Libyen-Konferenz in Berlin: Waffenruhe wird fortgesetzt- Waffenambargo wird stärker kontrolliert
Die Kontrahenten im Libyen-Konflikt Fayiz as-Sarradsch und Chalifa Haftar haben nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Berliner Libyen-Gipfel ihre Zusicherung gegeben, dass mindestens in den nächsten Tagen eine Waffenruhe eingehalten werden soll. Auf einem weiteren Treffen ranghoher Vertreter beider Konfliktparteien sollen dann weitere Schritte zu einem Waffenstillstand vereinbart werden, sagte Merkel. Dieses Treffen solle in den nächsten Tagen in Genf stattfinden, hieß es weiter.
„Wir haben uns geeinigt auf einen umfassenden Plan, wie es weitergeht“, sagte Merkel. Die verabschiedeten Dokumente müssten nun vom UN-Sicherheitsrat akzeptiert werden. Die Konferenz habe einen „wichtigen Beitrag geleistet“, um die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen zu unterstützen.
Der gemeinsame Plan sieht laut Merkel vor, dass aus der derzeit in Libyen geltenden Waffenruhe ein dauerhafter Waffenstillstand wird. Die Kanzlerin hob mit Blick auf eine Diskussion um die Entsendung internationaler Beobachter hervor, erst wenn es solch einen dauerhaften Waffenstillstand gebe und die libyschen Konfliktparteien dazu bereit seien, „dann könnte man auch eine Überwachung des Waffenstillstands ins Auge fassen“.
Die Kanzlerin wertete es als „großen Fortschritt“, dass beide Konfliktparteien in Libyen fünf Namen genannt hätten, um ein sogenanntes 5+5-Militärkomitee einberufen zu können. Sie könne der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassen Salamé, nun für den Folgeprozess einladen.
As-Sarradsch und Chalifa Haftar waren in Berlin anwesend, nahmen aber am Gipfel nicht direkt teil, sagte Merkel. Dort beschlossen die Teilnehmer, also neben Deutschland unter anderem die USA, Russland, China, die Türkei, die Afrikanische Union und die Afrikanische Liga, das bestehende Waffenembargo künftig stärker zu kontrollieren.
Nach rund vierstündigen Verhandlungen verließen am Abend der US-Außenminister Mike Pompeo und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Konferenz, wie es aus Delegationskreisen in Berlin hieß. Die Verhandlungen führte sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu fort. Die türkische Seite habe eine konstruktive Rolle bei dem Gipfeltreffen gespielt, hieß es. Zuvor hatte bereits der britische Regierungschef Boris Johnson die Konferenz verlassen.
Britisch-russische Beziehungen
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei deren Treffen in Berlin nach Angaben der britischen Regierung ungewöhnlich harsch zurechtgewiesen. „Es wird keine Normalisierung unserer bilateralen Beziehungen geben, bis Russland die destabilisierende Aktivität beendet, die Großbritannien und unsere Verbündeten bedroht (…)“. Das sagte Johnson einer Mitteilung des Regierungssitzes Downing Street zufolge am Rande der Libyen-Konferenz. Russland untergrabe „unsere kollektive Sicherheit“, sagte Johnson demnach weiter.
Sarradsch wirft Haftar Zusammenarbeit mit Islamisten vor
Der Premierminister der international anerkannten Regierung Libyens, Fayiz as-Sarradsch, sieht die Terrormiliz IS in seinem Land wieder auf dem Vormarsch. „Der IS ist jetzt wieder stärker geworden in Libyen“, sagte as-Sarradsch der „Welt“ (Montagausgabe). Ursache dafür sei die Offensive des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar.
Der Premierminister fügte hinzu: „Wir haben von Anfang an davor gewarnt. Darum ist es besonders wichtig, Haftars Aggression zu beenden, damit wir uns auf die Bekämpfung des IS konzentrieren können.“ Unter Führung seiner Regierung sei der IS 2016 aus der Hafenstadt Sirte vertrieben worden, sagte as-Sarradsch. Nun sei die Stadt von Dschihadisten an Haftar übergeben worden. „Das ist der Beweis dafür, dass es sich bei Haftars Truppen keineswegs um eine `Nationale Armee` handelt, wie er sie nennt. In Wahrheit kämpfen für ihn 17 verschiedene Milizen und darunter auch salafistische“, sagte as-Sarradsch.
Der Chef der international anerkannten libyschen Regierung lobte auch die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin. „Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich nach mehreren Treffen mit der Bundeskanzlerin überzeugt bin, dass sie die Lage in Libyen sehr klar erkannt hat und die Dinge beim Namen nennt“, sagte as-Sarradsch. Er fügte hinzu: „Wir wünschen uns, dass Deutschland die Bemühungen der EU bei diesem Thema anführt.“ Dadurch könne mehr erreicht werden als bei den ergebnislosen Verhandlungsprozessen der Vergangenheit.
Idee einer Internationale Schutztruppe
Die Idee einer internationalen Schutztruppe für Libyen zur Sicherstellung eines Waffenstillstands ist unter den Teilnehmern der Libyen-Konferenz in Berlin am Sonntag auf Zustimmung gestoßen. Der britische Premierminister Boris Johnson stellte bereits bei seiner Ankunft in Berlin die Entsendung britischer Experten in Aussicht. Falls es bei der Libyen-Konferenz zu einem Durchbruch komme, sei seine Regierung „natürlich“ bereit, „Menschen und Experten“ zur Überwachung des Waffenstillstands in den nordafrikanischen Krisenstaat zu schicken, sagte Johnson.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte bei seiner Ankunft in Berlin, er habe bereits mit UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen. Wenn auf der Konferenz das erhoffte Ziel erreicht werde, „wird sich natürlich das Problem von Truppen stellen, die Friedensmaßnahmen und die Überwachung garantieren“, sagte Conte. „Italien ist bereit, seinen Beitrag zu leisten“, sagte er.
Der Chef der international anerkannten Regierung Libyens, Fajes al-Sarradsch, hatte am Vorabend der Konferenz eine internationale Schutztruppe für sein Land gefordert. Wenn General Chalifa Haftar seine Offensive nicht einstelle, müsse „die internationale Gemeinschaft aktiv werden und zwar auch mit einer internationalen Truppe zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung“, sagte al-Sarradsch der „Welt am Sonntag“.
Verschiedene Entsender im Gespräch
Eine solche Schutztruppe müsse unter dem Dach der Vereinten Nationen agieren, forderte al-Sarradsch. Fachleute müssten beraten, wer daran teilnehme, „etwa die EU oder die Afrikanische Union oder die Arabische Liga“.
Auch Russland zeigte sich aufgeschlossen für eine internationale Schutztruppe. „Ich denke, über diese Frage muss man auf Grundlage eines Konsenses sprechen“, sagte der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Nahen Osten und Afrika, Michail Bogdanow, laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Eine Entscheidung über die Entsendung einer internationalen Truppe nach Libyen hänge aber nicht alleine von al-Sarradsch ab, sagte er.
„Die Ergebnisse der Konferenz in Berlin werden Diskussionsthema im UN-Sicherheitsrat sein, der das einzige Gremium ist, um rechtskräftige Entscheidungen zu treffen“, sagte der Putin-Berater.
Kramp-Karrenbauer offen für deutsche Beteiligung
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich bereits am Samstag positiv zu einer möglichen deutschen Beteiligung an einer internationalen Schutztruppe für Libyen geäußert. Sollte auf der Konferenz ein Waffenstillstand vereinbart werden, der international abgesichert werden muss, dann wären Bundeswehr und Verteidigungsministerium „sehr schnell in der Lage zu sagen, wie unser Beitrag aussehen kann“, sagte sie am Rande einer CDU-Vorstandsklausur in Hamburg. Deutschland müsse sich mit dieser Frage auseinandersetzen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte am Freitag eine Schutztruppe der EU für Libyen vorgeschlagen. „Wenn es einen Waffenstillstand in Libyen gibt, dann muss die EU bereit sein, bei der Umsetzung und der Überwachung dieses Waffenstillstandes zu helfen – eventuell auch mit Soldaten, etwa im Rahmen einer EU-Mission“, sagte Borrell dem „Spiegel“.
General Haftar hatte bei einem Treffen in Moskau Anfang der Woche die Unterzeichnung eines Waffenstillstands abgelehnt. Er nimmt ebenso wie Ministerpräsident al-Sarradsch an der internationalen Libyen-Konferenz in Berlin teil. (afp/dpa/dts)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion