Verteidigungsfähigkeit: Europa noch lange auf die USA angewiesen

Die Ankündigung der Regierung Trump, geringe Verteidigungsausgaben in Europa nicht mehr zu tolerieren, beantworteten die europäischen Regierungen mit einem verstärkten Aufbau alternativer Lieferketten und Verteidigungssysteme.
„Wenn sie nicht zahlen, werde ich sie nicht verteidigen. Nein, ich werde sie nicht verteidigen“, sagte Trump am 6. März vor Reportern im Weißen Haus.
Trump stellte auch kurzzeitig jegliche Unterstützung für die Ukraine ein und ging sogar so weit, Kiew den Zugang zu Satellitenbildern zu verwehren, die zur Nachverfolgung russischer Truppenbewegungen genutzt werden.

Die Ukraine von Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nunmehr der größte Waffenimporteur der Erde. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Europäische Staats- und Regierungschefs überlegen, wie die Zukunft aussehen könnte, falls die USA den Zugang zu ihren Waffensystemen sowie zu ihrer Satelliten- und geheimdienstlichen Aufklärung stark einschränken würden.
Nach dem Ende des Kalten Krieges siechten die europäischen Verteidigungsausgaben jahrzehntelang nur schleppend vor sich hin. Seit die USA den Druck erhöht haben und Europa über mögliche russische Aggressionen besorgt ist, sind die Militärausgaben wieder gestiegen.
Höhere Verteidigungsausgaben Europas haben Abhängigkeiten vergrößert
Tatsächlich waren die USA im Jahr 2024 die einzige NATO-Nation, die einen geringeren Prozentsatz ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgab als im Jahr 2014, dem Jahr, in dem sich die militärische Allianz auf ein Ziel für Verteidigungsausgaben von 2 Prozent der Wirtschaftsleistung einigte.
Ironischerweise hat die Erhöhung der Verteidigungsausgaben Europas jedoch auch seine Abhängigkeit von den USA erhöht.
Die Rüstungsimporte der europäischen NATO-Staaten haben sich von 2015 bis 2019 mehr als verdoppelt und sind von 2020 bis 2024 erneut gestiegen, so das Stockholm International Peace Research Institute.
Auf US-Verteidigungsgüter entfielen 64 Prozent aller derartigen Waffenimporte. Der nächstgrößere Lieferant war Frankreich mit nur 6,5 Prozent.

Eine Karte zeigt Europa nach dem Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO. Illustration von The Epoch Times

Die Verteidigungsminister von Deutschland, Frankreich, Polen, Italien und dem Vereinigten Königreich treffen sich in Polen im November 2024. Foto: Sergei Gapon/AFP via Getty Images
Der Weg zur Eigenständigkeit in der Verteidigungstechnologie dürfte daher lang und beschwerlich sein, da Europa nach wie vor stark von mehreren wichtigen Systemen aus den USA abhängig ist, für die es kaum oder gar keine europäischen Alternativen gibt.
Hier ein Überblick über die militärischen Bereiche, in denen Europa von den Vereinigten Staaten abhängig ist.
Atomare Abschreckung
Die strategische Verteidigungsarchitektur Europas ist seit Langem mit fortschrittlichen Waffensystemen der USA verflochten, einschließlich mit dem umfangreichen US-Atomwaffenarsenal.
Die einzigen NATO-Mächte neben den USA, die Atomwaffen besitzen, sind Frankreich und Großbritannien. Aber es sind allein die Vereinigten Staaten, die ihre Atomwaffen anderen Nationen zur Verfügung stellen, um die strategische Abschreckung auf ganz Europa zu erweitern.
In dessen Rahmen haben Belgien, Deutschland, Italien, die Niederlande und die Türkei rund 150 in den USA hergestellte Atombomben vom Typ B61 zur strategischen Abschreckung in ihren Ländern stationiert.
Als Reaktion auf die Äußerungen Trumps hat der französische Präsident Emmanuel Macron eine Diskussion über die Ausweitung der nuklearen Abschreckung Frankreichs auf andere europäische Nationen angestoßen.
Macrons „strategische Debatte“ über die Möglichkeit einer Ausweitung des französischen atomaren Abwehrschirms auf den Rest Europas, um damit die Rolle der USA zu ersetzen, markiert eine bedeutende Verschiebung in der französischen Verteidigungsdoktrin, stößt jedoch auf Kritik sowie auf technische Schwierigkeiten.
Frankreich und Großbritannien besitzen 515 Nuklearsprengköpfe
So würde die Entwicklung einer von den USA autarken nuklearen Abschreckung viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. Keine europäische Nation verfügt über ein vergleichbares Atomwaffenarsenal wie die USA.
Frankreich und Großbritannien verfügen zusammen über etwas mehr als 515 nukleare Sprengköpfe, während die USA über mehr als 5.000 verfügen.
Eine Neuentwicklung von eigenen Waffensystemen zur nuklearen Abschreckung in Europa stellt sich sowohl wirtschaftlich als auch politisch als schwierig dar, zumal sich die Europäer jahrzehntelang für nukleare Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle eingesetzt haben.
Fortschrittliche Kampfflugzeuge und Bomber
Die europäischen Nationen sind auch bei Flugzeugen, die für Atomschläge benötigt werden, sowie bei anderen fortschrittlichen Kampfflugzeugen und Drohnen stark von den USA abhängig.
Strategische Bomber wie die B-52, B-1 und B-2 bieten Fähigkeiten, die von keinem europäischen Gegenstück erreicht werden. Tatsächlich verfügt Europa über keine strategischen Bomberflotten.
Ebenso setzen europäische Luftstreitkräfte zunehmend auf in den USA hergestellte Kampfflugzeuge wie die F-35 und die F-16. Insgesamt nutzen 14 EU-Staaten, die Schweiz und die Türkei die F-16, die F-35 oder beide.
Die Beschaffung von US-Kampfflugzeugen hat in den letzten zehn Jahren zugenommen, da Europa einen militärischen Vorsprung in der Waffentechnik gegenüber Russland anstrebt.
Europa verfügt zwar über einige Alternativen wie den Eurofighter Typhoon, doch diese bieten nicht das gleiche Maß an technologischer Überlegenheit.

Ein Eurofighter Typhoon Jet der Bundeswehr am 26. April 2018 auf der ILA Berlin Air Show. Foto: Sean Gallup/Getty Images
Wie bei Atomwaffen würde die Entwicklung eines echten, in Europa hergestellten Äquivalents Zeit und erhebliche Investitionen erfordern und könnte für einen zukünftigen Konflikt zu spät kommen.
Durch die Abhängigkeit von US-Kampfflugzeugen entstehen jedoch weitere Probleme.
So stellen die USA umfangreiche Schulungen, Integration und Infrastruktur zur Nutzung der F-35-Kampfflugzeuge bereit. Die überwiegende Mehrheit der Ersatzteile und Software-Updates ist fast ausschließlich aus US-Produktion.
Ebenso kann kein Kampfflugzeug aus den USA unabhängig von US-Kommunikationssystemen oder der in US-Besitz befindlichen und betriebenen GPS-Satellitennavigation eingesetzt werden.
Daher müssen europäische Staaten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ihre modernsten Kampfflugzeuge schnell zu teuren Briefbeschwerern werden könnten, sollten sie jemals von der Unterstützung der USA abgeschnitten werden.
Raketenabwehrsystem
Europa ist in hohem Maße auf die US-Raketenabwehrsysteme angewiesen, darunter die landgestützten Patriot- und die seegestützten Aegis-Systeme.
Das Patriot-System ist in erster Linie für die Abwehr taktischer ballistischer Raketen, Marschflugkörper und fortschrittlicher Flugzeuge ausgelegt. Das Aegis-System verfolgt und zerstört ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie weniger fortschrittliche Flugzeuge.
Beide Systeme sind eng in das umfangreiche NATO-Verteidigungskonzept eingebunden und werden von Deutschland und Polen eingesetzt.
Es gibt zwar einige Alternativen wie zum Beispiel die in Russland gebauten S-400 der Türkei, jedoch sind diese Systeme nicht mit anderen NATO-Systemen kompatibel.
Ein vergleichbares Luftverteidigungssystem wie Patriot und Aegis ohne die USA zu entwickeln, mit dem gleichen Integrationsgrad in die bestehende Infrastruktur der NATO, erscheint daher wenig erfolgversprechend.
Die USA leisten auch erhebliche operative Unterstützung und Upgrades für die Patriot- und Aegis-Systeme, was das Ersetzen der Systeme noch komplexer macht.
Die USA, Deutschland und Italien arbeiten gemeinsam an einem Projekt, um Patriot durch das Medium Extended Air Defense System zu ersetzen.

Ein Flugabwehrsystem vom Typ Patriot. Foto: Frank Hammerschmidt/dpa
Ein schwieriger Weg
In naher Zukunft steht Europa vor einem schwierigen Weg zu echter Autarkie in militärischen Angelegenheiten.
Der Kontinent kämpft mit komplexen geopolitischen Herausforderungen, technologischen Lücken und internen Spaltungen und ist trotz der Erhöhung der europäischen Verteidigungsbudgets weiterhin stark von den USA abhängig, was kritische Verteidigungsfähigkeiten betrifft.
Diese Abhängigkeit zeigt sich besonders deutlich in Bereichen wie der Luft- und Raketenabwehr, in denen Systeme, Technologie und Führung der USA weiterhin eine zentrale Rolle spielen.
Eines der größten Hindernisse ist die technologische Kluft zwischen den europäischen und den amerikanischen Verteidigungsindustrien. Es wird schwierig sein, sicherzustellen, dass Europa mit den Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskapazitäten der USA und anderer globaler Wettbewerber wird mithalten können.
Auch die politische Fragmentierung könnte die Bemühungen um den Aufbau einer einheitlichen und autonomen Streitmacht erschweren. Die Verteidigungspolitik der EU steckt noch in den Kinderschuhen, und die unterschiedlichen Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten werden die Schaffung einer kohärenten und unabhängigen europäischen Streitmacht erschweren.
Europa hat jedoch immer noch das Potenzial, in militärischen Angelegenheiten autarker zu werden, vorausgesetzt, es kann ein langfristiges Bemühen für erhöhte Militärausgaben und eine europäische Zusammenarbeit in Militärfragen sicherstellen.
Derzeit liegt das Schicksal einer militärischen Verteidigung Europas weitgehend in den Händen von Waffen aus amerikanischer Produktion.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „How Europe Still Relies on the US for Defense“. (deutsche Bearbeitung er)
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