Wagner-Aufstand erinnert China an eigenes Problem
Versteckt am Ende der chinesischen Hauptnachrichten am Sonntag, 25. Juni, wurde eine 58-sekündige Meldung über den Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Russland am 23. und 24. Juni 2023 gebracht.
Zuvor gab es ausführlichere Berichte über Staatschef Xi Jinping beim Besuch von chinesischen Bauern und von Premier Li Qiang bei der Präsidentin des karibischen Inselstaates Barbados, berichtete der „Merkur“ aus München. Auch der Außenminister Chinas, Qin Gang, habe sich wortkarg zurückgehalten: „Innere Angelegenheit“ war das Zauberwort, das auch China immer wieder gern gegenüber Menschenrechtsverbrechen benutzt.
Insgesamt habe Qin nur zwei Sätze zu dem Ereignis gesagt, so die Zeitung, das Russland für immer verändern könnte. Der Außenminister betonte aber allzu gern, dass China Russlands „freundlicher Nachbar und umfassender strategischer Kooperationspartner in der neuen Ära sei“.
Here’s coverage of the Russian Wagner insurrection in China state media. If there’s any single event during the Ukraine war so far that would make Xi rethink invading Taiwan (if he is considering that), this is it. The Biden administration’s aid to Ukraine has led to this moment. https://t.co/37KR29WrcT
— Edward Wong (@ewong) June 24, 2023
Die Bruderschaft bekommt Risse
Allerdings, so schrieb „Reuters“, habe ein hochrangiger US-Beamter einen Tag nach den Ereignissen gesagt, dass Chinas Führung durch den „Wochenendaufstand“ verunsichert worden sei. Ähnlich sah es der in Singapur ansässige Sicherheitsanalyst Alexander Neill: „Es hat der ‚No Limits‘-Beziehung einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Damit spielte der Experte auf die zwischen China und Russland erklärte „unbegrenzte“ Partnerschaft an, die die beiden Staatschefs während eines Treffens bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking kurz vor Kriegsbeginn in der Ukraine verkündeten.
Auch Andrew Small, Senior Fellow beim Indo-Pazifik-Programm des German Marshall Fund, sprach davon, dass die Wagner-Meuterei „China offensichtlich beunruhigt“ habe. Small, der auch Autor des Buches „No Limits: The Inside Story of China’s War with the West“ ist, sagte nach Angaben des renommierten japanischen Wirtschaftsmagagzins „Nikkei Asian Review“: „Interne Unruhen in Russland wären eines der schlimmstmöglichen Szenarien für Peking, und man wird auch besorgt sein, ob man die Machtdynamik in Moskau richtig einschätzen kann.“
Ähnlichkeit: Kriminelle Bande am Ruder
Nach Angaben von Mark Savchuk, Vorsitzender des Aufsichtsausschusses des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine, hat das Ereignis in Russland auch Auswirkungen auf Chinas Pläne bezüglich Taiwan: „Dies wird auf jeden Fall in die Überlegungen Pekings einfließen, Taiwan zurückzuerobern“, so Savchuk. Denn China habe in Russland keinen starken Verbündeten mehr, der es unterstütze. „Der Putschversuch hat gezeigt, dass Putins Regime tatsächlich noch schwächer ist als von China geschätzt, und Putins politischer Untergang könnte viel näher sein, als es ursprünglich schien.“
Savchuk meinte, so „Nikkei“, dass Russland wie eine organisierte kriminelle Bande regiert werde: Wenn der Boss die volle Kontrolle habe, verneige sich jeder und schwöre ihm Loyalität. Aber sobald es Anzeichen von Schwäche gebe, „werden sie es auf den Chef abgesehen haben“, erklärte der Ökonom. Ein solcher Kampf werde jedoch „unweigerlich zu Instabilität in ganz Russland“ mit seinen Hunderten ethnischen und religiösen Minderheiten führen.
Anonym: Chinas Militär könnte gespalten werden
Der Blick auf die chinesische Situation drängt sich auf. Die „South China Morning Post“ zitierte einen chinesischen Wissenschaftler, der lieber anonym bleiben wollte. Dieser meinte, dass ein Scheitern an der Frontlinie einer größeren Militäroperation – wie der zur Wiedervereinigung Taiwans – den Aufstieg inoffizieller militärischer Gruppen anheizen könnte und dass „Chinas Führer auf solche Risiken vorbereitet sein müssen“.
Der Experte verwies zwar darauf, dass es in China keine Söldnergruppe gebe und die Kommunistische Partei auch die einheitliche Führung des Militärs habe, die Pekinger Führer jedoch auch ein „extremes Szenario“ in Betracht ziehen sollten: Dass nämlich das Scheitern an der Frontlinie einer groß angelegten Militäroperation zu einer Spaltung der militärischen Macht führen könnte.
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