakar Millionen Dollar in die USA verschoben haben soll. Der Politiker weist alle Vorwürfe zurück.
Wer auch immer die Wahl gewinnt, muss sich der Krise im verarmten Nordosten des Landes stellen: Dort terrorisieren sunnitische Extremisten die Bevölkerung. Mindestens zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht vor der Gewalt. Buhari hatte die Wahl 2015 vor allem gewonnen, weil er versprach, den radikalen Islamisten ein Ende zu bereiten. Unter seiner Führung machte das Militär große Fortschritte. Buhari bezeichnete die Islamisten sogar als „technisch besiegt“. Doch das war voreilig: die Islamisten erstarkten zuletzt wieder. (dpa)
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