US-Unternehmen verabschieden sich von Diversität und Inklusion

US-Konzerne wie Microsoft, Google und viele andere beenden Diversitätsprogramme und entlassen ganze Abteilungen. Ist es der wirtschaftliche Abschwung oder die Angst vor Kundenboykott, der die Unternehmen zur Umkehr bringt?
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Microsoft und andere US-Konzerne haben sich von ihren Diversitätsprogramm verabschiedet.Foto: Jean-Luc Ichard / iStock
Von 24. Juli 2024

Ein wichtiges Unternehmensziel der Tech-Riesen aus dem Silicon Valley nannte sich bis vor Kurzem D&I: die Diversitäts- und Inklusionsstrategie oder auf Englisch DEI-Engagement: Diversity, Equity, Inclusion (Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion).

Noch Ende vergangenen Jahres lobte sich Microsoft noch dafür, „dass wir unsere Diversitäts- und Inklusionsstrategie (D&I) konsequent umgesetzt und gelebt haben“. Nachzulesen ist das auf der Internetseite von Microsoft Deutschland. Die Mission sei von Grund auf inklusiv: „Wir möchten jede Person und jede Organisation auf dem Planeten befähigen, mehr zu erreichen. Eine Herausforderung, die wir nur gemeinsam angehen können. Denn Qualität entsteht nie aus der immerwährenden Bestätigung von althergebrachten Ansichten, sondern aus kritischem Hinterfragen, verschiedenen Perspektiven, Pluralität und offenem Diskurs“, heißt es da noch im Dezember 2023. Doch nur ein halbes Jahr später war beim Software-Riesen Schluss mit Diversität.

Microsoft-Sprecher: Veränderte Geschäftsbedingungen

Wie aus einer internen E-Mail hervorgeht, hat das Unternehmen zum 21. Juli ein Team entlassen, das sich mit Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion befasst hatte. Laut „Business Insider“ begründete Microsoft diesen Schritt mit „veränderten Geschäftsbedingungen“. Wie viele Mitarbeiter davon betroffen sind, blieb zunächst unklar. Gleichzeitig bekräftigte Microsoft-Sprecher Jeff Jones: Unsere D&I-Verpflichtungen bleiben unverändert. Der Fokus von Microsoft auf Vielfalt und Inklusion sei „unerschütterlich, und wir halten an unseren Erwartungen fest, legen Wert auf Verantwortlichkeit und konzentrieren uns weiterhin auf diese Arbeit“.

Ins Rollen gekommen war die Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion 2020 nach dem Tod von George Floyd, der die Black-Lives-Matter-Proteste nach sich zog. Seinerzeit hatte Microsoft-CEO Satya Nadella bekräftigt, dass das Unternehmen 150 Millionen Dollar in seine D&I-Initiative stecken will. Die Anzahl der afroamerikanischen Manager und Führungskräfte sollte in den USA bis 2025 verdoppelt werden.

Der Rückzug von D&I ist in der ganzen Branche zu beobachten. Waseem Ali, CEO der Datenberatungsfirma Rockborne, ist überzeugt, dass Microsofts Schritt Teil eines breiteren Trends sei, DEI-Bemühungen in der Tech-Industrie stillschweigend aufzugeben. Wie die Plattform „ITPro“ berichtet, haben andere globale Tech-Unternehmen wie Google und Meta bereits im vergangenen Jahr erhebliche Kürzungen bei D&I-Programmen vorgenommen. Es entstehe der Eindruck, dass eine vielfältige Belegschaft eher ein „Nice-to-have als ein Muss ist“, sagte Ali.

Google plante 175 Millionen Dollar ein

Google hatte sein DEI-Engagement nach dem Tod von Floyd ebenfalls intensiviert. Das Unternehmen verpflichtete sich unter anderem, den Anteil unterrepräsentierter Gruppen in Führungspositionen bis 2025 um 30 Prozent zu erhöhen. Die Anzahl schwarzer Arbeitnehmer auf nicht leitenden Ebenen sollten bis 2025 mehr als verdoppelt werden. Google-CEO Sundar Pichai kündigte 2020 zudem an, dass das Unternehmen 175 Millionen Dollar für die Unterstützung schwarzer Firmenchefs zur Verfügung stellen wolle.

Seit 2023 sind die Programme jedoch auf dem Rückzug, wie CNBC schreibt. Bis Mitte jenes Jahres waren dem Bericht zufolge die Stellenausschreibungen im Bereich DEI im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent zurückgegangen. Im November 2023, dem letzten vollen Monat, für den Daten verfügbar waren, sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent.

Dem allgemeinen Trend folgend, haben sowohl Google als auch Meta (ehemals Facebook Inc.) Mitarbeiter entlassen und Programme, die unter DEI-Investitionen fielen, reduziert. Die Kürzungen hätten sich auch auf kleinere Drittorganisationen ausgewirkt, die trotz des anhaltenden Wachstums der Tech-Giganten auf die Arbeit der großen Tech-Kunden angewiesen waren, heißt es in dem Bericht weiter.

„Wann immer es einen wirtschaftlichen Abschwung in der Tech-Branche gibt, sind einige der ersten Budgets, die gekürzt werden, im Bereich DEI, aber ich glaube nicht, dass wir je einen so starken Kontrast gesehen haben wie in diesem Jahr“, zitiert „CNBC“ Melinda Briana Epler, Gründerin und CEO von Empovia, die Unternehmen und Führungskräfte berät, eine forschungsbasierte Kultur der Gleichberechtigung zu nutzen.

Skepsis in der Bevölkerung

John Deere, einer der führenden Landtechnik-Hersteller mit einem Jahresumsatz von rund 55,6 Milliarden Dollar (2023), dampft seine DEI-Aktivitäten weitgehend ein. Das verkündete das Unternehmen auf X (ehemals Twitter).

Die Reaktionen auf die Ankündigungen waren jedoch vielfach skeptisch. So meinte Nutzer „Robby Starbuck“: „Ein weiterer großer Sieg in unserem Kampf gegen die Wokeness, aber ich glaube nicht, dass dies ausreicht, damit die Kunden zurückkehren. Die Kunden wollen hören, dass es keine DEI-Politik mehr gibt und dass sie nicht mehr am Social Credit CEI-Scoring von HRC teilnehmen werden.“

Gemeint ist hier der Corporate Equality Index (CEI) der Human Rights Campaign Foundation (HRC). Es stellt das nationale Bemessungsinstrument für Unternehmensrichtlinien, -praktiken und -leistungen, die für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und queere Mitarbeiter relevant sind.

Auch Nutzer „Miscai“ ist skeptisch: „Für mich klingt das so, als würden Sie die witzigen DEI-Richtlinien nur verinnerlichen, damit sie weniger offensichtlich sind“, und nennt als Beispiel die Aussage: „Wir werden weiterhin die Vielfalt in unserer Organisation verfolgen und fördern.“ Der Nutzer fordert, dass sich John Deere verpflichten müsse, alle DEI-Initiativen komplett zu verbannen, „einschließlich aller Verantwortlichen“. Vielleicht würde das Unternehmen dann für ihn wieder glaubhaft: „Andernfalls versuchen Sie nur, aus einem Schweineohr einen Seidenbeutel zu machen.“

Studie sieht Diversität als Erfolgskonzept

Das amerikanische Einzelhandelsunternehmen Tractor Supply Company (Umsatz 2023: 14,56 Milliarden Dollar) hat ebenfalls eine Reihe von Initiativen in den Bereichen Vielfalt und Klima beendet. Laut „Associated Press“ (AP) entschloss sich die Unternehmensführung zu dem Schritt, nachdem es im ländlichen Raum über Wochen aus konservativen Lagern Kritik an den Programmen gegeben hat. Ende Juni teilte Tractor Supply mit, dass es alle seine Aufgaben in den Bereichen Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration abschaffen und gleichzeitig die aktuellen DEI-Ziele aufgeben werde. Das Unternehmen ging nicht näher darauf ein, was die Abschaffung der DEI-Rollen mit sich bringt.

Die Tractor Supply Company fügte hinzu, dass es „das Sponsoring von nicht geschäftlichen Aktivitäten“ wie Pride-Festivals oder Wahlkampagnen einstellen und keine Daten mehr an die Human Rights Campaign, die größte Lobbygruppe für LGBTQ+-Rechte in den USA, übermitteln werde.

Auch Unternehmen wie Tesla, Snap, Zoom, DoorDash, Lyft, Home Depot und Wayfair haben ihre DEI-Teams reduziert.

Dabei galt Diversität zunächst als Erfolgskonzept – wenn man der Studie des Unternehmens- und Strategieberaters McKinsey aus dem Jahr 2020 folgt. „Je diverser, desto erfolgreicher“ ist da gleich eingangs zu lesen. Eine internationale Analyse habe ergeben, dass Inklusion und Diversität „ein wichtiger Faktor für den Geschäftserfolg“ sei.

Der Studie mit dem Titel „Diversity Wins – How Inclusion Matters“ zufolge haben Unternehmen hoher Gender-Diversität eine um 25 Prozente höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Laut McKinsey lag der Wert 2014 bei 15 Prozent. Betrachte man den Faktor der „ethnischen Diversität“  (Internationalität des Vorstands), liege der Wert gar bei 36 Prozent. McKinsey bemängelte aber auch den langsamen Fortschritt in Unternehmen bei diesem Thema. Nur 38 Prozent verbesserten sich, während je rund 30 Prozent stagnierte oder sich auf dem Gebiet sogar verschlechterte.



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