Viktor Orbán: „Die EU ist wie ein alternder Boxchampion“

Ungarns Regierungschef wird nach seiner jüngsten Rede von einem Teil der westlichen Medien als extremistischer Führer dargestellt. Was ist passiert?
Titelbild
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán während einer Rede auf dem 32. Sommercamp der Freien Universität im siebenbürgischen Tuschnad, 22. Juli 2023.Foto: MTI/Pressebüro des Premierministers in Ungarn/Benko Vivien Cher
Von 28. Juli 2023

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In seiner jährlichen Rede im siebenbürgischen Kurort Bad Tuschnad kritisierte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán am 22. Juli die liberale Politik und das Migrationsprogramm der EU.

„Die EU ist wie ein alternder Boxchampion, der seine Medaillen zur Schau stellt, aber nicht mehr bereit ist, wieder in den Ring zu steigen“, so der Regierungschef. Es sei eine reiche, aber schwache EU, die um sich herum eine Welt in Aufruhr sehe. Zudem würden Millionen Menschen nach Europa strömen.

Einige Inhalte seiner Rede

Als Politiker einer Wirtschaft, die sich zum durchschnittlichen westeuropäischen Standard entwickeln möchte, beobachte er besorgt einen Abwärtstrend der EU-Mitgliedstaaten.

„Wenn wir uns die Liste des Internationalen Währungsfonds mit den Ländern nach BIP anschauen, sehen wir, dass Großbritannien, Italien und Frankreich bis 2030 aus den Top 10 herausfallen werden.“ Zur deutschen Wirtschaft, die auch für Ungarn wichtig ist, sagte Orbán, dass diese jetzt zwar noch an vierter Stelle stehe, aber in den nächsten Jahren auf den zehnten Platz abrutschen werde.

Um mit den Krisen der Gegenwart umgehen zu können, sei es wichtig, Tradition und nationale Wurzeln zu beachten. Ungarn habe ein „Erfolgsrezept“, die ungarische Verfassung, die das „Wir“ in den Mittelpunkt stelle. Eine zu starke Betonung des „Ichs“ führe nicht zu Glück, sondern zu Einsamkeit: „Frieden, Familie, Gerechtigkeit und Freiheit können nicht allein erreicht werden“, so Orbán.

Der Regierungschef warnte die europäischen Politiker davor, ihre christlichen Wurzeln aufzugeben und einen Bevölkerungsaustausch zu betreiben. „Vor mehr als 200 Jahren glaubten linke internationalistische und liberale Intellektuelle und politische Führer, dass durch die Ablehnung von Religion und Christentum eine ideale, aufgeklärte Gemeinschaft geschaffen werden würde“, sagte er. „Das war eine reine Illusion. Durch die Ablehnung des Christentums sind wir in Wirklichkeit zu hedonistischen Heiden geworden.“

Die jetzige politische Klasse in Europa sei weder rechenschaftspflichtig noch demokratisch in ihren Überzeugungen. Niemand solle derartige Illusionen haben. Derzeit übernähmen Ungarn und Polen eine Rolle als Wächter der Traditionen in der Europäischen Union, so Orbán. Allerdings haben „die Föderalisten offen gesagt, dass sie einen Regierungswechsel in Ungarn wollten, und finanzierten die Opposition auch mit allen Mitteln der politischen Korruption“.

Fragliche Interpretation der ungarischen nationalen Einheit

Die zur Tradition gewordene jährliche Rede hielt Orban in Siebenbürgen, einer überwiegend ungarischen Region, die heute zu Rumänien gehört. Zu Beginn seiner Rede scherzte Orbán über die Richtlinien, die er von der rumänischen Regierung erhalten hatte. Mit anderen Worten: Worüber er sprechen durfte und worüber nicht. Er las sie an Ort und Stelle vor.

Für etwas mehr Unruhe sorgten seine Sätze über die ungarischen Minderheiten. Er erklärte unter anderem, dass die Ungarn „nie behauptet haben, dass die ehemaligen ungarischen Gebiete zu Rumänien gehören“.

Ein anderer Teil seiner Rede wurde in den Medien unterschiedlich interpretiert. Er beschwerte sich nämlich, dass die ungarische Minderheit in der Slowakei keine parlamentarische Vertretung erreichen kann. So etwas sei mehr als nötig, wenn „jemand für seine Heimat im abgespaltenen Teil seines Landes arbeiten will“.

„Euractiv.de“ berichtete anschließend, dass er gesagt haben soll, dass die Slowakei eine „Provinzstadt außerhalb Ungarns“ sei. Über eine „Provinzstadt“ wurde in der Rede jedoch nicht gesprochen.

Im Spannungsfeld historischer Emotionen

Nach Orbáns Auffassung wurde das ehemalige Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg in viele kleine Einheiten zersplittert und auf die umliegenden Länder aufgeteilt. Spricht er also von der ungarischen Nation, dann meint er die gesamte ungarische Nation des Karpatenbeckens.

Das erweckt bei den Nachbarländern den Eindruck, dass er ehemalige ungarische Gebiete zurückfordert. Wie die ungarische Regierung jedoch wiederholt erklärt hat, sei dies ein „Missverständnis“.

Orbáns Regierung unterstützt jedoch in der Tat sehr intensiv die außerhalb der Grenzen lebenden Ungarn. Er verweist oft auf die nationale Einheit mit diesen Menschen. Zum Beispiel genießen die Angehörigen der ungarischen Minderheiten ebenfalls das ungarische Wahlrecht.

Außerhalb Ungarns wird die Vergangenheit anders gesehen. So zum Beispiel in der Slowakei: „Sowohl die Tschechoslowakei (und später die Slowakei) als auch Ungarn sind Nachfolgestaaten von Österreich-Ungarn. Daher können sie nichts vom heutigen Ungarn beschlagnahmt haben“, heißt es in einer Erklärung des slowakischen Außenministeriums, die von „euractiv.de“ zitiert wird.

Ein „extremistischer Führer“

Ein Sprecher der rumänischen Regierung stellte Orbán daher jüngst als Extremisten dar. In Bukarest beschuldigte Ionut Stroe, Sprecher der Regierungspartei PNL, den ungarischen Ministerpräsidenten, „den rumänischen Staat zu persiflieren“ [verspotten, Anm. d. R.] und sich „wie ein extremistischer Führer, nicht wie ein Staatsmann“ zu verhalten.

Verärgert war auch der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala. Ungarns Staatschef Orbán meinte, Tschechien hätte sich auf die Seite der europäischen Föderalisten gestellt und somit den Angriff auf die Visegrád-Vier verstärkt. Zu den Visegrád-Staaten gehören Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei.

Fiala entgegnete, dass sie unabhängig entschieden hätten. Dies sei so in allen Fragen, bei denen sie „in der Europäischen Union initiieren, unterstützen oder verändern wollen“.

USA und China: „Zwei Sonnen am Himmel“

In der Rede hob Orbán die Rolle Chinas in der internationalen Situation hervor. Er betonte, dass das asiatische Land „das Gleichgewicht der Welt gekippt hat“. Davor habe schon Napoleon gewarnt: „Lass China schlafen, denn wenn es aufwacht, wird es die Welt erschüttern“, zitierte Orbán – und machte kein Geheimnis daraus, wie sehr Ungarn die wirtschaftlichen Beziehungen zu China schätzt.

Ein Krieg zwischen den USA und China stünde tatsächlich im Raum. „Wenn man die Analysen von Forschern liest, scheint es, als ob wir uns jeden Tag auf eine Konfrontation zwischen den USA und China zubewegen.“ Doch wenn die Staaten akzeptieren könnten, dass „es zwei Sonnen am Himmel gibt“, wäre die Lage friedlicher und könnte sich entspannen.

Im Kontext der Änderungen im globalen Gleichgewicht beleuchtete Orbán auch die Wirtschaftspolitik der EU gegenüber Russland. Dabei wies er darauf hin, dass die EU zwar über eine Loslösung von Russland spricht, die europäischen Unternehmen aber nicht loskommen wollten.

Er betonte, dass „siebzig Prozent der Energieunternehmen immer noch in Russland präsent sind und westliche Unternehmen 3,5 Milliarden Dollar in den russischen Haushalt eingezahlt haben“.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán im siebenbürgischen Tuschnad am 22. Juli 2023. Foto: MTI/Pressebüro des Premierministers in Ungarn/Benko Vivien Cher



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