Wahl in Georgien: Deutsche Außenpolitiker sehen schwere Manipulationen
Deutsche Außenpolitiker haben massive Wahlrechtsverstöße bei der Parlamentswahl in Georgien beklagt. Sowohl das Moskau-freundliche Regierungslager als auch die pro-europäische Opposition beanspruchen den Sieg für sich. Die Opposition bezeichnete die offiziellen Ergebnisse als „gefälscht“.
„Insbesondere auf dem Land wurden Wählerinnen und Wähler massiv unter Druck gesetzt und wir haben schwer wiegende Manipulationen gesehen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, der sich derzeit als Wahlbeobachter in Georgien aufhält, dem ZDF. Diese Umstände hätten „sicherlich zu vielen Stimmen für die Regierungspartei geführt“.
Union: Deutschland soll weiterhin pro-europäische Kräfte unterstützen
Der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gunther Kriechbaum, sagte am Sonntag: „Der Wahlkampf war geprägt von Staatspropaganda und Fake-News, in dem Oppositionsparteien so gut wie nicht vorkamen. Die im Raum stehenden massiven Wahlrechtsverstöße verurteilen wir auf Schärfste.“
Kriechbaum forderte, die pro-europäischen Kräfte in Georgien weiter zu unterstützen. „Diese aufzugeben, hieße deren Hoffnungen aufzugeben, eines Tages in einem Land leben zu dürfen, in dem Freiheit, Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit selbstverständlich sind“, sagte Kriechbaum. Dies würde letztlich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „in die Karten spielen“.
Auch der deutsche OSZE-Wahlbeobachter Manfred Grund hat sich verwundert über den offiziell verkündeten Wahlsieg der Regierungspartei in Georgien gezeigt. „Das Ergebnis ist insgesamt schwer erklärbar“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete, der sich derzeit in Georgien aufhält, am Sonntag in einem Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur AFP in Berlin.
„Es hat eine starke Einflussnahme der Regierungspartei gegeben“, sagte er. „Es wurde administrativer Druck ausgeübt, damit die Leute für die Regierungspartei stimmen. Es wurden dabei auch administrative Ressourcen eingesetzt.“
Grund besuchte nach eigenen Angaben am Wahltag 15 Wahllokale in einer ländlichen Region im Landesteil Kachetien östlich der Hauptstadt Tiflis. In elf dieser Wahllokale sei die Stimmabgabe maschinell erfolgt. Manipulationen habe er selbst vor Ort nicht feststellen können.
Internationale Wahlbeobachter
Der Urnengang sei durch „Ungleichheiten (zwischen den Kandidaten), Druck und Spannungen“ gestört worden, urteilten die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarats, des Europaparlaments und der NATO am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung. Sie brachten Bedenken zur Glaubwürdigkeit des offiziellen Ergebnisses zum Ausdruck, mit dem die Moskau-freundliche Regierungspartei zur Siegerin erklärt wurde.
Einer der Beobachter, Antonio Lopez-Isturiz White, sagte, die Wahlen vom Samstag seien „der Beweis“ für den „Rückschritt der Demokratie“ in dem Kaukasusland mit seinen rund vier Millionen Einwohnern.
Es droht ein Machtkampf
Nach offiziellen Ergebnissen aus mehr als 99 Prozent aller Wahlkreise habe der Georgische Traum 54,08 Prozent der Stimmen erhalten, während das Oppositionsbündnis aus vier pro-westlichen Allianzen auf 37,58 Prozent gekommen sei, sagte der Vorsitzende der Wahlkommission, Giorgi Kalandarischwili, am Sonntag.
Die Wahlen am Vortag hätten „in einer ruhigen und freien Umgebung stattgefunden“.
Dem Ergebnis nach käme der pragmatisch regierende Georgische Traum auf 91 von 150 Sitzen im Parlament und würde damit die angestrebten 113 Sitze verfehlen, mit denen die Partei ein Verbot aller wichtigen Oppositionsparteien durchsetzen wollte.
Der Exekutivsekretär der Regierungspartei Georgischer Traum, Mamuka Mdinaradse, sprach von einer „soliden Mehrheit“ für seine Partei. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban gratulierte der Regierungspartei zu ihrem „überwältigenden“ Sieg.
Iwanischwili und Bokuschawa
Der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der die Regierungspartei Georgischer Traum gründete, sagte, die Partei habe in schwierigen Zeiten einen Erfolg erzielt. „Ich versichere Ihnen, unser Land wird in den kommenden vier Jahren sehr erfolgreich sein“, fügte er hinzu.
Iwanischwili hatte sich im Wahlkampf als Garant für Frieden positioniert und eine Verschwörungstheorie über eine „globale Kriegspartei“ verbreitet, die westliche Institutionen kontrolliere und Georgien in den russisch-ukrainischen Krieg hineinziehen wolle.
Die Chefin der größten Oppositionspartei UNM, Tina Bokuschawa, betonte, das Bündnis erkenne die „gefälschten Ergebnisse der gestohlenen Wahlen nicht an“. Sie sprach von einem „Versuch, die Zukunft Georgiens zu stehlen“. „Wir hoffen, dass die Opposition in allen Aufrufen zum Handeln, die in den nächsten Stunden angekündigt werden, vereint sein wird.“
Nachwahlbefragungen kamen zu anderem Wahlergebnis
Nach der Schließung der Wahllokale hatten ein oppositionsnaher und ein regierungsnaher Fernsehsender konkurrierende Nachwahlbefragungen veröffentlicht. Die von dem oppositionsnahen Sender veröffentlichte Umfrage sah das Oppositionsbündnis bei 51,9 Prozent. Die Regierungspartei lag nach dieser von dem US-Institut Edison Research vorgenommenen Befragung nur bei 40,9 Prozent.
Der pro-westlichen Präsidentin Salome Surabischwili zufolge gab es am Wahltag in mehreren Wahllokalen „beunruhigende Vorfälle von Gewalt“. In Onlinenetzwerken wurden Videos verbreitet, wonach es an mehreren Wahllokalen zu gewaltsamen Konfrontationen kam.
Der seit 2012 regierende Georgische Traum verfolgte zunächst einen liberalen, pro-westlichen Kurs, wandte sich in den vergangenen zwei Jahren jedoch verstärkt Moskau zu. Die Verabschiedung eines Gesetzes der Regierung gegen angebliche „ausländische Einflussnahme“ hatte in diesem Jahr Massenproteste in dem Kaukasusland ausgelöst. Brüssel fror daraufhin den EU-Beitrittsprozess mit Georgien ein, und die USA verhängten Sanktionen.
Die Regierungspartei hatte auch eine Kampagne gegen sexuelle Minderheiten gestartet. Sie verabschiedete Maßnahmen, die „LGBTQ-Propaganda“ verbieten, im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen annullieren und Geschlechtsangleichungen verbieten. (afp/red)
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