Wahl in Katalonien: Unabhängigkeitsbewegung geht die Luft aus

Bei den Regionalwahlen in Katalonien konnten die Sozialisten ihre führende Position ausbauen. Die separatistischen Parteien verloren ihre Mehrheit. Die konservative Volkspartei gewann überraschend deutlich hinzu.
Ein Wähler gibt in einem Wahllokal in La Roca del Vallès seine Stimme ab.
Ein Wähler gibt in einem Wahllokal in La Roca del Vallès seine Stimme ab.Foto: Emilio Morenatti/AP
Von 13. Mai 2024

Am Sonntag, 12.5., wählte Katalonien ein neues Regionalparlament. Die Wahl war erforderlich geworden, nachdem es Regionalpräsident Pere Aragonès nicht gelungen war, eine Mehrheit für seinen Haushalt zu organisieren. Am 13. März kündigte er daraufhin Neuwahlen an.

Die politische Lage in der wohlhabenden Provinz im Nordosten Spaniens hatte sich in den vergangenen Jahren wieder etwas beruhigt. Allerdings waren die Nachwirkungen des von der Regierung in Madrid nicht anerkannten Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober 2017 nach wie vor spürbar. Es erschien vor der Wahl sogar als denkbar, dass mit dem früheren Regionalpräsidenten Carles Puigdemont ein Politiker in sein Amt zurückkehrt, gegen den in Spanien derzeit noch ein Haftbefehl offen ist. Nach dem vorläufigen Endergebnis erscheint diese Option allerdings nicht mehr sehr wahrscheinlich.

Keine klare Mehrheit in Katalonien in Sicht

Die Sozialisten (PSOE/PSC) konnten ihre im Jahr 2021 errungene Führungsposition weiter auf 28 Prozent ausbauen (plus 5 Prozent) und kommen auf voraussichtlich 42 Sitze (plus 9 Sitze) im 135 Mandate umfassenden Parlament. Demgegenüber büßten die Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter ihre strategische Mehrheit ein.

Die Formation „Gemeinsam für Katalonien“ (Cat-Junts) von Puigdemont konnte sich auf 21,6 Prozent (plus 1,5 Prozent) und 36 Sitze verbessern (plus 4 Sitze). Die ebenfalls pro-separatistische Republikanische Linke (ERC) von Regionalpräsident Aragonès stürzt hingegen ab und kommt nur noch auf 13,7 Prozent (minus 7,6 Prozent). Sie verliert gleich 13 Sitze und wird nur noch mit 20 Abgeordneten vertreten sein.

Das Linksbündnis Comuns Sumar kommt auf 5,8 Prozent (minus 1,1 Prozent) und 6 Sitze im Parlament und verliert damit 2 Mandate. Vier Sitze (minus 5 Sitze) bei 4,1 Prozent entfallen auf das Pro-Unabhängigkeitsbündnis CUP. Von den gesamtspanisch ausgerichteten Parteien kommt die Volkspartei (PP) auf 11 Prozent (plus 7,2 Prozent) und 15 Mandate. Sie gewinnt damit 12 Sitze dazu. Die liberale Partei Ciudadanos stürzte auf 0,7 Prozent (minus 4,9 Prozent) ab und verlor ihre bisherigen 6 Sitze.

Insgesamt stimmten nur etwa 40 Prozent der Wahlbeteiligten für Unabhängigkeit

Erstmals in die Regionalversammlung wird die islamfeindliche Katalanische Allianz einziehen, die Prognosen zufolge mit 3,8 Prozent auf 2 Sitze kommt. Mit ihr will jedoch keine der anderen Separatistenparteien ein Bündnis eingehen. Gleiches gilt für Vox. Die Rechtspartei, die ein unabhängiges Katalonien vehement ablehnt, kommt auf 8 Prozent (plus 0,3 Prozent). Sie hält ihre bisherigen 11 Sitze. In Summe könnte ein Linksbündnis aus Sozialisten, ERC und den auf Bundesebene mitregierenden Comuns auf eine hauchdünne gemeinsame Mehrheit von 68 Sitzen kommen. Allerdings hing diese zuletzt an einem Vorsprung der Sozialisten gegenüber Cat-Junts von gerade einmal 40 Stimmen in einem Stimmbezirk in Lleida.

Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien erlitt damit jedoch in jedem Fall einen empfindlichen Dämpfer. Sie hatte in den vergangenen Jahren insgesamt an Kraft verloren. Dies lag nicht nur an der Uneinigkeit unter ihren Protagonisten. Bereits im Jahr 2017 war die Region in dieser Frage insgesamt gespalten. Beim Referendum am 1. Oktober 2017, das von Sicherheitskräften teils mit massiver Gewalt zu unterbinden versucht wurde, stimmten 92 Prozent für eine Eigenstaatlichkeit. Allerdings lag auch die Beteiligung an der Abstimmung lediglich bei 43 Prozent.

Spaniens Regierung entmachtete damals auf Grundlage des Artikels 115 über den Verfassungsnotstand die Regionalregierung. Gegen 12 führende katalanische Politiker gab es Strafverfahren, unter anderem wegen „Aufruhrs“ und „Rebellion“. Diese endeten mit Urteilen, die von Geldstrafen und Politikverboten bis zu 13 Jahren Haft reichten. Puigdemont entzog sich seiner Verhaftung durch eine Flucht nach Belgien.

Sánchez setzt gegenüber den Separatisten auf Einhegung statt Konfrontation

Die Urteile lösten Massendemonstrationen und zum Teil gewaltsame Ausschreitungen in mehreren Städten Kataloniens hervor. Nachdem der Sozialist Pedro Sánchez im Jahr 2020 in Madrid die Regierung übernommen hatte, erwirkte er gegen den Widerstand der Rechtsopposition eine Begnadigung. Diese sollte zur „nationalen Versöhnung“ beitragen – und der Unabhängigkeitsbewegung den Wind aus den Segeln nehmen.

Für Juni dieses Jahres strebt er auch eine Amnestie des nach wie vor flüchtigen Puigdemont an, den „Gemeinsam für Katalonien“ als Spitzenkandidaten nominiert hatte. Sollte diese wie zwischen Sánchez und der Regionalregierung vereinbart zustande kommen, und das Resultat der Regionalwahlen gibt dem Ansinnen Rückenwind, könnte er sogar wieder zum Regionalpräsidenten gewählt werden.

Dass seine Partei am Ende deutlich hinter den Sozialisten geblieben ist, macht seine Position jedoch nicht stärker. Auch, dass Sánchez – anders als der zum Zeitpunkt des Referendums regierende PP-Ministerpräsident Mariano Rajoy – auf Einhegung der Separatisten anstatt auf Konfrontation setzt, würde Puigdemont eine schwierigere Ausgangsposition verschaffen. Die Sozialisten verdanken ihre Zugewinne vorwiegend einem starken Abschneiden in den Wahlgebieten Barcelona (29,9 Prozent) und Tarragona (25,4 Prozent). In Girona (34,9 Prozent) und Lleida blieb die Puigdemont-Partei voran. Dort konnte auch die rechtsextreme Katalanische Allianz deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse verbuchen.

Neue Probleme seit der Corona-Zeit hatten Unabhängigkeit in den Hintergrund gedrängt

Insgesamt haben sich auch die Herausforderungen und politischen Schwerpunkte in Katalonien seit dem Jahr 2017 deutlich verändert. Die Coronakrise hatte das gesamte Land in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeworfen. Die Krise infolge des gescheiterten Versuchs, die Unabhängigkeit zu erzwingen, hatte den Eindruck von politischer Instabilität vermittelt. Die Folge war, dass die Erholung in Katalonien langsamer vonstattenging, als in Spanien insgesamt.

Die Wahlbeteiligung lag um 18 Uhr bei 45,8 Prozent. Das war nur unwesentlich höher als im Pandemiejahr 2021 – und um mehr als 20 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2017. In den letzten Stunden vor Schluss der Wahllokale stieg sie jedoch auf 57,94 Prozent an (plus 4,4 Prozent). Dies scheint vor allem den Befürwortern eines Verbleibs Kataloniens bei Spanien genutzt zu haben. Insgesamt kann von einem Auftrag, einen neuerlichen Anlauf zur Unabhängigkeit zu nehmen, keine Rede sein. Unter den gegebenen Umständen ist es sogar unsicher, ob Puigdemont überhaupt versuchen wird, ins Amt zurückzukehren.

Mit der Energiekrise, den Bauernprotesten oder der Asylproblematik sind zudem weitere Herausforderungen auf die Region zugekommen, die das Thema der Unabhängigkeit überlagern. Zu den Bedenken bezüglich eines unabhängigen Kataloniens gehört es zudem, dass dieses unter den Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) geraten könnte.

KPC beobachtet Entwicklung in Katalonien aufmerksam

Zwar bezeichnet die KPC den Separatismus traditionell als eines der „drei großen Übel“, die international bekämpft werden sollten – neben religiösem Extremismus und Terrorismus. Durch das Unabhängigkeitsreferendum hat die Führung in Peking auch offiziell Bekenntnisse zur territorialen Integrität Spaniens abgegeben.

Dennoch sieht die KPC bereits seit 1988 in Katalonien einen besonderen Schwerpunkt im Kontext ihrer Wirtschaftsbeziehungen zu Spanien. Mittlerweile ist der Hafen von Barcelona im Besitz des in Hongkong ansässigen Unternehmens Hutchison, das erheblich in den Bau eines neuen Terminals investiert hat. Auch die Regionalregierung Kataloniens hatte ihre Wirtschaftsbeziehungen zur KPC erheblich ausgebaut. Die Einrichtung des China Desk, der fester Bestandteil des „ACCIÓ-Catalonia Trade & Investment China“-Plans ist, soll chinesische Investitionen anziehen, insbesondere in Schlüsselbereichen wie Mobilität und Gesundheit.



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