Von der Leyen beschwört „Europas historischen Auftrag“ – und lässt eigene Zukunft offen

In ihrer „State of the Union”-Rede hat sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht über ihre politische Zukunft geäußert. Mit Blick auf die Wahlen zum EU-Parlament im nächsten Jahr sind ihre Chancen zum Verbleib im Amt ungewiss.
Das Ziel von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist eine «vollendete Union mit über 500 Millionen Menschen».
Das Ziel von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist eine „vollendete Union mit über 500 Millionen Menschen“.Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Von 13. September 2023

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Mit Pathos geizte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch, 13. September, in ihrer diesjährigen Rede zur „Lage der Union“ vor dem EU-Parlament in Straßburg erwartungsgemäß nicht. Europa, so die Politikerin, müsse sich einem „historischen Auftrag“ stellen. Dieser umfasse die „Realität eines Planeten, der kocht“ ebenso wie die Zukunft der Ukraine, des Westbalkans und Moldawiens, die „in unserer Union“ liege.

Breites Eigenlob für Arbeit der Kommission und des Parlaments

Von der Leyen beteuerte, die EU in ihrer heutigen Form spiegele „die Visionen derer wider, die nach dem Zweiten Weltkrieg von einer besseren Zukunft träumten“. Und man habe „die Geburt einer geopolitischen Union erlebt“. Diese zeichne sich dadurch aus, dass sie „die Ukraine unterstützt, der Aggression Russlands standhält, auf ein selbstbewusst agierendes China reagiert und in Partnerschaften investiert“.

Auch sonst sieht von der Leyen ihre Kommissionspräsidentschaft als Erfolgsgeschichte. Dem EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der Kommission sei es gelungen, „dass wir bei mehr als 90 Prozent der politischen Leitlinien, die ich 2019 vorgelegt habe, liefern konnten“.

Zu den wesentlichen Errungenschaften zählte sie dabei den europäischen „Green Deal“. Dieser sei „das Herzstück unserer Wirtschaft und von beispielloser Ambition getragen“. Zudem habe man „den Weg für den digitalen Wandel geebnet“ und sei „weltweit Vorreiter bei den Online-Rechten“.

Damit spielt von der Leyen auf die Bestimmungen wie die Datenschutz-Grundverordnung oder auf weitreichende Vorgaben an zur Kooperationspflicht von IT-Konzernen mit staatlichen Behörden. Beobachter sehen darin einen der wesentlichen Gründe, warum Innovation in diesem Bereich beispielsweise in den USA und nicht in der EU stattfindet.

Von der Leyen würdigt „Fundament für eine Gesundheitsunion“

Darüber hinaus lobte von der Leyen den Aufbauplan „NextGenerationEU“, der mit 800 Milliarden Euro nach der Corona-Pandemie Infrastrukturvorhaben fördern soll. Das Programm ist durch Gemeinschaftsschulden finanziert.

Die EU-Kommissionspräsidentin würdigte auch, dass es der EU unter ihrer Führung gelungen sei, das „Fundament für eine Gesundheitsunion“ zu legen. Dabei habe man „geholfen, einen gesamten Kontinent zu impfen – sowie weite Teile der Welt noch dazu“.

Während von der Leyen der Ukraine „dauerhafte Unterstützung“ zusagte und für Russland nur Schelte kannte, will sie gegenüber Chinas KP-Regime „Kommunikationskanäle offenhalten“ und „im Dialog bleiben“. Allerdings will sie dabei Europas wirtschaftliche Sicherheit erhöhen.

EU-Kommission will Untersuchung gegen China wegen E-Auto-Subventionen einleiten

Da China die Weltmärkte „mit billigeren Elektroautos überschwemmt“, deren Preis man durch Subventionen künstlich drücke, werde die EU jetzt reagieren. Von der Leyen kündigte an, die Kommission werde gegen China eine Antisubventionsuntersuchung zu Elektrofahrzeugen einleiten.

Kritik an dieser Ankündigung kam prompt von einigen EU-Abgeordneten und Wirtschaftsvertretern. Der EVP-Abgeordnete Markus Ferber äußerte sich gegenüber „Euractiv“, die Kommission drohe den „Pfad der Tugend des Freihandels“ zu verlassen. Während der Zeit des ehemaligen US-Präsident Donald Trump habe man diesen stets noch hochgehalten. Die deutsche Autoindustrie habe den Übergang zu E-Autos „verschlafen“, so Ferber. Schütze man sie nun vor Konkurrenz, „schläft man weiter”.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber hingegen unterstützte den Vorschlag. Man wolle „einen europäischen Green Deal, keinen chinesischen“, so Weber. Zudem meinte er:

Wir wollen nicht, dass chinesische Elektrofahrzeuge von unserem ehrgeizigen Klimakonzept profitieren.”

Die Ampelregierung im Bund ist Ambitionen dieser Art gegenüber skeptisch. Man befürchtet dort, dass Gegenmaßnahmen dem deutschen Exportsektor letztlich mehr schaden als nützen könnten.

Keine klare Aussage über politische Zukunft

Bezüglich ihrer politischen Zukunft äußerte von der Leyen sich nicht. Sie war im Jahr 2019 als Kompromisskandidatin lediglich durch Stimmen der italienischen „Fünf Sterne“-Bewegung und der polnischen PiS ins Amt gewählt worden.

Zuvor hatte sich weder eine Chance für den Spitzenkandidaten der EVP, Manfred Weber, noch für den Sozialdemokraten Frans Timmermans abgezeichnet, gewählt zu werden. Ob die polnische Regierungspartei sie noch einmal unterstützen würde, erscheint als ungewiss. Von der Leyen hatte sich bei dieser unter anderem mit EU-Verfahren wegen behaupteter Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit „bedankt“. Auch die „Fünf Sterne“, die wenig später einen fliegenden Koalitionswechsel vollzogen, spielen heute kaum noch eine Rolle.

Außerdem hatte US-Präsident Joe Biden die Politikerin als mögliche künftige NATO-Generalsekretärin ins Spiel gebracht. Einige Medien wollen aus Passagen der Rede wie jener von einer noch nicht „vollendeten Union“ oder dass „noch viel zu tun“ sei, Ambitionen zur Wiederwahl gehört haben. Allerdings erscheint das nicht als zwingender Schluss. Immerhin hatte von der Leyen, als sie erklärte, die EU würde „auch mit mehr als 30 Mitgliedern funktionieren“, kaum einen Zeitraum bis 2029 im Sinn.

Welche Bündnisoptionen hätte von der Leyen?

Sollte die EVP von der Leyen als Spitzenkandidatin nominieren, blieben ihr im Wesentlichen zwei Optionen, um ihr eine Wiederwahl zu sichern. Eine wäre ein Bündnis mit den Grünen nach dem Vorbild Österreichs und mehrerer deutscher Bundesländer. Allerdings würden beide Fraktionen wahrscheinlich keine gemeinsame Mehrheit erhalten.

Eine andere wäre, eine Verständigung mit der rechtskonservativen EKR zu finden – und damit der PiS, Italiens „Fratelli d’Italia“, aber auch der rechtsextremen bulgarischen IMRO.

Derzeit besteht ein inoffizielles Bündnis zwischen EVP, Sozialdemokraten und liberaler ALDE, um zentrale Punkte der EU-Kommission im Parlament mitzutragen. Grüne oder EKR stimmen fallweise Vorhaben zu.



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