Vom Gerichtssaal ins EU-Parlament – Antifa-Aktivistin erhält Immunität

Einer Antifa-Aktivistin drohten bis vor Kurzem mehr als 20 Jahre Haft in Ungarn. Als Kandidatin der italienischen linksgrünen Allianz sichert sie sich einen Sitz im Europaparlament – und erlangt damit parlamentarische Immunität.
In weniger als einer Woche ist Europawahl. Aber was wird da eigentlich gewählt?
EU-Parlament.Foto: dpa
Von 12. Juni 2024

In vielen europäischen Ländern gingen bei der Europawahl konservative und rechte Parteien als Wahlsieger hervor oder verzeichneten große Stimmengewinne, wie in Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Bulgarien, Kroatien und in Deutschland. Am Rande eines deutlichen Sieges für Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und ihre Brüder Italiens (Fratelli d’Italia, 28,8 %) ereignete sich ein Kuriosum im Zusammenhang mit der italienischen Europawahl und der ungarischen Justiz.

Nicola Fratoianni, Parteisekretär der Italienischen Linken, erklärte nach Angaben der ungarischen Zeitung „Ungarn heute“ kurz nach der Wahl: „Unabhängig von den noch nicht bestätigten Ergebnissen kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass Ilaria Salis Mitglied des Europäischen Parlaments sein wird, und ich glaube, dass sie mit einer Lawine von Stimmen gewählt werden wird.“

Ilaria Salis ist eine bekannte Antifa-Aktivistin in Italien, die in Zusammenhang mit mehreren linksextremistischen Anschlägen im Februar 2023 in Budapest gebracht wird. Dabei wurden ungarischen Medienangaben zufolge bei fünf zusammenhängenden Attacken im Februar 2023 neun Menschen verletzt, vier davon schwer. Die Polizei nahm drei Tatverdächtige und spätere Angeklagte fest, einen Mann und eine Frau aus Deutschland und die 38-jährige Italienerin. Die Epoch Times berichtete seinerzeit im Zusammenhang mit den angesprochenen Ereignissen über Fahndungen in Ungarn und Deutschland nach Mitgliedern der sogenannten „Antifa-Hammerbande“.

Politischer Kriminalfall

Mit Verweis auf die Budapester Generalstaatsanwaltschaft schreibt „Ungarn heute“, dass den Angreifern die Opfer unbekannt gewesen seien und diese sie fälschlicherweise als Teilnehmer der Veranstaltung „Tag der Ehre“ ausgemacht und attackiert hätten. Die Veranstaltung wird in dem Beitrag als „eine Art neonazistisches Woodstock [beschrieben], das von den ungarischen Behörden, die keine Wehrmachtsnostalgiker ermutigen wollen, aus dem Zentrum von Budapest verbannt wurde“.

Die Angriffe fanden demnach vom 9. Februar 2023 am Nyugati-Bahnhof in einem Zug und am Fővám-Platz, sowie am 10. Februar am Gazdagréti-Platz und auf der Bankstraße sowie am 11. Februar in der Mikó-Straße im 1. Bezirk statt. Bei den Attacken wurden neun Menschen verletzt, vier schwer und fünf leicht. Nach unbestätigten Angaben einer linksextremen ungarischen Seite fand die Veranstaltung am 11. Februar „im ‚Normafa‘ statt, einem Wald am Stadtrand von Budapest“.

Staatsanwaltschaft fordert elf Jahre Gefängnis

Im Januar 2024 berichtete die italienische „Il Post“ über den Fall der 39-jährigen Ilaria Salis aus Monza in ungarischer Sicherungsverwahrung in einem Hochsicherheitsgefängnis in Budapest. Ungarns Staatsanwaltschaft sieht Salis als Teil einer linksextremen Organisation, die Anschläge gegen rechtsextreme Personen geplant haben soll, wirft ihr eine Beteiligung an mehreren Übergriffen mit schwerer Körperverletzung“ vor und fordert ein Strafmaß von elf Jahren.

Der Zeitung nach betrage das Höchststrafmaß für die Vorwürfe der Anklage jedoch 24 Jahre, insbesondere wegen zwei erschwerender Umstände: „das Leben des Opfers schädigen können“ und „das Leben des Opfers geschädigt zu haben“. 

Salis selbst bekannte sich vor Gericht als unschuldig. Von den beiden anderen Angeklagten bekannte sich der Mann schuldig und wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Es wurde Berufung angekündigt. Die Frau kehrte nach Deutschland in den Hausarrest zurück, so die Angaben von „Il Post“.

Salis wurde zu ihrer ersten Anhörung vor Gericht in Ketten an Händen und Füßen in den Gerichtssaal gebracht, wodurch eine mediale Empörungswelle in Italien ausgelöst wurde. Sie berichtete laut der Zeitung von „unmenschlichen“ Bedingungen in Haft. Italiens Außenminister Antonio Tajani berief den ungarischen Botschafter ein. Allerdings versicherte Tajani, für die Regierung sei „der einzige Weg nach vorn, wenn ein italienischer Bürger in einem anderen europäischen Mitgliedstaat eines Verbrechens beschuldigt wird, die Regeln zu befolgen“ – unabhängig von deren politischen Ansichten.

Zudem machte der italienische Außenminister deutlich, dass es „absurd“ sei, dass die linke Opposition, die jeden Tag die Unabhängigkeit der Gerichte verteidige, jetzt von der Regierung verlange, Druck auf die ungarische Regierung auszuüben, um die Entscheidungen der Richter zu beeinflussen.

Der Plan der Sozialdemokraten

Wie die italienische „Il Post“ berichtete, kursierte schon seit einiger Zeit in der sozialdemokratischen Partito Democratico die Idee, Salis durch eine Kandidatur und eine mögliche Wahl ins EU-Parlament den ungarischen Strafverfolgungsbehörden zu entziehen.

Den Zeitungsangaben nach hatten Nicola Fratoianni (Italienische Linke) und Angelo Bonelli (Grünes Europa) ihre Idee auf Facebook so beschrieben: „Die Idee ist, dass rund um die Kandidatur von Ilaria Salis ein großer und großzügiger Kampf entfacht werden kann, damit die Europäische Union die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verteidigt und die Unverletzlichkeit der grundlegenden Menschenrechte auf ihrem gesamten Territorium und in jedem ihrer Mitgliedstaaten bekräftigt.“

Laut „Ungarn heute“ hatte Maurizio Gasparri, der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Forza Italia im Senat, die parlamentarische Debatte über den Fall von Ilaria Salis als „ideologische Debatte“ bezeichnet. Er habe gesagt, dass die Linke, anstatt die verhaftete Staatsbürgerin zu verteidigen, „den Fall benutzt, um die italienische Regierung und Viktor Orbán anzugreifen (…), die Genossen haben beschlossen, das Geschehene zu politisieren“.

Die Ideen der Rot-Grüne Allianz (AVS, Alleanza Verdi e Sinistra) wurden in die Tat umgesetzt. Im April 2024 setzte die AVS in Italien Ilaria Salis auf ihre Europawahlliste für Nordwestitalien. Salis wurde mit rund 165.000 Stimmen ins EU-Parlament gewählt.

Damit stehen der Antifa-Aktivistin nun ein Sitz im Europaparlament samt dazughöriger parlamentarischer Immunität zu. Theoretisch könnten die ungarischen Justizbehörden diese aufheben, während gleichzeitig der Generalstaatsanwalt beim Präsidenten des Europäischen Parlaments einen Antrag auf Genehmigung zur Fortsetzung des Prozesses gegen Salis stellt, schreibt „Il Post“.

Bei der EU wird das dann folgend gehandhabt: Der Aufhebungsantrag kommt zum Rechtsausschuss des EU-Parlaments, wird dort geprüft und es wird eine Empfehlung erstellt, die dann dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Die Entscheidung bedarf einer Mehrheit und wird dem betroffenen Abgeordneten und den Behörden des Mitgliedsstaates mitgeteilt.

Noch vor wenigen Tagen drohten Ilaria Salis als Hauptangeklagte vor einem ungarischen Gericht bis zu 24 Jahre Haft. Nun soll die Antifa-Aktivistin und Grundschullehrerin einen Platz im Europäischen Parlament antreten und über die Geschicke Europas mitbestimmen. AVS-Chef Fratoianni: „Jetzt wollen wir, dass Ilaria hier in Italien ist – frei, mit Immunität und bereit, ihr Mandat zu erfüllen“.



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