US-Präsidentschaftsdebatte: Demokraten besorgt nach durchwachsener Vorstellung Bidens
Am Donnerstagabend, 27. Juni (Ortszeit), ist in Atlanta die erste von zwei vorgesehenen Debatten zur US-Präsidentschaftswahl zwischen Amtsinhaber Joe Biden und Herausforderer Donald Trump über die Bühne gegangen. CNN hat sie ausgerichtet, und das Moderatorenduo Jake Tapper und Dana Bash hat sich im Wesentlichen auf das Stellen von Fragen beschränkt und den Kandidaten breiten Raum für ihre Antworten gegeben.
Biden zieht positive Bilanz über seine bisherige Präsidentschaft
Die Kandidaten erhielten 90 Minuten lang Gelegenheit, sich inhaltlich zu einer Vielzahl an Themen zu äußern, die von der Wirtschaft, über Abtreibung oder auch Außenpolitik bis zum persönlichen Golf-Handicap reichten, das im Kontext der Frage nach der Amtsfähigkeit zum Thema wurde.
In der Debatte war vielfach eine tiefe Feindseligkeit zwischen den Kandidaten zu bemerken, mehrfach kam es zu Angriffen, die in den persönlichen Bereich reichten. Biden verteidigte seine Leistungen als Präsident und stellte sich als Führungspersönlichkeit dar, die dafür sorgt, dass gerade die kleinen und mittleren Einkommen in schwierigen Zeiten nicht übermäßig belastet würden.
Der Präsident erklärte, er genieße das Vertrauen von Polizei, Militär, Rentnern und Veteranen im Inneren. Außenpolitisch sei er der Garant dafür, dass die USA ein intaktes Verhältnis zu ihren Partnern in der Welt hätten.
Trump: „Amerika wird in der Welt nicht mehr respektiert“
Der Herausforderer Trump bestritt diese Darstellung. Biden würde in der Welt nicht respektiert – nicht von geopolitischen Rivalen wie Russland oder China, aber auch nicht in Europa, wo man sich darauf verlasse, dass die USA die Zeche für politische Abenteuer bezahle.
Der Herausforderer nannte die Art und Weise, in der die USA Afghanistan verlassen hätten, ein „Desaster“. Der schwache Eindruck, den man dabei hinterlassen habe, habe Russlands Präsidenten Wladimir Putin erst dazu ermuntert, in der Ukraine einzumarschieren.
Bidens Amtsvorgänger warf diesem vor, in Fragen wie der Grenzsicherung, der Inflation, der Verteidigung oder der Außenwirtschaft intakte Strukturen vorgefunden, diese jedoch zerstört zu haben. Der Präsident attestierte seinem Vorgänger Versagen in der Corona-Politik und eine Entfremdung von den westlichen Partnern. In Charlottesville und am 6. Januar 2021 habe er Extremisten hofiert.
Biden verlor mehrfach den Faden
Inhaltlich bot die Debatte am Donnerstagabend in Summe wenig, was nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt von den beiden Kandidaten geäußert worden wäre. Was entsprechend umso mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückte, war der Auftritt der Kandidaten als solcher.
Diesbezüglich fiel bei mehreren Gelegenheiten auf, dass Amtsinhaber Joe Biden während seiner Ausführungen den Faden verlor. Auch bei Themen, bei denen er auf Offensive setzen wollte, unterliefen ihm Schnitzer. Als Biden erklärte, warum er den „Roe vs. Wade“-Status quo bei der Abtreibung wiederherstellen wolle, äußerte er einen Satz, den Faktenchecker von AP als „sinnfrei“ bezeichneten. Über die dort skizzierte Trimester-Betrachtung äußerte er:
„Das erste ist zwischen einer Frau und einem Arzt. Das zweite ist zwischen einem Arzt und einer Extremsituation. Ein drittes ist zwischen dem Arzt, ich meine, zwischen den Frauen und dem Staat.“
Bei einer anderen Gelegenheit äußerte er, man habe „am Ende Medicare geschlagen“. Bei Medicare handelt es sich um eine Pflichtkrankenversicherung auf Bundesebene für ältere Menschen. Trump nutzte die Steilvorlage umgehend, um Biden zu attestieren, dieser habe „Medicaid [ein weiteres Gesundheitsfürsorgeprogramm für Ältere] totgeschlagen, und er zerstört Medicare“.
Sorgen um die Amtsfähigkeit Bidens
Dies und weitere Eindrücke, die Biden in der Debatte hinterlassen hat, haben in den Reihen der Demokraten Besorgnis ausgelöst. Dem Amtsinhaber, so der Tenor, sei es nicht gelungen, Energie und Kraft auszustrahlen in Anbetracht der verbreiteten Sorgen um sein Alter. Wird Biden wiedergewählt, wird er am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre alt sein.
Schon während der laufenden Debatte äußerten Funktionäre der Demokraten, Biden gelinge es nicht einmal, niedrige Erwartungen zu erfüllen. Der frühere Obama-Wahlkampfhelfer Ravi Gupta äußerte auf X: „Jeder Demokrat, den ich kenne, textet gerade, dass die Vorstellung schlecht ist. Dann sagt es aber auch öffentlich und schafft Raum in der Convention, um einen Auswahlprozess zu starten. Ich würde ehe eine Leiche wählen als Trump, aber das ist ein Selbstmordkommando.“
Every Democrat I know is texting that this is bad. Just say it publicly and begin the hard work of creating space in the convention for a selection process. I’ll vote for a corpse over Trump, but this is a suicide mission.
— Ravi Gupta (@RaviMGupta) June 28, 2024
Der Sender NBC zitiert einen Strategen der Demokraten mit der Aussage, diese hätten „soeben kollektiven Suizid verübt“. Unter der Bedingung der Anonymität äußerte er weiter:
„Biden klingt heiser, sieht müde aus und plappert. Er bekräftigt alles, was die Wähler bereits geahnt haben. Präsident Biden kann nicht gewinnen. Diese Debatte ist ein Nagel in seinem politischen Sarg.“
Ein weiterer Stratege erklärte, es sei „schwer zu argumentieren, dass wir nicht jemand anderen nominieren sollten“. Noch während der Debatte, als AFP bereits schlagzeilte, Demokraten seien „besorgt aufgrund des Auftritts von Biden“, vertraute ein Insider der Agentur an, dieser sei „erkältet“.
Der frühere Obama-Berater David Axelrod äußerte hingegen, die einzige Person, die Joe Biden zu einem Verzicht auf die Kandidatur bewegen könnte, sei dieser selbst:
„Er ist der nominierte Kandidat der Demokraten. Wir sind nicht in den 1960ern.“
Biden werde davon ausgehen, dass es nur eine schlechte Nacht gewesen wäre. Das Problem sei, dass „es eine Nacht war, die dazu beitrug, Bedenken von Menschen zu bestätigen“.
Faktenchecker: Trump hat mehrere Falschaussagen getätigt und ließ Fragen unbeantwortet
Dass eine einzige Debatte, die zudem zu einem deutlich früheren Zeitpunkt als üblich stattgefunden hat, die Wahl entscheidet, erscheint als unwahrscheinlich. Viele Demokraten oder auch Republikaner und Unabhängige, die ein Problem mit der Aussicht auf eine zweite Amtszeit Trumps haben, würden für Biden stimmen.
Allerdings könnte der Eindruck, den Joe Biden in der Debatte am Donnerstag hinterlassen hat, viele unentschlossene Wähler an seiner Amtsfähigkeit zweifeln lassen. Es sind lediglich knapp vier Jahre, die den Amtsinhaber und den Herausforderer an Lebensalter trennen. Der gefühlte Altersunterschied während der Debatte war phasenweise jedoch deutlich größer. Donald Trump musste weder übermäßig staatsmännisch auftreten noch seine Worte in besonderer Weise abwägen, um einen agileren und kompakteren Eindruck zu hinterlassen.
Faktenchecker attestierten Trump, eine Vielzahl an unzutreffenden, übertriebenen oder nicht belegten Behauptungen aufgestellt zu haben – zu Themen von Migration bis hin zur Wahl 2020. Zudem habe er einige Fragen vollständig unbeantwortet gelassen. Es ist unklar, wie bedeutsam die Analysen der Faktenchecker zu Trump für die Wahlentscheidung potenzieller Wähler sind. Dass Trump in seiner Rhetorik zu Übertreibungen oder populistisch verzerrten Aussagen neigt, haben viele seiner Wähler in ihre Entscheidung eingepreist.
Putsch gegen Biden auf dem Nominierungsparteitag unwahrscheinlich
Der Nominierungsparteitag der Demokraten wird von 19. bis 22. August in Chicago stattfinden. Biden bringt 3.317 von 4.674 Delegierten mit. Von diesen sind 3.934 verpflichtet, lediglich die 740 sogenannten Superdelegierten sind in ihrer Stimmabgabe frei. Es erscheint als aussichtslos, bei dieser Konstellation Biden gegen seinen Willen von der Kandidatur fernzuhalten.
Es wäre möglich, dass Delegierte Biden die Stimme verweigern oder ihre Stimmzettel auf die Namen anderer Personen lauten lassen. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein solches Manöver den Demokraten politisch noch stärker schaden würde als auf eine bessere zweite Debatte Bidens im September zu hoffen.
Mittlerweile scheint man im Lager des Amtsinhabers auch wieder zu einem Narrativ gefunden zu haben. Wahlkampfleiterin Jen O’Malley Dillon erklärte, Biden habe in der Debatte „eine positive und gewinnende Vision für die Zukunft Amerikas“ präsentiert. Demgegenüber habe Trump „ein dunkles und rückwärtsgewandtes Fenster dazu, wie Amerika aussehen wird, wenn er wieder ins Weiße Haus einzieht“, geboten.
Biden selbst erklärte vor Anhängern, er wolle sich perspektivisch auf die „Falschdarstellungen“ fokussieren, die Trump geäußert habe. Ihm falle „keine einzige Behauptung [Trumps] ein, die richtig gewesen wäre“.
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