USA: Staatsbürgerschaft kraft Geburt soll nach dem Willen von Präsident Trump kein Automatismus mehr sein
Das Recht auf US-amerikanische Staatsbürgerschaft kraft Geburt ist in der Endphase des Wahlkampfs zu den Kongress-Zwischenwahlen ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung gerückt. Präsident Donald Trump hatte den Abgeordneten beider Kammern im Vormonat eine Rute ins Fenster gestellt, als er ankündigte, die Frage im Fall des Scheiterns einer Einigung auf parlamentarischem Wege mittels Präsidialverordnung zu regeln.
Dies hat nicht nur Medien und politische Gegner aufgeschreckt. Auch einige konservative sowie konstitutionalistische Abgeordnete und Rechtsgelehrte haben den Präsidenten vor einem solchen Schritt gewarnt, der den Kritikern zufolge den 14. Verfassungszusatz infrage stellen würde.
Das derzeitige System des Erwerbs der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit beruht auf der automatischen Zuerkennung dieser an Personen, die innerhalb des Geltungsbereichs der Jurisdiktionsgewalt der Vereinigten Staaten geboren sind und dieser unterstehen. Dies betrifft neben Personen, die auf US-amerikanischem Boden selbst geboren sind, auch solche, deren Geburtsort Puerto Rico, Guam oder die Nordmarianen oder die Jungfraueninseln sind. Außerdem ist – in Durchbrechung der Anknüpfung an den Geburtsort – jedermann US-Staatsbürger kraft Geburt, der als Kind von US-Bürgern wo auch immer in der Welt geboren wird.
Dennoch gibt es Randbereiche und Grauzonen, die sich mit dem bloßen Wortlaut der Verfassung nicht eindeutig abgrenzen lassen – und über die es über die Zeiten hinweg unterschiedliche Ansichten gegeben hat. Diese änderten sich auch über die Jahrhunderte hinweg. Waren zu Beginn etwa die Stämme der Ureinwohner von der US-Jurisdiktionsgewalt ausgeschlossen, begründeten spätere Theorien ihr Recht auf Staatsangehörigkeit mit den Verträgen, die sie mit den US-Behörden geschlossen hatten und die sie zumindest in Teilen deren Jurisdiktion unterwarfen. Heute wiederum gibt es Tendenzen, die eine Jurisdiktionsgewalt dort wiederum als illegitim erachten.
Restriktionen bei der Einwanderung erst ab dem späten 19. Jahrhundert
Auch die technischen Entwicklungen machten Abgrenzungen schwierig. So stellte sich die Frage, inwieweit die Geburt auf Schiffen unter US-Flagge, an Bord von Flugzeugen oder in ausländischen US-Vertretungen eine Staatsangehörigkeit begründen.
Die Verfassungsgeschichte und die Verfassungstheorie hatten in Grenzfällen stets den Ausschlag gegeben, wenn Gerichte unklare Statusfragen klären mussten. Eine Reihe von Kongressinitiativen für eine eindeutige gesetzliche Regelung scheiterte. Und doch ist es nach allen Lesarten und Interpretationsansätzen am Ende der Kongress, der dem Wortlaut der Verfassung zufolge berufen ist, eine Regelung zu finden, die dem Prinzip des Konsenses der Regierten am ehesten entspricht.
Was die Sache mit Blick auf das moderne Phänomen des „Geburtentourismus“ oder der Geburt von Kindern illegal in den USA aufhältiger Einwanderer anbelangt, war dieses den Gründervätern der Vereinigten Staaten noch unbekannt. Es war relativ unstrittig, wer zur jeweiligen Bürgerschaft gehörte. Und wer mit Sack und Pack seinen Weg aus Europa in die USA antrat, kam, um zu bleiben – dies war auch der Sinn der „Neuen Welt“.
Die Forderung nach Restriktionen in der Einwanderungspolitik ist erst ein Kind des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Erst 1875 gab es ein erstes Bundesgesetz zur Regulierung der Einwanderung. Einige Bundesstaaten schrieben Verpflichtungen wie Gesundheitschecks vor, aber ein Gesetz des Kongresses etwa über eine Obergrenze für die Einwanderung gab es nicht vor dem 20. Jahrhundert.
Forderungen nach Einschränkungen beim Geburtsrecht standen unter dem Eindruck einer starken Einwanderungswelle aus China während des späten 19. Jahrhunderts. Diese waren, so schreibt Juraprofessorin Rachel Rosenbloom, von einer „stark rassisch untermalten Sprache über Krise und Invasion“ begleitet und betrafen Kinder von Eltern ohne legalen Status ebenso wie jene, deren Eltern sich rechtmäßig in den USA aufhielten. Seit dieser Zeit habe es Bestrebungen dieser Art immer wieder gegeben.
Zwei Drittel aller illegalen Einwanderer seit mindestens zehn Jahren in den USA
Um wie viele Betroffene es in der derzeitigen Debatte geht, ist nicht exakt bezifferbar. Im Oktober 2016 wollte das Pew Research Center auf der Grundlage standardisierter Zensusquellen zu dem Schluss gekommen sein, dass 2014 etwa 275 000 Babys in jener Zeit geboren wurden, die über zumindest einen nicht von den Behörden erfassten Elternteil in den USA verfügten. Das wären etwa sieben Prozent aller in den USA geborenen Kinder jenes Jahres gewesen. Im Jahr 2009 waren es noch 330 000 solcher Geburten.
Insgesamt soll die Zahl von Minderjährigen mit illegal in den USA aufhältigen Eltern im Jahr 2014 bei 4,7 Millionen gelegen haben. Dazu seien 725 000 Minderjährige bis 18 Jahre gekommen, die selbst als illegale Einwanderer mit nicht erfassten Elternteilen lebten. In den USA geborene Kinder, die nicht bei ihren Eltern leben, wurden durch diese Studie nicht erfasst.
Der Anteil von Kindern illegaler Einwanderer, die in den USA geboren wurden, ist in den letzten beiden Jahrzehnten angestiegen. Dies liegt daran, dass sich immer mehr von den nicht dokumentierten Einwanderern über eine längere Zeit in den USA aufhalten. Im Jahr 2005 waren es erst 41 Prozent aller erwachsenen illegalen Einwanderer, die bereits seit zehn Jahren und mehr in den USA lebten, 2014 bereits zwei Drittel. Der ehemalige Präsident George W. Bush hatte 2006 eine Amnestieregelung erlassen, die für mehrere Millionen illegaler Einwanderer einen Weg zur Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus eröffnete. Jüngere Daten aus der Zeit zwischen 2009 und 2013 lassen darauf schließen, dass derzeit mindestens 4,1 Millionen Kinder mit US-Staatsbürgerschaft und zumindest einem undokumentierten Elternteil im Land leben.
Unterschiedliche Positionen bei den Republikanern
In der Republikanischen Partei sind die Positionen zur Staatsbürgerschaft kraft Geburt uneinheitlich. Präsident Donald Trump will den Automatismus weitgehend ausschalten und sieht in der Jurisdiktionsklausel eine explizite Einladung, auf der Basis des Artikels 14 notfalls selbst eine Regelung zu treffen. Andere frühere Präsidentschaftskandidaten wie Scott Walker oder Chris Christie sehen die Sache anders und wollen Wege für eine Regelung im Kongress eröffnen.
Ex-Gouverneur Jeb Bush hatte seine eigenen Wahlchancen durch die Äußerung in einer Fernsehdebatte minimiert, die illegale Einwanderung, um seinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, sei ein „Akt der Liebe“. Senator Rand Paul hatte bereits 2011 einen Gesetzesentwurf mitgetragen, der eine Staatsbürgerschaft kraft Geburt nur noch dann vorgesehen hätte, wenn mindestens ein Elternteil US-Amerikaner, legaler Einwanderer oder Mitglied der Streitkräfte gewesen wäre.
Rechtsprofessor Robert P. George von der Princeton-Universität stimmt zwar den Demokraten in ihrer Einschätzung zu, dass es einer Überschreitung der verfassungsmäßigen Befugnisse entspräche, würde Donald Trump mittels einer Präsidialverordnung den Anwendungsbereich des Artikels 14 definieren. Die Demokraten hätten dem überbordenden Gebrauch dieses Instruments allerdings selbst Tür und Tor geöffnet.
Es wäre Präsident Barack Obama gewesen, der „seine Drohung wahrmachte, unilateral zu agieren, wenn der Kongress ihm nicht seine gesetzgeberischen Wünsche erfülle“. Er, George, habe damals bereits seinen liberalen Freunden gesagt, dass diese Macht „eines Tages auch in den Händen eines anderen Präsidenten enden“ könne, schrieb der Professor auf Facebook. „Ich hätte nicht erwartet, dass das so schnell und in so dramatischem Ausmaß geschehen würde.“
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