Wahldrama in Spanien: Konservative PP-Partei gewinnt, kann aber keine Regierung bilden

Die konservative Volkspartei PP hat die Parlamentswahl in Spanien gewonnen. Doch mit dem Bündnis der rechten Vox-Partei ist noch keine absolute Mehrheit für eine Regierung erreicht. Somit könnte sogar der linksgerichtete Premierminister Sánchez an der Macht bleiben – wenn er genügend Parteien hinter sich vereint.
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Der Vorsitzende der konservativen Partido Popular (Volkspartei), Alberto Nunez Feijóo (M.), spricht am 23. Juli 2023 nach den spanischen Parlamentswahlen von einem Balkon der PP-Zentrale in Madrid.Foto: Oscar del Pozo/AFP via Getty Images
Von 24. Juli 2023

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Spanien ist die konservative Partido Popular (PP) nach Auszählung fast aller Stimmen zur stärksten Kraft geworden. „Als Kandidat der Partei, die die meisten Stimmen erhalten hat, sehe ich es als meine Pflicht an, den Dialog so schnell wie möglich zu eröffnen, um eine Regierung zu bilden“, sagte PP-Chef Alberto Núñez Feijóo in der Nacht zum Montag.

In seinen Augen wäre es eine „Anomalie“, wenn die Partei mit den meisten Stimmen nicht in Spanien regieren könnte. Dies versicherte er vom Balkon des Hauptquartiers in der Calle Génova in Madrid, wie die Zeitung „El Mundo“ berichtete. „Unsere Aufgabe ist es jetzt, eine Periode der Unsicherheit in Spanien zu verhindern“, so Feijóo weiter. Die Sozialisten forderte er auf, eine solche Regierung nicht zu „blockieren“. Doch auch der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft darauf, an der Regierung zu bleiben.

Nach Auszählung von 99,5 Prozent der Stimmen lag die von Feijóo geleitete PP bei 136 Mandaten im neuen Parlament, ein Zugewinn von 47 Sitzen im Vergleich mit der Wahl von 2019. Sánchez‘ PSOE kam auf 122 Sitze. Beide Parteien haben damit keine absolute Mehrheit erreicht, die bei 176 Mandaten liegt. Aus diesem Grund sind beide Lager auf die Unterstützung kleiner Parteien angewiesen, um die Regierung bilden zu können.

PP-Partei: Drei Millionen Stimmen mehr als 2019

Die rechte Vox-Partei als möglicher Partner der PP lag bei 33 Mandaten. Beide Parteien kämen zusammen auf 169 Sitze. Das Linksbündnis Sumar als Partner der PSOE lag bei 31 Mandaten, zusammen würden beide Parteien demnach 153 Sitze erreichen. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei fast 70 Prozent und damit 3,5 Prozentpunkte höher als bei der letzten Wahl.

Konkret konnte Alberto Núñez Feijóo 33,05 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Dies umfasst mehr als 8.083.000 Wähler. Damit liegt die PP-Partei knapp vor der PSOE-Partei. Letztere erhielt 31,70 Prozent der Stimmen, was 7.754.000 entspricht. Vox wiederum gewann 12,39 Prozent und mehr als 3.031.000 Stimmen.

Das Ergebnis der konservativen PP-Partei übertrifft das der Parlamentswahlen im November 2019 in erheblichem Ausmaß. Der damalige PP-Kandidat Pablo Casado hatte nur 89 Sitze und 20,99 Prozent der Stimmen belegt. Bei der damaligen Wahl hatte die PP insgesamt 5.047.040 Stimmen erzielt.

Premierminister Sánchez will progressive Agenda fortführen

PSOE-Chef Pedro Sánchez hat sich laut „El Mundo“ sichtlich glücklich gezeigt, als er angab, dass die PSOE „mehr Stimmen, mehr Sitze und mehr Prozent“ als vor vier Jahren gewonnen habe. „Spanien hat sich sehr deutlich geäußert. Der regressive Block ist gescheitert“, verkündete der sozialistische Regierungspräsident.

Laut Sánchez gebe es „viel mehr Menschen, die wollen, dass Spanien vorankommt, als solche, die einen Rückschritt wollen“. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen im Jahr 2019 hat seine Partei jedoch nur zwei Sitze dazugewonnen – die PP-Partei dagegen 47.

Der jetzige Ministerpräsident Pedro Sánchez am 24. Juli 2023 in der Zentrale der Sozialistischen Partei Spaniens (PSOE) in Madrid. Daneben die spanische Haushaltsministerin Maria Jesus Montero (r.) und die PSOE-Vorsitzende Cristina Narbona. Foto: Pierre-Philippe Marcou/AFP via Getty Images

Sánchez hatte argumentiert, dass nur die PSOE und das linksgerichtete Sumar-Bündnis seine in den letzten vier Jahren verfolgte progressive Agenda verteidigen und umsetzen könne.

Das Sumar-Bündnis wird von seiner stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz angeführt. Dazu gehört auch die linke Unidas Podemos. Erst Anfang Juni hat Díaz das Bündnis offiziell geformt, kurz nach den Kommunal- und Regionalwahlen, bei denen Unidas Podemos historisch schlechte Ergebnisse erzielt hatte. So gelang es der Juristin aus dem nordspanischen Galicien, die gesamte Linke hinter sich zu vereinen: Kommunisten, Antikapitalisten, linksalternative Bürgerbewegungen, Grüne – genau 20 Klein- und Kleinstparteien.

Am Sonntagabend sagte Díaz zu den Sumar-Anhängern: „Wir haben gewonnen. […] Von morgen an müssen wir weiter Rechte gewinnen, und wir sind entschlossen, das zu tun – mehr Rechte für Frauen, für LGBTI-Personen und für Arbeitnehmer.“

Mögliche Parteibündnisse zur Regierungsbildung

Das politische Szenario, das sich nun abzeichnet, hat einen ungewissen Ausgang. Die beiden rechtsgerichteten Parteien – PP und Vox – verfügen über 169 Sitze und sind sieben Sitze von der absoluten Mehrheit entfernt. Feijóo könnte mit Verhandlungsgeschick zwei weitere Sitze hinzugewinnen, wie „El Mundo“ angibt. Dabei handelt es sich um den der Unión del Pueblo Navarro. Noch mehr Mühe müsse Feijóo jedoch aufwenden, um den der Coalición Canaria zu gewinnen. Bisher hat diese Partei behauptet, eine Regierung mit Vox-Beteiligung nicht unterstützen zu wollen.

Das linke Bündnis– PSOE und Sumar – erhielt 153 Abgeordnete. Mit dem gesamten Parteienspektrum des sogenannten „Investitionsblocks von Sánchez“ würde es jedoch 172 Sitze erreichen, einen mehr als der Rechtsblock. Dies würde die Unterstützung der Parteien ERC (sieben Sitze), EH Bildu (sechs Sitze), PNV (fünf Sitze) und der BNG (einen Sitz) erfordern.

Bei obigen Berechnungen wurde die katalanische Separatistenpartei Junts bisher außer Acht gelassen. Die vom 2017 abgesetzten früheren Regionalregierungschef Carles Puigdemont gegründete Partei kam auf sieben Sitze.

Puigdemont, der im belgischen Exil lebt, hatte zuvor eine Unterstützung sowohl der PP als auch der PSOE abgelehnt. Junts-Chefin Miriam Nogueras machte am Wahlabend klar, dass eine Unterstützung ihren Preis kosten werde. Junts setzt sich für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum ein, notfalls auch gegen den Willen des Zentralstaates. Das Engagement, die Sitze der Junts zu gewinnen, könnte sogar an die Grenzen der Verfassungswidrigkeit stoßen, so „El Mundo“.

Langwierige Verhandlungen erwartet

Rund 37,5 Millionen Spanier waren aufgerufen, die 350 Abgeordneten und 208 Senatoren zu wählen. Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre. Regionale und kleine Parteien spielen eine größere Rolle als in Deutschland und werden von den größeren Parteien umworben. Feijóo hatte am Wahltag gesagt: „Spanien kann eine neue Ära beginnen.“ Sánchez sprach von einer „sehr wichtigen“ Wahl für „die Welt und für Europa“. Spanien hat seit dem 1. Juli für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Doch wie geht es nun weiter? Sowohl die PP-Partei als auch die PSOE haben angekündigt, in den Dialog mit anderen Parteien zu treten. Die Verhandlungen der beiden politischen Lager über die Regierungsbildung werden nach der Einberufung des neuen Parlaments am 17. August beginnen.

König Felipe VI. wird den PP-Vorsitzenden Alberto Núñez Feijóo einladen, um sich das Amt des Ministerpräsidenten zu sichern. In einer ähnlichen Situation im Jahr 2015 hatte PP-Chef Mariano Rajoy die Einladung des Königs mit der Begründung abgelehnt, er könne die Unterstützung nicht aufbringen.

Sollte Feijóo ablehnen, könnte sich der König mit der gleichen Bitte an Premierminister Pedro Sánchez wenden. Das Gesetz sieht keine Frist für das Verfahren vor. Aber wenn innerhalb von zwei Monaten nach der ersten Abstimmung über den Ministerpräsidenten kein Kandidat eine Mehrheit erhält, müssen Neuwahlen abgehalten werden.

Die vorgezogenen Parlamentswahlen hatte Sánchez Ende Mai nach einer schweren Schlappe seiner Partei bei den Kommunal- und Regionalwahlen angekündigt. Sein Ziel lag darin, durch einen verkürzten Wahlkampf zu verhindern, dass die rechten Parteien noch mehr Wähler gewinnen.



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