Vertrag von Lissabon
Keine Hymne, keine Flagge und keine Grundrechtecharta – der vergangenes Jahr in Lissabon formulierte Reformvertrag ist eine nüchterne Regelsammlung, bewusst ohne jede Symbolik gehalten. Nach dem kläglichen Scheitern des Vorgängers, des EU-Verfassungsvertrages, steht der EU damit nun der zweite Versuch ins Haus. Diesmal soll es tatsächlich klappen. Um dies zu gewährleisten, verzichten die meisten EU-Staaten auf die Mitsprache
der Bevölkerung.
Die EU hat 27 Mitglieder. Damit der Vertrag von Lissabon rechtskräftig wird, müssen alle Länder ihn ratifizieren. Das soll möglichst bis Anfang 2009 geschehen sein. Damit nicht wieder einige abtrünnige Länder dies verhindern (wie Frankreich und die Niederlande beim letzten Mal), haben sich die EU-Regierungen stillschweigend, teilweise unter massivstem Protest durch die Bevölkerungen, darauf geeinigt, die Zustimmung in Brüssel ohne Volksabstimmungen
zu erteilen.
Ganz still, klamm und heimlich hat beispielsweise Frankreichs Parlament den EU-Reformvertrag ratifiziert ‒ nach dem Desaster vom Mai 2005 wollte die Regierung eine neue breite Debatte verhindern. In aller Eile, ja sogar überhastet stimmte die Nationalversammlung im Februar mit 336 gegen 52 Stimmen dem EU-Reformvertrag zu. Die Debatte über diesen vereinfachten Verfassungstext war auf die Nachtstunden verlegt worden, damit Fernsehen und Zeitungen nicht so leicht darüber berichten konnten. Ähnlich ging es auch in Österreich zu, weshalb am 30. April eine riesengroße Demonstration gegen dieses Vorgehen der Regierung in Wien stattfand.
Die neuen EU-Staaten Ungarn, Slowenien, Rumänien und Bulgarien haben schon vor Wochen die Zustimmung, ohne Volksbeteiligung, aber auch ohne Protest desselben, ratifiziert.
Ganz anders die Situation in Irland. Die nordwestliche Insel, die gewaltig von der EU profitiert und im Volk hohe EU-Akzeptanz vorfindet, wird im Juni dieses Jahres eine Volksabstimmung abhalten. Das irische Höchstgericht hat entschieden, dass im Vorfeld Gegner und Befürworter gleichermaßen im öffentlichen Fernsehen zu Wort kommen müssen. Dennoch, mit größter Wahrscheinlichkeit, so sind sich alle Kommentatoren einig, wird das irische Volk dem EU-Regelwerk zustimmen.
EU-Verfassung versus Vertrag von Lissabon
Der Vertrag von Lissabon enthält die wesentlichen Bestimmungen des alten Verfassungsentwurfs, ist aber wesentlich weniger symbolisch gehalten. Die Entscheidungen innerhalb der EU werden leichter, das Veto-Recht eines Landes soll nur noch in Ausnahmefällen gelten. Ein Außenminister soll die EU in der Welt vertreten und die Außenpolitik koordinieren. Er soll gleichzeitig Vize-Präsident der Kommission und Leiter des Außenministerrats werden. Diese Bestimmungen sind ident mit jener im Verfassungsentwurf. Im Gegensatz zu der alten Regelung, die eine Rotation der EU-Ratspräsidentschaft auf zweieinhalb Jahre verlängern wollte, wurde diese nun wieder auf die gewohnten sechs Monate reduziert. Neu ist allerdings: Die EU erhält einen Vorsitzenden für zweieinhalb Jahre. Die Erteilung dieses Amtes wird bestimmt wieder für viele Diskussionen sorgen. Versprochen.
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 14/08
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