USA: Biden nach Super Tuesday Favorit bei Demokraten – nun soll ihn Big Data ins Weiße Haus bringen

Nach seinen Erfolgen am Super Tuesday ist Ex-Vizepräsident Joe Biden zum Favoriten für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten in den USA avanciert. Gegen Amtsinhaber Donald Trump gilt er als Außenseiter. Big Data soll ihm nun Chancengleichheit verschaffen.
Titelbild
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bei einer Ansprache in Las Vegas im September 2019.Foto: Ethan Miller/Getty Images)
Von 5. März 2020

Es ist zwar noch keine endgültige Vorentscheidung, die der Super Tuesday (3.3.) im Rennen der US-Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur gebracht hat. Nach Siegen in neun von 14 Bundesstaaten, weiteren bereits vollzogenen oder unmittelbar bevorstehenden Rückzugserklärungen von Konkurrenzkandidaten und damit verbundenen Wahlempfehlungen zeichnet sich aber immer mehr ab: Der frühere Vizepräsident Joe Biden wird im November den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump herausfordern. Und Big Data soll ihm dabei zu besseren Erfolgschancen verhelfen.

Zwar hat der linksaußen angesiedelte Senator von Vermont, Bernie Sanders, mit seinem Sieg in Kalifornien am Dienstag den Staat mit den meisten Delegiertenstimmen für sich entschieden. Es könnte sich dabei allerdings am Ende um einen Trostpreis handeln. 

Biden gewinnt zwei Sanders-Staaten von 2016

Mit Minnesota und Oklahoma konnte Joe Biden zwei Staaten für sich entscheiden, die Sanders 2016 noch gegen Hillary Clinton gewonnen hatte. Zudem gewann Biden in vielen Bundesstaaten trotz eines immer noch größeren Feldes an aussichtsreichen Teilnehmern mit Nähe zum Parteiestablishment mit durchaus deutlichem Abstand, etwa in Alabama mit einem Anteil von 63 Prozent der Stimmen oder in Arkansas mit 40 Prozent und 18 Punkten Vorsprung. Biden holte jeweils deutlich höhere Stimmenanteile als Umfragen ihm zuvor zugebilligt hatten.

Sanders konnte zwar seinen Heimat-Bundesstaat Vermont mit etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen holen, gegenüber den 86 Prozent, mit denen er vor vier Jahren dort gewann, ist dieses Heimergebnis jedoch bescheiden. Zudem holte er Colorado und Utah. Demgegenüber lag Biden in Texas voran und konnte neben Alabama, Arkansas, Minnesota und Oklahoma auch noch in Massachusetts, North Carolina, Tennessee, Virginia und Maine triumphieren.

Unterdessen hat Michael Bloomberg, der lediglich den Caucus von Amerikanisch-Samoa, an dem 351 Personen teilnahmen, für sich entscheiden konnte, seine Kandidatur zurückgezogen. Das Lager von Senatorin Elizabeth Warren, die selbst in ihrem Heimat-Bundesstaat Massachusetts nur auf Platz 3 landete, beratschlagt derzeit, ob es noch Sinn macht, weiter im Rennen zu bleiben. Beobachter rechnen jedoch mit einem baldigen Rückzug, verbunden mit einer Wahlempfehlung für Biden.

Wie geht’s nach dem Super Tuesday weiter?

Bundesstaaten mit dreistelligen Delegiertenzahlen, in denen demnächst Vorwahlen anstehen, sind am 10. März Michigan (125) und am 17. März Florida (219), Illinois (155) und Ohio (136). Gelingt es Biden auch dort, seinen größten verbliebenen Rivalen abzuhängen, könnte das Rennen gelaufen sein. In Michigan sehen Umfragen Sanders zwar noch knapp voran, allerdings gelten mindestens 35 Prozent als unentschlossen – und die Ergebnisse vom Super Tuesday könnten Biden einen weiteren Boost geben.

In Ohio stammt die letzte Erhebung noch aus einer Zeit, in der Bloomberg und Pete Buttigieg noch im Rennen waren. Und in Illinois wird Biden von jenem Faktor profitieren können, auf den er auch in der General Election bauen will: der Obama-Nostalgie, die unter Demokraten immer stärker Platz greift, je schlechter die Chancen eingeschätzt werden, Donald Trump zu entthronen.

Dieser hat es selbst am Super Tuesday geschafft, Akzente zu setzen. Obwohl nur eine Handvoll Zählkandidaten ohne jedwede Erfolgsaussichten gegen ihn kandidierte, konnte Trump massenhaft Wähler zur Teilnahme an den Vorwahlen mobilisieren. Wie „Politico“ anmerkt, strömten bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich mehr Stimmberechtigte zu den Vorwahlen als selbst George W. Bush oder Barack Obama zu mobilisieren vermochten, als es um die Vorbereitung ihrer Wiederwahl ging. Politico schreibt von einer „historischen“ Beteiligung – und einem „Warnsignal für die Demokraten im November“.

Biden ist kein zweiter Obama

Obama-Nostalgie allein dürfte zudem nicht ausreichen, um Joe Biden zu einem ernsthaften Herausforderer für einen Amtsinhaber zu machen, der bereits jetzt seine Basis in Wahlkampfstimmung versetzt. Biden ist kein Kandidat, der sich für einen Personenkult eignet, wie er – neben der globalen Finanzkrise – Obama 2008 ins Amt verholfen hatte. Zudem muss Biden mit einigen weiteren widrigen Umständen kämpfen.

So mag er zwar für moderate Wähler akzeptabler erscheinen als der selbsterklärte „demokratische Sozialist“ Sanders. Was er jedoch in der Mitte gewinnt, könnte er auf der äußersten Linken verlieren, wenn die Sanders-Gemeinde in großen Zahlen der General Election fernbleibt. Versucht er diese einzubinden, etwa durch einen weit linken Running Mate, könnte er jedoch in der Mitte verlieren.

Dazu kommt sein Alter: Würde Biden im November zum Präsidenten gewählt, würde er mit 78 Jahren erstmals das Amt antreten. Im Jahr 2008 hatte das Argument, er könnte voraussichtlich keine zweite Amtsperiode ausüben, dem damals 72-jährigen republikanischen Kandidaten John McCain massiv geschadet. Amtsinhaber Donald Trump wird im Juni 74 Jahre alt – er wäre 79, sollte er erst 2025 aus dem Amt scheiden. Auch Themen wie Bidens Aktivitäten in der Ukraine oder diverse rhetorische und sonstige Ausrutscher könnten sich als Handicap erweisen.

Einen möglichen Ansatz, um Trumps absehbaren Startvorteil zu egalisieren, könnte dabei die „Big Data“-Ökonomie bringen. Wie Publizist Gabor Steingart im „Focus“ andeutet, wäre es denkbar, dass Michael Bloomberg Biden für seinen Wahlkampf das Digital-Unternehmen „Hawkfish“ zur Verfügung stellt, um für den Rest der Vorwahlen Sanders und im Herbst Trump auf Distanz halten zu können.

Big Data als Schlüssel zu den Swing States

Während Barack Obama bei seiner Wiederwahlkampagne 2012 davon profitiert hatte, dass sein Wahlkampfmanager David Axelrod Data Mining und zielgruppengerechte Verwertung von Daten aus sozialen Netzwerken als wirksames Instrument zur Zielgruppenansprache verwendete, tat Donald Trump ihm dies 2016 gleich.

Er nutzte für seine Kampagne Daten, die der Dienst Cambridge Analytica aus Persönlichkeitstests oder ähnlichen Spiele- beziehungsweise Quiz-Apps auf Facebook gewonnen hatte. Die Folge davon war, dass gegen Cambridge Analytica und gegen Facebook eine Kampagne lanciert wurde, im Zuge derer dem Datendienst vorgeworfen wurde, auf „unzulässige“ Art und Weise Daten von 87 Millionen Nutzern beschafft und später einer Verwertung zum Zwecke der Zielgruppenansprache zugeführt zu haben. Cambridge Analytica hat mittlerweile seine Geschäftstätigkeit eingestellt.

Das Unternehmen Hawkfish hat seinen Sitz in der bisherigen Zentrale des Bloomberg-Wahlkampfs in Manhattan. Da dieser nun zu Ende ist, bevor er überhaupt richtig anlaufen konnte, ist davon auszugehen, dass aufseiten des Unternehmens die Bereitschaft hoch ist, mit Joe Biden einen alternativen Auftraggeber zu ergattern.

Der 2018 gegründete Dienst im Bereich der Big Data hat bislang nur eine wenig aussagekräftige Webseite, einen Auftritt bei LinkedIn, 200 Mitarbeiter und will als „neues Start-up zum Aufbau einer hochmodernen Daten- und Technologieinfrastruktur für demokratische Kandidaten, gute Zwecke und vernünftige Lösungen“ fungieren.

Bloomberg blieb trotz Hawkfish erfolgsarm

Ähnlich wie Cambridge Analytica hätte Hawkfish das Potenzial, Profile der unterschiedlichen Wählergruppen zu erstellen und diese dann mit gezielten politischen Botschaften zu versorgen. Donald Trump hatte auf diese Weise 2016 die entscheidenden Mehrheiten für das Electoral College holen können – obwohl seine Gegenkandidatin Hillary Clinton deutlich mehr finanzielle Mittel, fast alle überregionalen Medien des Landes und die Mehrheit im Popular Vote auf ihrer Seite hatte.

Gabor Steingart meint in Hawkfish eine „Geheimwaffe“ zu erkennen, die nun Bidens Kampagne helfen könnte:

Erstmals verfügt der bisher eher schwächliche Kandidat Biden über finanzielle, logistische und technologische Fähigkeiten, die seine Kandidatur vom Stigma der Aussichtslosigkeit befreien.“

Bloomberg hat jedoch auch Hawkfish nicht helfen können: 20,5 Prozent in Colorado, die dort für einen dritten Platz reichten, blieben am Super Tuesday sein bestes Ergebnis – abgesehen vom Caucus in Amerikanisch-Samoa, für den eine Wähleransprache mittels Data Mining möglicherweise den Aufwand nicht gelohnt hätte.



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