Vorgezogene Wahl wegen Trump: Setzt sich der Wunsch nach Unabhängigkeit durch?

Grönlands Premierminister Múte B. Egede kündigte an, dass auf der arktischen Insel am 11. März vorgezogene Wahlen für das Inatsisartut genannte Parlament durchgeführt werden. Dies teilte am 5. Februar die norwegische Online-Nachrichtenplattform „High North News“ (HNN) mit.
„Wir befinden uns in einer ernsten Zeit, die wir in unserem Land noch nie erlebt haben“, begründete Egede seine Entscheidung in Anspielung auf US-Präsident Donald Trump, den er indes nicht namentlich erwähnte.
Kurz bevor Trump sein Amt antrat, hatte er die Absicht geäußert, die strategisch wichtige arktische Insel zu kaufen oder anderweitig die Kontrolle zu übernehmen und schloss dabei nicht aus, hierfür militärische Gewalt anzuwenden oder wirtschaftlichen Druck auszuüben.
Sorge vor Stimmenkauf
Die 31 Abgeordneten des Inatsisartut stimmten Egedes leicht vorgezogenen Wahltermin am 11. März einstimmig zu. Gewählt wird alle vier Jahre. Die letzte Parlamentswahl war im Jahr 2021. Der für dieses Jahr fällige Wahltermin wäre spätestens am 6. April gewesen. Am 1. April gibt es zudem Kommunalwahlen. Offenbar wollte Premier Egede vermeiden, dass lokale Themen mit landesweiten und internationalen Interessen vermischt werden, und entzerrte mit seinem Schritt die beiden Wahlen.
In Grönland wird zudem befürchtet, dass sich aufgrund des plötzlich verstärkten internationalen Interesses ausländische Mächte in die Wahlen des Landes einmischen könnten – mit anderen Worten: Angst vor Stimmenkauf für eine bestimmte politische Richtung. Diese Sorge brachte etwa Aaja Chemnitz bereits am 16. Januar in der grönländischen Zeitung „Sermitsiaq“ zum Ausdruck. Sie ist eine der Vertreterinnen Grönlands im Folketing genannten dänischen Parlament in Kopenhagen.
Ausländische Parteispenden verboten
Laut HNN hat das grönländische Parlament „als Reaktion auf Trumps Interesse und der Befürchtung einer amerikanischen Intervention“ zudem beschlossen, ausländische und anonyme Spenden an politische Parteien zu verbieten. HNN zitiert dazu einen LinkedIn-Beitrag der Vorsitzenden des Inuit Circumpolar Council, Sara Olsvig: „Wir sehen ein Interesse an unserer Nation in einer Weise, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben, und wir sollten uns alle ständig der möglichen ausländischen Versuche bewusst sein, uns und unsere Entscheidungen als Volk zu beeinflussen“, erklärte Olsvig.
Premier Egede mahnte die rund 57.000 weit verstreut lebenden Einwohner, dies sei „nicht die Zeit für interne Spaltung, sondern für Zusammenarbeit und Einheit für unser Land“. Grönland verfügt über eine ausgeprägte, vielfältige Parteienlandschaft, die die sehr unterschiedlichen Interessen der Einwohner repräsentiert. Die Partei des Premiers, Inuit Ataqatigiit, etwa, vertritt eine sozialistische Politikrichtung und ist bestrebt, Grönland zur Unabhängigkeit zu führen.
Deshalb werden im Wahlkampf laut HNN die Hauptthemen voraussichtlich Grönlands Unabhängigkeitsbestrebungen, die Beziehungen zu Dänemark und zu den Vereinigten Staaten sowie die fragile Wirtschaft sein. Diese ist überwiegend von der Fischerei und von dänischen Zuschüssen abhängig.
Unabhängigkeit als Wahlkampfthema
Maria Ackrén, Professorin an der Universität Ilisimatusarfik in der grönländischen Hauptstadt Nuuk, glaubt, dass das Interesse des amerikanischen Präsidenten am Kauf ihrer Heimat dazu führen werde, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Insel von Dänemark zu beschleunigen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Lage von Autonomieregionen in der ganzen Welt, wie den Katalanen in Spanien oder den Kurden im Nord-Irak. Vor kurzem gab sie der „Deutschen Presse-Agentur“ ein Interview. Darin vermutet Professorin Ackrén, dass ein Referendum über die Unabhängigkeit jedoch noch in weiter Ferne liegt und möglicherweise erst in zehn oder 20 Jahren möglich sein könne.
Einer der Gründe für diesen sehr lang geschätzten Zeitraum liege darin, dass die weit verstreut lebenden Grönländer keine einheitlichen Interessen vertreten. Es gibt 16 Orte, die als Städte bezeichnet werden, sowie 60 Siedlungen. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung besteht aus Inuit, die man früher Eskimo nannte. Sie leben teilweise noch traditionell, jagen Robben, Walrösser und Seehunde und sind sich des Reichtums der Bodenschätze ihrer Insel nicht in ausreichendem Maße bewusst.
„Unseren täglichen Seehund gib uns heute“: Warum Grönland zu Dänemark gehört
1721 landete der christliche Missionar Hans Egede an der Südspitze Grönlands, um nach überlebenden Wikingern zu suchen, die ab dem Jahr 985 in Grönland gesiedelt haben sollen. Egede wusste aus alten Quellen, dass es noch Mitte des 15. Jahrhunderts Kontakte zwischen Norwegen und Siedlungen der „Grænlendingar“ gegeben hatte. Seither aber hatte niemand mehr etwas von ihnen gehört. Wikinger fand Egede keine mehr, wohl aber Einheimische, die er zum christlichen Glauben zu bekehren suchte. Da der Text des Vaterunsers nicht zu dem Jägervolk passte, änderte er ihn ab: von „und gib uns unser tägliches Brot“ in „und gib uns unseren täglichen Seehund“.
Grönland wurde zur dänischen Kolonie.
Zwangssterilisierung
In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden tausenden Frauen in Grönland Verhütungsspiralen ohne ihr Einverständnis eingesetzt.
Die dänische Regierung habe „gezielt versucht, die Zahl der Grönländer zu senken“, weiß Ebbe Volquardsen, Professor für Kulturgeschichte an der Universität Ilisimatusarfik, zu berichten. Der Skandal wurde erst im Jahr 2022 von „Danmarks Radio“ (DR) aufgedeckt und wird seither aufgearbeitet. Laut DR seien etwa 4.500 Spiralen eingesetzt worden. Das entsprach damals ungefähr der Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter in Grönland. Da ab den 1950er-Jahren aufgrund besserer dänischer Gesundheitsversorgung die Zahl der Grönländer beträchtlich zunahm, sah die Regierung in Kopenhagen offenbar darin ein Problem. Dänemark war nicht an einer hohen Zahl von potenziellen Sozialhilfeempfängern interessiert.
Und so prägt die Kolonialzeit das Verhältnis zu Dänemark bis heute. Am 1. Mai 1979 gestand Dänemark Grönland und den Färöer-Inseln eine weitgehende Autonomie zu. Beide Territorien sind bis heute aber weiterhin politisch ein Teil des Königreichs.
Grönland will (mit den USA) selbst verhandeln
Anders als von Professorin Ackrén eingeschätzt, will Grönlands mitregierende Partei Siumut, dass nach den Parlamentswahlen im März über die Unabhängigkeit abgestimmt wird. Dies hat sie am 6. Februar gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“ angekündigt.
Siumut, Partner der grönländischen Zweiparteien-Regierungskoalition, plant, sich auf einen Artikel in einem Gesetz aus dem Jahr 2009 zu berufen. Darin steht, dass Grönland selbstständig über die vollständige Unabhängigkeit verhandeln könne, insistierte die politische Sprecherin der Partei, Doris J. Jensen, am 6. Februar gegenüber der Presse. Sie vertritt ebenso wie Premier Egede, Grönland müsse rasch von Dänemark unabhängig werden, um über seine Zukunft selbst verhandeln zu können – wohl auch mit den USA.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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