US-Finanzsystem auf der Kippe: Yellen warnt vor „Verfassungskrise“

Amerika steht kurz vor dem Zahlungsausfall. Der Streit um die Anhebung der Schuldengrenze reißt nicht ab. Finanzministerin Yellen hofft auf die Einsicht des US-Kongresses, schließt aber eine „Verfassungskrise“ im nächsten Monat nicht aus.
Titelbild
US-Finanzministerin Janet Yellen fürchtet „katastrophale“ Folgen bei einem Zahlungsausfall.Foto: Al Drago/Pool Bloomberg/AP/dpa/dpa
Von 8. Mai 2023

Den USA droht nach den Worten von Finanzministerin Janet Yellen schon Anfang Juni die Zahlungsunfähigkeit. Alles hängt davon ab, ob der Kongress die Schuldenobergrenze in den kommenden Wochen nochmals erhöht oder aussetzt. Allerdings stellt sich der Kongress quer. Seit Monaten streiten Republikaner und Demokraten über die Staatsausgaben und Schuldenlast des Landes.

In einem jüngsten Interview mit dem Sender „ABC“ betonte Finanzministerin Janet Yellen am Sonntag, dass sie die Möglichkeit unter Berufung auf den 14. Zusatzartikel der Verfassung nicht ausschließe, die Schuldenobergrenze für verfassungswidrig zu erklären, sollte der Kongress seinen Streit nicht beilegen.

Allerdings warnte sie auch, dass dies eine „Verfassungskrise“ auslösen könnte, da von der Verfassung her dem Kongress die Macht über das Geld obliege und nicht der Regierung. „Was zu tun ist, wenn der Kongress seiner Verantwortung nicht nachkommt, es gibt einfach keine guten Optionen.“

„Es gibt keine andere Möglichkeit“

In dem 14. Zusatzartikel heißt es unter anderem, dass die „Gültigkeit der öffentlichen Schulden der Vereinigten Staaten, die durch das Gesetz genehmigt wurden, […] nicht infrage gestellt werden darf“.

„Es gibt keine andere Möglichkeit, unser Finanzsystem und unsere Wirtschaft zu schützen, als dass der Kongress seine Arbeit macht und die Schuldenobergrenze anhebt, damit wir unsere Rechnungen bezahlen können. Und wir sollten nicht an den Punkt kommen, an dem wir darüber nachdenken müssen, ob der Präsident weiter Schulden machen kann“, so Yellen in der Sendung „This Week“.

Die USA hatten bereits Mitte Januar offiziell die Schuldenobergrenze von 31,38 Billionen Dollar (rund 28,6 Billionen Euro) erreicht. Ein Zahlungsausfall könnte die globalen Finanzmärkte erschüttern. US-Anleihen gelten zurzeit noch als eine der sichersten Anlagen und als Bausteine für das weltweite Finanzsystem. Ein Zahlungsausfall würde das ändern.

Yellen: „Es gibt keine guten Optionen“

Yellen wies jedoch darauf hin, dass die Anwendung des 14. Zusatzartikels keine gute Option sei: „Sehen sie, ich möchte keine Notfalloptionen in Betracht ziehen. Wichtig ist, dass die Kongressmitglieder ihre Verantwortung erkennen und das abwenden, was mit Sicherheit eine wirtschaftliche und finanzielle Katastrophe sein wird.“

„Seit 1960 ist die Schuldenobergrenze 78 Mal angehoben worden, dreimal während der vorherigen Regierung, immer mit parteiübergreifender Unterstützung. Es ist einfach inakzeptabel, dass der Kongress als Preis für die Anhebung der Schuldenobergrenze und die Einigung auf Haushaltsprioritäten eine wirtschaftliche Katastrophe für die amerikanischen Haushalte und das globale Finanzsystem androht.“

„Dies wäre wirklich das erste Mal in der Geschichte Amerikas, dass wir fällige Zahlungen nicht leisten“, sagte Yellen.

Yellen kritisiert Biden

Die Idee, sich auf den 14. Verfassungszusatz zu berufen, brachte letzte Woche Präsident Joe Biden ins Spiel. In einem Interview mit „MSNBC“ deutete er an, dass diese Option auf dem Tisch liege.

Yellen kommentierte Bidens Vorgehen: „Ich weiß, dass [Biden] einen Prozess in Gang setzen will, in dem Ausgabenprioritäten und -höhen diskutiert und verhandelt werden. Aber diese Verhandlungen sollten nicht mit einer Pistole am Kopf des amerikanischen Volkes geführt werden.“

Biden wird diese Woche mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, über die Schuldenobergrenze sprechen. Yellen hatte davor gewarnt hat, dass die USA am 1. Juni ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könnten.

Der Streit

Die Bundesregierung hat im Januar ihr Schuldenlimit von 31,4 Billionen Dollar erreicht. Seitdem habe das Finanzministerium laut Yellen „außerordentliche Maßnahmen“ ergriffen, um die Mittel in der Zwischenzeit aufrechtzuerhalten.

US-Präsident Joe Biden und das Weiße Haus beharren auf die bedingungslose Anhebung des Schuldendeckels, da die Verschuldung von früheren Regierungen zu verantworten sei. McCarthy fordert im Gegenzug jedoch Kürzungen des Bundesetats.

In den vergangenen Monaten hat Biden wiederholt betont, er werde keinesfalls über die Erhöhung der Schuldenobergrenze verhandeln. Allerdings räumte er Haushaltskürzungen ein, sobald eine neue Obergrenze verabschiedet würde.

Washington legt regelmäßig eine Obergrenze für die Kreditaufnahme des Bundes fest. Derzeit liegt die Obergrenze bei etwa 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Im Juli oder August wird der Kreditrahmen voraussichtlich erschöpft sein. Dann drohen Zahlungsausfälle bei Medicare und anderen Regierungsprogrammen.

Forderungen des Kongresses

Ein vom Repräsentantenhaus verabschiedeter Gesetzentwurf sieht Haushaltskürzungen bis 2022 vor, sowie das Wachstum auf ein Prozent pro Jahr zu begrenzen. Zudem sollten Steueranreize für erneuerbare Energien aufgehoben und die Arbeitsanforderungen für einige Programme zur Armutsbekämpfung weiter verschärft werden.

Eine Gruppe von 43 Republikanern im Senat hatten am Samstag die Abstimmung über einen Gesetzentwurf abgelehnt, der lediglich die Schuldenobergrenze anhebt, ohne sich mit den Ausgaben zu befassen. Sollten die Demokraten tatsächlich einen solchen Antrag einbringen, wird er wahrscheinlich scheitern.

Damit ein Gesetz vom Senat verabschiedet wird, benötigt es mindestens 60 von 100 Stimmen. Da die Demokraten im Senat nur über eine Mehrheit von 51 zu 49 verfügen, bräuchten die Demokraten die Unterstützung von mindestens neun Republikanern, um die 60-Stimmen-Grenze zu überschreiten.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Yellen Warns ‘Constitutional Crisis’ Could Come Next Month“ (deutsche Bearbeitung nh)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion