Krise in Venezuela – Opposition kann Sieg bei Präsidentschaftswahl „beweisen“
In Venezuela ist es nach der hochumstrittenen Präsidentenwahl zu Protesten mit heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. In Caracas und anderen Städten des Landes gingen zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen das offizielle Wahlergebnis und den angeblichen Sieg des seit 2013 regierenden Nicolás Maduro zu protestieren.
Für Dienstag rief die Opposition zu einer Großdemonstration gegen die Regierung auf. „Wir sind entschlossen, die Wahrheit zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass jede Stimme gezählt wird“, sagte Oppositionsführerin Machado. Auch das Regierungslager will seine Anhänger auf die Straße bringen.
Tränengas, Gummigeschosse, ein Toter, viele Verletzte
In der Hauptstadt Caracas kam es zu Protesten gegen Maduro. „Sie wird fallen, sie wird fallen, diese Regierung wird fallen“, skandierten Demonstranten im Armenviertel Petare. Sie blockierten Straßen und steckten Barrikaden in Brand, wie im Fernsehsender „NTN24“ zu sehen war.
Die Polizei feuerte Tränengas und Gummigeschosse auf die Demonstranten. Wie auf einem Video zu sehen war, schossen Männer in Zivil auch mit Pistolen in Richtung der Protestierenden. Bei den Schützen könnte es sich um „Colectivos“ handeln – regierungsnahe paramilitärische Gruppen, die die Agenda der Regierung mit Gewalt durchsetzen.
Nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation wurde ein Mensch getötet, 46 weitere festgenommen. Das teilte der Chef der NGO Foro Penal, Alfredo Romero, am Montag (Ortszeit) im Onlinedienst X mit.
Wahlbetrug: Opposition spricht von 6,27 Mill. Stimmen für González und 2,7 für Maduro
Die Opposition wirft der Regierung Betrug vor und erkennt das Ergebnis nicht an. Auch die Europäische Union, die USA und eine Reihe lateinamerikanischer Länder erhoben Zweifel am fairen Ablauf der Wahl und dem Ergebnis.
Zudem spricht die Opposition davon, den Sieg ihres Kandidaten „beweisen“ zu können. Sie habe Zugriff zu 73 Prozent der Ergebnislisten aus den Wahllokalen, sagte Oppositionsführerin María Corina Machado am Montag. Diese belegten einen uneinholbaren Vorsprung des Herausforderers von Amtsinhaber Nicolás Maduro.
In allen Bundesstaaten habe Edmundo González Urrutia gewonnen. Insgesamt habe 6,27 Millionen Stimmen erhalten, der von der Wahlbehörde zum Sieger ernannte Amtsinhaber Nicolás Maduro sei auf 2,7 Millionen Stimmen gekommen.
Ein Beispiel auf X, früher Twitter, zeigt die Ergebnisse der drei Wahllokale im IUTY-Wahlzentrum in der Gemeinde Independencia im Bundesstaat Yaracuy: Edmundo González 1920 Stimmen und Nicolás Maduro 191 Stimmen. „Maduro kann die Realität nicht vertuschen, Venezuela hat NEIN gesagt!“
🚨| URGENTE: Estos son los resultados en las tres mesas de Votación en el Centro Electoral IUTY, del municipio Independencia en el estado Yaracuy:
Edmundo González 1920 Votos
Nicolás Maduro 191 Votos¡Maduro no puede tapar la realidad, Venezuela le dijo NO!#VenezuelaLibre 🇻🇪 pic.twitter.com/X7w5AxuFsZ
— Eduardo Menoni (@eduardomenoni) July 29, 2024
„Unser Triumph ist historisch“, sagte González. Die Behörden müssten den an den Wahlurnen zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes respektieren.
Der Nationale Wahlrat hatte den seit 2013 regierenden Präsidenten Maduro offiziell zum Wahlsieger erklärt. Der linke Staatschef würde im Januar 2025 seine dritte sechsjährige Amtszeit antreten. Nach offiziellen Angaben kam Maduro bei der Abstimmung am Sonntag auf 51,2 Prozent der Stimmen, González erhielt demnach 44,2 Prozent.
In X ist auch ein kurzes Videos zu sehen, wie eine Statue von Maduro gestürzt wird. Mittlerweile sei es die dritte:
A THIRD statue of Hugo Chavez, who represents socialism, has been torn down in Venezuela. This time in the parish of La Guaira. pic.twitter.com/0HnFGhZs8w
— Ian Miles Cheong (@stillgray) July 30, 2024
Die venezolanische Staatsanwaltschaft warf Machado derweil vor, an einem mutmaßlichen Hackerangriff auf das Wahlsystem beteiligt gewesen zu sein, um die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu „fälschen“.
Regierung in Caracas verweist kritische Diplomaten des Landes
Die Proklamation Maduros zum Sieger der Präsidentschaftswahl löste international Zweifel und Proteste aus. UN-Generalsekretär António Guterres rief nach Angaben seines Sprechers zu „vollständiger Transparenz“ auf, zudem müssten die Wahlergebnisse nach Wahllokalen aufgeschlüsselt veröffentlicht werden.
Die Organisation Amerikanischer Staaten mit Sitz in Washington berief auf Antrag Argentiniens und weiterer Länder, die das offizielle Wahlergebnis anzweifeln, für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung ein.
Nach Protestnoten aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern verwies die venezolanische Regierung deren Botschafter des Landes. Die Vertreter von Argentinien, Chile, Costa Rica, Peru, Panama, der Dominikanischen Republik und Uruguay sollten das Land verlassen. Die Staaten hatten zuvor eine vollständige Überprüfung des Wahlergebnisses gefordert
Gleichzeitig zog die Regierung in Caracas auch ihr diplomatisches Personal aus diesen Ländern ab. Das Land setzte zudem Flüge von und nach Panama und von und in die Dominikanischen Republik aus.
Angesichts der Manipulationsvorwürfe forderten sowohl die Europäische Union als auch die Vereinten Nationen den Nationalen Wahlrat zur Veröffentlichung der detaillierten Abstimmungsdaten auf.
„Die Wahlergebnisse wurden nicht verifiziert und können nicht als repräsentativ für den Willen des venezolanischen Volkes angesehen werden, bis alle offiziellen Aufzeichnungen der Wahllokale veröffentlicht und überprüft wurden“, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit.
Menschenrechtler zählen über 300 politische Häftlinge
Die politische Krise in dem sozialistischen Land könnte sich jetzt noch einmal verschärfen. Schon die Wiederwahl Maduros 2018 war international von vielen Ländern nicht anerkannt worden. Der damalige Parlamentspräsident Juan Guaidó erklärte sich 2019 zum Interimspräsidenten, konnte sich aber im Land nicht durchsetzen – vor allem, weil das Militär hinter Maduro stand.
Die Sicherheitskräfte gehen hart gegen Regierungsgegner vor. Nach Angaben von Menschenrechtlern sitzen über 300 politische Gefangene hinter Gittern.
Der frühere Gewerkschafter und Busfahrer Maduro hatte 2013 die Nachfolge von Hugo Chávez angetreten, der mit 59 Jahren an Krebs gestorben war. Unter Maduro verschlechterte sich die Lage in dem einst reichen Land mit seinen großen Erdölvorkommen rapide.
Venezuela leidet unter sozialistischem Missmanagement, Korruption und internationalen Sanktionen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Über sieben Millionen Menschen – rund ein Viertel der Bevölkerung – haben das Land nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren wegen Armut und Gewalt verlassen.
Vor der Wahl am Sonntag hatten mehrere Umfragen einen Sieg der Opposition prognostiziert. Unabhängige Experten gingen schon vor der Abstimmung davon aus, dass die Wahl weder frei noch fair ablaufen würde.
(afp/dpa/red)
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