Vietnam, Indien, China – zur Lage in Asien

Das Risiko eines indisch-chinesischen Konflikts oder Krieges ist hoch. Indien und Vietnam haben sich nun entschlossen, Ihre Militärbasen auch dem jeweils anderen Land zur Verfügung zu stellen.
Vietnam, Indien, China – zur Lage in Asien
Das erste U-Boot der vietnamesischen Marine der Klasse Kilo 636 (C) mit dem Namen „Hanoi“ wurde im Januar 2014 in der Cam Ranh Bay vom niederländischen Transportschiff Rolldock Sea ins Meer gelassen.Foto: Vietnam News Agency/AFP via Getty Images
Von und 24. Juli 2022

Im Juni unterzeichneten die Verteidigungsminister von Indien und Vietnam ein Abkommen zur „Verteidigungspartnerschaft bis 2030“, welches die Nutzung der Militärstützpunkte des jeweils anderen Landes ermöglicht. Angestrebt wird eine umfassende strategische Partnerschaft.

„Eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bei der Verteidigung und Sicherheit ist unerlässlich, um die Stabilität im Indopazifik aufrechtzuerhalten“, twitterte der indische Verteidigungsminister Rajnath Singh nach dem Treffen mit seinem vietnamesischen Kollegen Phan Van Giang.

Wartung sowie die Versorgung mit militärischer Ausrüstung – einschließlich Waffen – sollen damit erleichtert werden. Über das Abkommen berichtete am 8. Juli 2022 die japanische Wirtschaftszeitung „Nihon Keizai Shimbun“, meist als „Nikkei“ abgekürzt.

Vietnam gehört zu den sozialistischen Ländern, was auch Beziehungen zu Chinas KP beinhaltet. Indien wird durch Premier Narendra Modi derzeit zu einer Hindu-Nation umgebaut, demokratische Prinzipien ausgehöhlt. Andere Teile der Gesellschaft und religiöse Minderheiten sollen sich zunehmend der privilegierten Hindu-Gemeinschaft unterordnen.

Kooperation auch bei der nuklearen Zusammenarbeit

Sobald das im Juni zwischen Indien und Vietnam unterzeichnete Abkommen über logistische Unterstützung in Kraft tritt, wird es die Entsendung von Schiffen, Flugzeugen und Personal zu Stützpunkten auf beiden Seiten sowie die gegenseitige Versorgung mit Lebensmitteln, Treibstoff, Waffen und Wartungsdiensten erleichtern, heißt es in der Zeitung. Besuche von Kriegsschiffen, Militärflugzeugen und Personal würden vereinfacht.

Beide Länder arbeiten seit einigen Jahren auch militärisch zunehmend zusammen. Die politischen Beziehungen zwischen Indien und Vietnam sind gut. Es finden regelmäßige Treffen statt. Für Vietnam ist es das erste Abkommen dieser Art, Indien hat bereits ähnliche Abkommen unter anderem mit Japan und den USA.

Vietnam hat geografisch gesehen eine wichtige strategische Position am Südchinesischen Meer, das Peking größtenteils für sich beansprucht. Foto: iStock

Im September 2016 kündigten Vietnam und Indien erstmals die Aufwertung ihrer bilateralen Beziehungen zur nun offiziell erklärten „umfassenden strategischen Partnerschaft“ an.

Seither unterzeichneten beide Regierungen mehr als zehn militärische Kooperationsabkommen. Sie umfassen beispielsweise die Ausbildung von Militärtechnikern, den Transfer von Waffentechnologie, eine Verbesserung von Kampfflugzeugen und Artilleriesystemen, die Umrüstung von Kriegsschiffen sowie die Lieferung von militärischen Kommunikations- und Softwaresystemen.

Dazu gehören auch der Erfahrungsaustausch zum Kampftraining im Dschungel, Cybersicherheit, die UN-Friedenssicherung, die Unterstützung beim Aufbau von militärischen Softwareparks sowie die nukleare Zusammenarbeit. Es wurden eine Reihe von Mechanismen der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit eingerichtet, zu denen auch der regelmäßige Austausch von militärischen und maritimen Informationen gehört.

Vietnams Häfen

Indien hat in den vergangenen Jahren Hanoi einige Darlehen gewährt, zwölf militärische Schnellboote für Vietnam gebaut und bei der Ausbildung vietnamesischen Militärpersonals geholfen. In jüngster Zeit hat die indische Seite zehn vietnamesischen Piloten eine Grundausbildung an der indischen Luftwaffenakademie ermöglicht, die Ausbildung weiterer Piloten ist geplant.

Vietnam verfügt hingegen über viele herausragende Häfen und ist für Indien ein Schlüssel zum Pazifik, speziell der Hafen von Nha Trang und die Militärbasis Cam Ranh Bay. Letztere beinhaltet einen der besten Tiefwasserhäfen im gesamten asiatisch-pazifischen Raum. Cam Ranh Bay kann sogar große Flugzeugträger aufnehmen und ist ein strategischer Hafen Vietnams.

2018 gestattete Vietnam der indischen Marine die Nutzung von Nha Trang, der nur einen Schritt von Cam Ranh Bay entfernt liegt. Im Dezember 2021 besuchte die Tarnkappenfregatte Gildan der indischen Marine Nha Trang und nahm anschließend an der gemeinsamen Übung „Passage to the Sea“ im Südchinesischen Meer teil.

Kampf um die regionale Dominanz

Chuang Jun-Cheng, Stratege des Instituts für Internationale Politik der Chung Hsing Universität in Taiwan, sieht drei Hauptgründe für die verstärkte Zusammenarbeit.

Zum einen streben sowohl Indien und Vietnam nach regionaler Dominanz, Indien will eine führende Rolle in Südasien spielen, Vietnam auf der Halbinsel Indochina. Beide unterstützen sich gegenseitig, um ihre jeweiligen maritimen und regionalen strategischen Ziele zu erreichen.

Zum Zweiten haben beide Staaten Probleme mit der KP Chinas. Beide Staaten haben jeweils eine lange Landesgrenze mit China: Indien 2.659 km, Vietnam 1.297 km. Ihnen gemeinsam ist, dass die KP Chinas militärische Operationen und Grenzstreitigkeiten mit beiden Ländern begonnen hat.

Und zum Dritten verstärkten beide Staaten ihre bilaterale Zusammenarbeit auch auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und technologischem Gebiet. Hanoi möchte seine Fähigkeiten verbessern und hofft, sich mithilfe Indiens besser entwickeln zu können. Für Indien sind die reichlich vorhandenen Öl- und Gasreserven im Ozean vor Vietnam interessant. Einige Projekte zur Ölexploration durch das indische Staatsunternehmen ONGC Videsh befinden sich in vietnamesischen Gewässern – wogegen Peking häufig Einwände erhebt.

Hohe Kriegsgefahr

Ein Problem für beide Staaten ist der chinesische Militärstützpunkt auf der Insel Hainan. Dieser gewährleistet eine kontinuierliche Versorgung chinesischer Atom-U-Boote an der südlichsten Spitze Chinas.

Vietnam ist „besorgt über die chinesische Aggressivität im Südchinesischen Meer sowie seine Militarisierung“, erklärte Srikanth Kondapalli, Sinologie-Professor an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi, gegenüber Nikkei Asia. „Sie glauben, dass sie andere gleichgesinnte Länder brauchen, um in diesem Meer, in dem Hanoi territoriale Streitigkeiten mit Peking hat, zu kooperieren.“

Aus vietnamesischer Sicht sei Indien eine „bessere Wahl“ als viele andere Länder. Mit anderen Staaten wie den USA hätte Vietnam historische Probleme. Indien arbeitet militärisch zudem mit den ASEAN-Staaten zusammen, es führte auch militärische Übungen mit Singapur, Thailand, Malaysia, Vietnam und den Philippinen durch.

Was wäre Pekings großes Los?

Pekings Machtbestrebungen im indopazifischen Raum und sein Anspruch auf Taiwan seien besorgniserregend, sagt ein Kenner der Region. Der 74-jährige ehemalige hochrangige Diplomat Rajiv Dogra ist jedoch überzeugt, dass die wirklichen Gefahren an der Nordgrenze Indiens liegen.

Die militärischen Beziehungen zwischen Indien und China sind angespannt. Die umstrittene Grenze ist seit sieben Jahrzehnten ein wunder Punkt in den Beziehungen. Das Verhältnis zwischen den beiden riesigen Ländern hat sich ernsthaft verschlechtert. Seit dem blutigen Konflikt von Galwan mit 45 Toten im Jahr 2020 haben Indien und China ihre Streitkräfte entlang der umstrittenen Grenze in Ladakh verstärkt. 15 Gesprächsrunden blieben nahezu ergebnislos.

„[China] ist Indien in allen Aspekten weit überlegen – vom Militär bis zur Wirtschaft, von der Effizienz der Regierungsführung bis zur sozialen Kontrolle, von dem Selbstbewusstsein bis zur unmoralischen Durchsetzung seiner Ziele. In all diesen Bereichen ist Indien mit einem Ungleichgewicht konfrontiert“, erklärte der frühere indische Diplomat Anfang Juli im Interview mit der englischsprachigen Epoch Times.

Die jetzige Lage mit dem Ukraine-Russland-Konflikt, der Staaten wie die USA anderweitig beschäftigt, sei laut Dogra „DIE Gelegenheit“ für die KP Chinas, auf die sie lange gewartet hat.

„Peking schaut genüsslich zu, wie sich die schlechten Nachrichten in der Welt häufen“, kommentiert er den jetzigen Kurs des US-Präsidenten. Dieser kündigte zur Überraschung vieler während des jüngsten NATO-Gipfels eine erhebliche Aufstockung der US-Streitkräfte in Europa an. „Und das, obwohl die USA allgemein bestätigt haben, dass die größte strategische Herausforderung für die USA von China ausgeht!“, erinnert der frühere Diplomat.

„Je länger sich der Ukraine-Konflikt hinzieht, desto besser ist es für die KP Chinas. ‚Das große Los‘ hätte China gezogen, wenn Russland quasi zu seinem Vorposten in Europa wird.“ Denn „sowohl die USA als auch Russland würden China dann praktisch den Rest der Welt als Spielwiese überlassen. Das ist der Moment, auf den China lange gewartet hat“, meint Dogra. „Wie Mao [Zedong] sagte: ‚Alles unter dem Himmel ist vollkommen chaotisch; die Situation ist ausgezeichnet.’“

Wahrscheinlichkeit eines Krieges China – Indien bei 55 Prozent

Einem Modell internationaler Finanzinvestoren zufolge ist ein militärischer Konflikt niedriger Intensität im nächsten Jahrzehnt zwischen China und Indien zu 55 Prozent wahrscheinlich. Zum Vergleich: Zwischen China und den USA wird diese Wahrscheinlichkeit mit 46 Prozent, zwischen den USA und Russland mit 30 Prozent angegeben.

Ein offener Krieg ist mit 22 Prozent zwischen Indien und China am wahrscheinlichsten, ein offener Krieg von China gegen Taiwan wird nur halb so hoch eingestuft, mit 11 Prozent. Das Modell wurde unter Leitung des führenden australischen Finanzökonomen Christopher Joye zur Vorhersage künftiger Konflikte und Kriege entwickelt.

Demnach wäre das Risiko eines indisch-chinesischen Konflikts oder Krieges derzeit weltweit am größten, befürchtet Rajiv Dogra. Hinter vorgehaltener Hand wird über die Möglichkeit eines Zweifrontenkrieges gesprochen, der Indien in Bedrängnis brächte: zwischen China und Indien einerseits und Pakistan und Indien andererseits. Dabei seien Chinas und Pakistans militärische Ausrüstung und Taktik mittlerweile weitgehend gleich stark.

Die Situation in der nördlichen Himalaya-Region Ladakh, wo indische und chinesische Soldaten bereits im Jahr 2020 in Konflikt gerieten, sei „angespannter“ als irgendwo sonst auf der Welt, weil Indien und China militärische Giganten seien, erklärt der frühere Diplomat.

Es sei an der Zeit, dass sich die Denker der Welt darüber klar würden, wie sensibel die weltweite Lage ist […]  Man habe sich an die Ruhe nach dem Zweiten Weltkrieg gewöhnt und sei nun mit „einem ungeduldigen China konfrontiert, das die Welt neu ordnen will“.

 



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